Vor dem Balinger Amtsgericht ist der Prozess gegen einen 60-jährigen Mann fortgesetzt worden. Foto: Archiv

Vor Amtsgericht geht Prozess gegen 60-Jährigen weiter. Körperverletzung, Beleidigung und Fahren ohne Führerschein.

Balingen - Wirr ging am Dienstag die Verhandlung vor dem Balinger Amtsgericht gegen einen 60-Jährigen weiter, dem eine Reihe von Delikten vorgeworfen wird, darunter Körperverletzung, Beleidigung und Fahren ohne Führerschein beziehungsweise mit Alkohol.

Nachdem der Angeklagte vor 14 Tagen nach zwei Verhandlungstagen sein anfängliches Geständnis widerrufen hatte, müssen nun alle Zeugen erneut gehört werden. Am Dienstag waren dies ausschließlich Polizisten, denn gegen sie richtet sich der besondere Zorn des 60-Jährigen. Immer wieder werden sie von Nachbarn zu dessen Wohnung gerufen, weil er viel zu laut Musik hört. Immer wieder werden sie mit Kraftausdrücken wie "Wichser" und "Schwuchtel" vom Balkon der Wohnung herab empfangen. "Er sieht eine Uniform, und dann geht es sofort los mit den Beleidigungen", berichtete einer der Zeugen. Teilweise hat der Mann die Einsätze auch per Video aufgenommen und ungefragt ins Internet gestellt – sehr zum Missfallen der abgebildeten Beamten. Ein anderes Mal wirft er eine halbvolle Colaflasche nach einem Polizisten.

Beim Bang Your Head-Festival fuhr er mit seinem Elektroroller vor und begab sich zum Bierstand. Als Polizisten bei ihm einen Atemalkoholtest machen, ergibt dieser 0,56 Promille. Als der Mann trotzdem wegfahren will, ziehen sie seinen Zündschlüssel ab. Es kommt zum Gerangel, der Mann geht zu Boden, schlägt nach einem Polizisten.

Der 60-Jährige schildert dies anders. Er habe herausfinden wollen, wie viel Bier er trinken könne, ohne in den strafbaren Promillebereich zum Fahren seines Elektrorades zu kommen. Darum habe er "meine Bediensteten angewiesen, mir ein Blasgerät zu holen".

Das mit den Bediensteten findet die Richterin nicht so lustig, so wie überhaupt das permanente Dazwischengerede des Angeklagten bei den Zeugenvernehmungen. Erst als sie ihm mit einem Ordnungsgeld droht, ist Ruhe, denn: "Das wäre schlecht. Ich habe kein Geld."

Wirr ist, was ein weiterer Polizist berichtet, der auch wegen Ruhestörung zur Wohnung des Angeklagten anrückte. Der Mann sei auf seinem Balkon gestanden und habe erklärt, sein Hund sei der Gott der Waldtiere. Wenn dieser sie nicht zurückhalten würde, würden diese die Polizisten töten. Dann drohte der Mann, die Kinder der Polizisten zu töten.

Als der psychiatrische Gutachter von der "schizoaffektiven Erkrankung" des 60-Jährigen spricht, die ihn schubweise befällt, und er dann wegen nichts von Null auf Hundert gerät, passt das dem Angeklagten gar nicht. Er hält dem entgegen, dass es völlig normal sei, bei Stress aus der Haut zu fahren. Wenn dies als krankhaft beurteilt würde, "dann ist jeder, der ein Feierabendbier trinkt, Alkoholiker". Überhaupt sei die größte Droge die Liebe, stellt er das Gericht vor ein Rätsel.

Rätselhaft sind auch seine Reden in einer Verhandlungspause an den Gutachter. Als der schließlich genervt den Saal verlässt, setzt er seinen Monolog vor den zahlreichen Zuschauern fort – die kommen sich vor wie im Theater.

Die Hauptverhandlung wird am Dienstag, 3. September, um 8.30 im Amtsgericht mit weiteren Zeugenvernehmungen fortgesetzt.