Ein Bäckerlehrling hat Brezeln auf einem Backblech geformt. Es gibt im Gebiet der Handwerkskammer Reutlingen noch freie Lehrstellen. Foto: Privat Foto: Schwarzwälder Bote

Wirtschaft: Handwerksbetriebe werben um Nachwuchs / Noch 754 Lehrstellen in der Region sind derzeit unbesetzt

Für viele Betriebe ist es in den vergangenen Jahren immer schwieriger geworden, die dringend benötigten Nachwuchskräfte zu gewinnen. Daran hat sich nichts geändert, wie die Handwerkskammer Reutlingen mitteilt.

Zollernalbkreis. In ihrem Gebiet gibt es 13 600 Handwerksbetriebe, davon bilden knapp 3000 regelmäßig junge Menschen aus. Demografischer Wandel und die immer stärker werdende Tendenz junger Menschen zu schulischen oder akademischen Bildungsgängen könnten Grund für den erheblichen Rückgang neu abgeschlossener Berufsausbildungsverträge sein, so die Kammer. Dem wider-spreche aber der erneut gestiegene Anteil an Abiturienten, die sich für eine Ausbildung im Handwerk entscheiden. So habe sich der Anteil der Abiturienten bei den neu abgeschlossenen Verträgen nunmehr auf 14,7 Prozent erhöht.

Das regionale Handwerk müsse sich dieser Situation stellen. "Die Bereitschaft auszubilden ist trotz Corona-Krise da, in diesem Jahr haben wir sogar 200 Lehrstellen mehr in unserer Lehrstellenbörse eingetragen als im vergangenen Jahr. Uns ist auch nicht bekannt, dass Betriebe schon abgeschlossene Ausbildungsverträge wegen der Krise aufgelöst hätten", sagt Christiane Nowottny, Geschäftsbereichsleiterin Berufsausbildung, Prüfungs- und Sachverständigenwesen der Handwerkskammer Reutlingen.

"Was uns und den Betrieben Sorge bereitet, ist, dass das Beratungsangebot in den Arbeitsagenturen und in den allgemeinbildenden Schulen coronabedingt eingeschränkt war und immer noch ist", erklärt Nowottny. Auch Berufsorientierungsmessen, Infobörsen und -tage und Veranstaltungen, bei denen die Kammer und die Betriebe für das Handwerk geworben haben, könnten nicht stattfinden. Die größte Herausforderung sei daher, die Jugendlichen in die duale Ausbildung zu vermitteln.

Aktuell seien für das Ausbildungsjahr 2020 noch 754 Lehrstellen zu besetzen. Zu den Gewerken mit den meisten offenen Lehrstellen im gesamten Kammergebiet gehörten die Anlagenmechaniker für Sanitär, Heizungs- und Klimatechnik (73 freie Stellen), die Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk (62), die Maurer (61) sowie die Maler- und Lackierer (59).

Ziel der Handwerkskammer sei es, in den nächsten Wochen durch entsprechende Maßnahmen wie Kinowerbung, Anzeigenschaltung, Azubicard und verstärkte Angebote in den sozialen Medien noch intensiver Jugendliche und Betriebe zusammenzubringen. "Darauf fokussieren sich unsere Aktivitäten, denn bis zum Start des Ausbildungsjahrs sind es noch einige Wochen, da geht sicher noch so einiges", so die Geschäftsbereichsleiterin.

Laut einer Studie vertrauten 50 bis 60 Prozent der Jugendlichen ihren Eltern, wenn es um die berufliche Orientierung geht. "Die Elterneinbindung in der Berufsorientierung darf nicht außer Acht gelassen werden. Jugendliche schätzten ihre Eltern als kompetente Unterstützer. Deshalb müssen wir die mit ins Boot holen und die Vorzüge einer Ausbildung im Handwerk immer wieder betonen. In vielen Fällen sind die Möglichkeiten, die eine Berufsausbildung im Handwerk bietet, Eltern und Lehrern nicht bekannt. Das müssen wir ändern", sagt Nowottny.

Weitere Informationen: Freie Lehrstellen sind unter www.hwk-reutlingen.de und in der App "Lehrstellenradar" verzeichnet.