Mittendrin: Catherina Stotz fühlte sich wohl in ihrer Großfamilie. Fotos: Stotz Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Endingerin Catherina Stotz leistete ihren Freiwilligendienst in einem Kinderheim in Ghana ab

Balingen-Endingen. Ghana – eine völlig andere Welt – diesen Eindruck bekam Catherina Stotz, als sie für drei Monate in diesem afrikanischen Land war und nun von ihrem Aufenthalt berichtet.

"›Das ist wirklich Afrika!‹, ist mein erster Eindruck, als ich in Tamale ankomme. Frauen in bunten Kleidern balancieren gekonnt ihre Verkaufsware auf dem Kopf. Vieles davon habe ich noch nie gesehen oder finde ich gewöhnungsbedürftig: so viele unterschiedliche Früchte- und Gemüsesorten, Wurzeln und Dinge des täglichen Bedarfs, die es in Europa einfach nicht gibt wie Yam, Plantains, Sourfruit, schwarze Seife und ganze Kuhköpfe.

Hier bin ich nun also gelandet, im Norden Ghanas, etwa vier Stunden Fahrt entfernt von der Grenze zu Burkina Faso. Mein dreimonatiger Freiwilligendienst in einem ghanaischen privaten Kinderheim beginnt bald. Es bleibt mir noch eine knappe Woche, um mich bei meiner Gastfamilie einzuleben. Mama Jane, die Matriarchin des Hauses, begrüßt mich mit den Worten: ›Willkommen! Ich bin Mama Jane. Ab jetzt bist du meine Tochter.‹ Dann sagt sie: ›Ab heute Nachmittag bin ich erstmal für drei Tage weg.‹

Ich bin etwas verwirrt. Mit mir leben hier im Haus wohl noch ein etwa 20-jähriger Junge namens Dominic, die zehnjährige Tracy und der kleine Emanuel. Allesamt jedoch nicht die leiblichen Kinder von Mama Jane.

Wie das genau ist und dass das hier durchaus üblich ist, verstehe ich allerdings erst viele Wochen später. Im Laufe der Zeit bekomme ich mit, dass die meisten hier nicht dauerhaft bei ihren leiblichen Eltern aufwachsen. Wenn beispielsweise die Mutter verreist oder geschäftlich weg muss, wenn die Kinder in die Schule kommen oder auch auf eine höhere Schule wechseln, werden sie oft von weitläufigen Verwandten aufgenommen. Häufig bedeutet das, dass sie in eine andere Region geschickt werden. Dabei sind zehnstündige Busfahrten keine Seltenheit.

Das heißt, für die Kinder fühlt sich die ganze Großfamilie zuständig. Damit sind alle irgendwie ›my sister‹ oder ›my brother‹, und jede Frau ab etwa 40 Jahren wird von allen automatisch ›Mama‹ genannt. Für uns Europäer kann das ganz schön verwirrend sein.

Für die Kinder im Kinderheim bedeutet das, dass sie fast immer ab dem schulfähigen Alter von irgendwelchen Verwandten abgeholt werden müssen. Die Kinder kennen diese Personen oft gar nicht. Trotzdem sind diese Verwandten von da an für ihre Versorgung zuständig.

Schnell kann ich zu den Heimkindern eine starke, liebevolle Beziehung aufbauen. Es sind sieben Kinder im Alter von drei bis fünf Jahren. Ich helfe beim waschen der Kinderkleidung und Bettwäsche, natürlich von Hand. Außerdem spiele ich mit ihnen, gehe mit ihnen spazieren und ziehe sie nach dem Baden an. Am Ende meines Aufenthalts sind sie mir alle sehr ans Herz gewachsen, der Abschied fällt mir schwer.

Durch diese Erfahrung und alles andere, was ich in Ghana erleben durfte, habe ich so manches, was für uns in Deutschland selbstverständlich scheint, mehr schätzen gelernt. Gleichzeitig habe ich gemerkt, dass wir uns von den Ghanaern eine Scheibe abschneiden können, was den sozialen Zusammenhalt angeht. Die Gemeinschaft und die Familie sind in Ghana ein sehr hohes Gut. Freiwilligendienst heißt eben nicht nur, in einem fremden Land zu arbeiten, sondern fürs Leben zu lernen."