Wolfgang und Andrea Belser, Inhaber des Balinger Injoy, haben sich der Initiative von Fitnessstudios angeschlossen und einen Brief an die zuständigen Politiker und Minister geschrieben. Studioleiter Andreas Moser (links) erklärt, wie wichtig Sport für ein gesundes Immunsystem ist. Foto: Thiercy

Schließung im März kam Knall auf Fall. Hoffen auf baldige Wiedereröffnung. Infektionsschutz-Konzept erarbeitet.

Balingen - "Wir vermissen alle", sagt Patrick Sickinger. Das Engstlatter Fitnessstudio Axis, ein Familienbetrieb, hat seit dem 16. März Corona-bedingt geschlossen. Jetzt, in den leeren Räumen und ohne Kunden, die trainieren, wird ihm bewusst: "Wir arbeiten hier nicht nur, das ist unser Leben." Und das wollen sowohl die Sickingers als auch die Betreiber des Balinger Injoy bald wieder haben.

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Unverständlich findet der Student der Sportwissenschaften, dass es bis heute keinen behördlichen Brief gab. Die Schließung kam Knall auf Fall, und alles, was die Sickingers zum Thema wissen müssen, haben sie selbst recherchiert. Staatliche Unterstützung? Fehlanzeige. "Aber unsere Mitglieder lassen uns nicht im Stich", sagt Patrick Sickinger. "Ihnen danken wir von Herzen", fügt Heike Sickinger hinzu.

Man kennt sich im Studio zum Teil seit vielen Jahren. Die Atmosphäre ist familiär. Die Kunden lassen die Abbuchungen weiter laufen. "Das hilft uns über diese Zeit", sagt Patrick Sickinger. Schwierig werde es, wenn die Beträge nach der Öffnung zurückverrechnet werden müssten. Soweit allerdings wagt keiner im Engstlatter Familienbetrieb zu denken. Sie bauen auf die Aussage von Jens Spahn, der auch den Studios ab 4. Mai wieder eine Eröffnung ermöglichen will. Die Entscheidung darüber könnte am heutigen Donnerstag fallen.

Mitglieder erwartet neuer Boden

Die Mitglieder erwartet, wenn sie wieder kommen können, ein komplett neuer Boden im Kursraum. Vater Lothar Sickinger renoviert gemeinsam mit den Söhnen Patrick und Marcel das Büro. Es gibt Onlinekurse, aber auch live wird trainiert, und bei akuten Problemen gibt es über das so genannte Sporttelefon fachmännischen Rat und die passenden Übungen, wenn zum Beispiel der Rücken Probleme macht. Außerdem will die Familie der Gesellschaft helfen. Zwei Azubis zur Sport- und Fitness-Kauffrau wurden freigestellt und arbeiten im Sicherheitsdienst in der Coronastation oder in Supermärkten.

In Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt haben die Sickingers ein Infektionsschutz-Konzept erarbeitet. Sicherheitsabstände, Mundschutz, kontaktloser Check-in und Desinfektion gehören dazu. Außerdem erlaube es das Gebäude, Kurse an der frischen Luft anzubieten. "Die Duschen zu sperren hat Sinn", findet Patrick Sickinger: "Auch wenn der Komfort ein bisschen schwindet." Der junge Mann wird nachdenklich. Gerade für Menschen mit Lungenerkrankungen sei Bewegung wichtig. Wer sich nicht ausreichend bewege, der habe eine schlechtere Verdauung, das Immunsystem gehe in den Keller: "Da muss man doch Corona gegen den schädlichen Sportentzug abwägen."

Keine Reaktion auf Brief

Drastischer formuliert das ein Brief des Verbands der deutschen Fitness-Studios, den Injoy-Chef Wolfgang Belser wie seine Kollegen bundesweit an die zuständigen Politiker geschickt hat. Das schriftliche Pochen auf die "Systemrelevanz von Fitness-Studios" ging in seinem Fall an Wirtschaftsministerin und CDU-Landtagsabgeordnete Nicole Hoffmeister-Kraut, Landrat Günther-Martin Pauli, die CDU-Bundestagsabgeordneten Thomas Bareiß und Annette Widmann-Mauz sowie an den Balinger Oberbürgermeister Helmut Reitemann. Außer einer Eingangsbestätigung des Landrats und der Zusage, das Thema mit der Wirtschaftsministerin zu besprechen, habe er bislang allerdings keine Reaktion bekommen.

Hintergrund ist, dass die Gesundheitsallianz, in der Vertreter aus Medizin, Industrie, der Fitnessbranche sowie Immunologen und Virologen versammelt sind, betont: Bewegung und Muskeltraining stärken das Immunsystem. Anders gesagt: "Mit gutem Training können wir dafür sorgen, dass nicht noch mehr Menschen zur Risikogruppe gehören."

Ein coronagerechtes Training sei auch im Injoy möglich, sagt Belser – Abstand zwischen den Geräten, weniger Sportler auf der Anlage: "Wir sollten die Gesundheit der Menschen nicht aufs Spiel setzen, weil ihr Immunsystem ohne Training schlechter wird." Unverständlich finden Belser und sein Team, dass gerade Menschen mit Diabetes, Bluthochdruck oder Übergewicht kein Training mehr machen dürfen. "So langsam geht es unseren älteren Kunden an die Gesundheit", hat er beobachtet.

Wie auch die Kollegen aus Engstlatt bieten die Balinger Onlinekurse an. "Aber viele Senioren haben gar kein Internet", sagt Belser. Mit ihnen halten die Trainer telefonischen Kontakt. Und hoffen gemeinsam darauf, dass der Trainingsbetrieb bald wieder anlaufen kann. "Wir müssen mit Corona leben. Aber im Schneckenhaus geht das nicht", sagt Belser.