Tür nur ausnahmsweise geöffnet: Ottmar Erath steht am Eingang der Balinger Volkshochschule. Die Bildungseinrichtung hat derzeit hart mit dem Auswirkungen des Coronavirus zu kämpfen. Foto: Maier Foto: Schwarzwälder Bote

Pandemie: Bildungseinrichtung fährt derzeit harten Sparkurs / Angebote kommen auf den Prüfstand

Gefragt nach der derzeitigen Lage bei der Balinger Volkshochschule (VHS) und den Aussichten auf die nächsten Monate, sagt deren Leiter Ottmar Erath nur ein Wort: "düster". Das Corona-Virus hat die Bildungseinrichtung fest im Griff – und wird sie und die Angebote auf lange Zeit verändern.

Balingen. Geschlossen: Das gilt seit Mitte März auch für die Balinger VHS. Wegen Corona. Keine Kurse, keine Ausfahrten, nichts geht mehr. Für die Einrichtung bedeutet das, dass derzeit nach Angaben von Ottmar Erath jede Woche rund 30 000 an Einnahmen flöten gehen, wovon etwa 12 000 Euro für die Deckung von Fixkosten – zum Beispiel Personal und Räume – vorgesehen sind. Die bisherigen Ausfälle dieses Deckungsbeitrags belaufen sich mittlerweile auf mehr als 100 000 Euro. Man sei zwar noch liquide, aber langsam gehe es an die Substanz, sagt Erath. Die Corona-Krise, sie könnte die VHS in eine veritable Krise stürzen. In einem Brief an die Dozenten hat Erath deutlich gemacht, worum es nun geht: "Unser wichtigstes Ziel ist der Erhalt unserer Volkshochschule."

Die Balinger haben dahingehend bereits Schritte unternommen: Als eigenständige Einrichtung in freier Trägerschaft wurde ein Antrag auf Soforthilfe beim baden-württembergischen Wirtschaftsministerium gestellt. Ebenso hofft man an der Wilhelmstraße, in der Balinger Zentrale, auf einen Zuschuss des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge nach dem – Vorsicht, sperriges Wortungetüm – Sozialdienstleistereinsatzgesetz. Damit könnten die derzeit entfallenden Integrationskurse, die neben den Gesundheitsangeboten der umsatzstärkste Bereich sind, teilweise kompensiert werden. Stand Dienstag war über die Anträge noch nicht entschieden.

Neben den erwarteten Hilfsgeldern setzt die VHS derweil auf ein Mittel, das viele Betriebe und Mitarbeiter betrifft und das seit Ende April auch im öffentlichen Dienst möglich ist: Kurzarbeit. Für etwa die Hälfte der Mitarbeiter wurde die Arbeitszeit reduziert. Auch Ottmar Erath hat sich davon nicht ausgenommen, er ist nur noch zu 40 Prozent im Büro. Das sei für ihn selbstverständlich gewesen, sagt Erath: Jeder müsse angesichts der Lage Abstriche machen, nur gemeinsam könne man die Krise schultern. Man unternehme alles, so Erath, um Kosten zu sparen. Wenn das nicht reichen sollte, sei die öffentliche Hand gefordert – sprich: Dann sei Unterstützung seitens der Stadt notwendig.

Große Solidarität

Als ein "schönes Signal" bezeichnet Erath derweil den Umstand, dass viele Kunden der VHS nun zur Seite stehen – und etwa bereits bezahlte Kursgebühren nicht zurückerstattet, sondern als "Gutschein" verbucht haben wollen. Es fänden sicher wieder einmal Kurse statt, dann könne man das ja verrechnen: Das höre er von vielen Menschen. Und diese Solidarität freue ihn, so Erath.

Wie lange Corona die VHS noch im Griff hat, wann der Kursbetrieb wieder aufgenommen werden kann, das sei derzeit nicht absehbar, sagt Erath. Aber selbst wenn es soweit sein sollte, bleibe ungewiss, ob die Teilnehmer, von denen aufgrund ihres Alters viele zur Risikogruppe zählen, die Angebote wie vor Corona wieder buchen – oder beispielsweise aus Angst erst einmal darauf verzichten. Erath geht derzeit davon aus, dass der "Normalbetrieb" erst dann wieder möglich sein wird, wenn ein Impfstoff vorliegt – nach derzeitigem Stand also voraussichtlich wohl erst im nächsten Jahr.

Fest steht, dass sich die Angebotspalette der Balinger Volkshochschule spürbar ändern werde. Bis zur Überwindung der Krise müsse man, so Erath, viel stärker als bisher darauf achten, dass die Kurse und Veranstaltungen solide finanziert seien. Derzeit laufen die Planungen für das reduzierte Herbstprogramm. Vieles ist schon vereinbart, soweit man das heute überhaupt so sagen kann. Im Mittelpunkt stünden künftig die Kernbereiche der Erwachsenenbildung – neben den Integrationskursen vor allem die Angebote zur Gesundheitsbildung und die Sprachenschule.

Reduziertes Angebot

Wohl nicht im Programm wiederfinden werden sich dagegen etwa Kochkurse oder die Ausfahrten. Und auch "experimentelle Angebote" könne man sich auf absehbare Zeit mehr leisten. Einzelne Bereiche, die bisher schon teilweise querfinanziert werden mussten, werden wohl ausgedünnt oder ganz gestrichen. Davon betroffen sein werden etwa die Jugendkunstschule und die Jugendtechnikschule. Ausnahme: Die Langzeitangebote sollen laut Erath weiterlaufen, weil damit "wertvolle Bildungsarbeit" geleistet werde.

Grundsätzlich hat die Balinger VHS wirtschaftlich erfolgreiche Jahre hinter sich. Die Überschüsse wurden immer in neue Projekte gesteckt – eines davon ist die Wissenwerkstatt Zollernalb, die vor vier Jahren gründet wurde. Für die Wissenswerkstatt, die sich prima entwickelt habe, sei man in Gesprächen, so Erath, wie man sie "auf eigene Beine stellen" könne. Etwa in Kooperation mit der Hechinger VHS, mit Unterstützung des Landkreises oder einer noch stärkeren Einbindung der regionalen Wirtschaft. Es wäre mehr als schade, so Erath, wenn dieses jüngste Kind der VHS dem Coronavirus zum Opfer fallen würde.