Eine Institution auf dem Balinger Wochenmarkt: der Brauwurststand von Ruth und Rudolf Schäfer. Seit 45 Jahren sind sie in diesem Metier tätig, ans Aufhören wollen sie keinen Gedanken verschwenden. Foto: Maier Foto: Schwarzwälder Bote

Karrieren: Ehepaar aus Weilstetten ist seit 45 Jahren auf Märkten unterwegs – und in Balingen eine Institution

Balingen. Wer bei den Schäfers eine Wurst haben will, der muss sich mitunter auf einiges gefasst machen. An ihrem Stand geht es bisweilen anhand der Wurst auch um hohe Politik. Das musste beispielsweise Volker Kauder einst erfahren, Bundestagsabgeordneter aus Rottweil, Fraktionsvorsitzender der CDU im Bundestag und enger Vertrauer von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Kauder also war einmal in Sulz am Neckar mit einem CDU-Werbestand vertreten. Rudolf Schäfer ging auf ihn zu und sagte ihm, er könne nicht nur Würste braten, sondern habe darüber hinaus viele Talente, darunter ein besonderes, er verrate es ihm gerne, aber Kauder dürfe es der Bundeskanzlerin auf keinen Fall weitersagen. Kauder guckte ganz verdutzt – bis Schäfer die Pointe nachschob: Er könne, sagte der heute 81-Jährige, Rote in Schwarze verwandeln. Kauder schmiss sich weg vor Lachen. Und bestellte prompt eine Rote.

Diese Anekdote, eine von vielen, die Rudolf und Ruth Schäfer auf Lager haben, erzählt viel über die Art und Weise, wie sie ihr Geschäft betreiben. Auf dem Balinger Wochenmarkt sind Rudolf und Ruth Schäfer eine Institution. Für viele gehört eine Wurst – wahlweise eine Rote, eine Riesen oder aber eine Currywurst – zum Samstagritual dazu. Es geht aber oft um mehr als die Wurst – ohne die Sprüche von Rudolf Schäfer wären die nur halb so gut.

Seit mittlerweile 45 Jahren sind die Schäfers im Bratwurstgeschäft. Angefangen haben sie damit im Nebenjob, mittlerweile lebt auch Sohn Oliver Schäfer davon, und die dritte Generation arbeitet sich langsam ein. Die Zentrale ist in Weilstetten, von dort aus geht es zu den Märkten – außer Balingen und Sulz auch nach Reutlingen, Tübingen, Bad Urach und Laichingen.

Rudolf Schäfer ist gelernter Industriekaufmann. Der gebürtige Nürtinger arbeitete als junger Mann in einem mittelständischen Unternehmen in führender Position. Seine Frau Ruth war als Telefonistin und Empfangsdame für MAN in München tätig. Als die Firma, für die Rudolf Schäfer tätig war, Ende der 1960er-Jahre verkauft wurde, musste sich das frisch verheiratete Paar neue berufliche Wege überlegen – die Wahl fiel auf etwas ganz Neues: 1970 übernahmen sie das Café-Restaurant Bürgerstüble in Owingen. Die Gastronomie allein war ein hartes Geschäft, weshalb sie nach einem Nebenerwerb Ausschau halten mussten. Per Zeitungsannonce suchten die Schäfers nach einem Bratwurststand, kauften einen für 300 Mark samt Bräter – damit begann 1973 der Nebenerwerb, der sich schon bald zur Haupteinnahmequelle mausern sollte. Bratwürste zu verkaufen ist ein gutes Geschäft; wie gut, wollen die Schäfers nicht sagen ("Sie wisssen – das Finanzamt!").

Aufhören? Nein. Aber Überstunden baut er mittlerweile ab

Es ist aber auch ein hartes Geschäft: An Markttagen in Balingen stehen Rudolf und Ruth Schäfer morgens um 3 Uhr auf, richten den Wagen und die Ware. Um 5 Uhr sind sie auf dem Marktplatz, direkt vor der Stadtkirche, bei Wind und Wetter. Um 8 Uhr braten die ersten Würste im Fett.

Was macht eine gute Bratwurst aus? Dass sie, sagen die Schäfers, zuallererst von Qualität sei: Von Beginn an bis heute beziehen sie ihre Würste von demselben Metzger. Ins Fett kommen Zwiebelringe. Und wer eine Currywurst isst, der bekommt eine Sauce dazu, die Rudolf Schäfer persönlich und nach Geheimrezept zusammengerührt hat. Selbstbewusst sagen die Schäfers zudem, dass ihre Würste so gut seien, "weil wir sie verkaufen!"

Am Stand haben sie eine klare Rollenverteilung: Rudolf Schäfer ist für die bisweilen frechen Sprüche und damit für die gute Laune zuständig, Ruth Schäfer übernimmt den klar serviceorientierten und freundlichen Part: "Guten Appetit, vielen Dank – und einen schönen Sonntag!" Auch wenn sie das Geschäft mittlerweile teilweise an Sohn Oliver übergeben haben, so denken die 69-jährige Ruth und der 81-jährige Rudolf Schäfer nicht ans aufhören. Sie sagt über ihren Mann, dass er ohne den Markttrubel nicht leben könne: "Er braucht das wie die Luft zum Atmen." "Noch 50 Jahre" wolle er das machen, sagt Rudolf Schäfer, lacht, und schiebt hinterher: Zu viel arbeiten sei nix, gar nicht mehr arbeiten sei aber auch Käse.

Nur ein wenig kürzer getreten ist er mittlerweile. Nach dem Aufbau zieht sich Rudolf Schäfer in ein Kaffee zurück und liest bis 9 Uhr ausgiebig Zeitung; seine Frau ist dann am Stand alleine. Wer sie fragt, wo denn ihr Mann sei, bekommt zu hören: "Der baut gerade Überstunden ab."