Vor dem Hechinger Amtsgericht ging es gestern um sexuellen Missbrauch eines Zwölfjährigen.  Foto: Archiv

20-jähriger Balinger vom Hechinger Jugendschöffengericht verurteilt: zwei Jahre Freiheitsstrafe zur Bewährung plus Therapie.

Hechingen/Balingen - Sexuellen Missbrauch eines Kindes in mindestens 33 Fällen, davon zweimal schwer – so der Vorwurf der Staatsanwältin. Ein 20-Jähriger aus einem Balinger Stadtteil wurde gestern vom Hechinger Jugendschöffengericht zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. Zudem soll er eine Therapie machen und 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Er war für den damals Zwölfjährigen wie ein großer Bruder, ein bester Freund, zu dem man aufschaut. Bis es über Monate hinweg zu den Übergriffen im Kinderzimmer kam, die das Leben des Jungen veränderten und sein Vertrauen in andere Menschen nachhaltig störten: "Dass ich es niemandem sagen konnte, hat mich innerlich aufgefressen", zitierte die Anwältin der Nebenklage aus dem Aussageprotokoll.

Dem Angeklagten fiel es nicht leicht, in der öffentlichen Verhandlung über seine Beziehung zu dem sieben Jahre Jüngeren zu sprechen – vor allem, weil seine Mutter und die ganze Verwandtschaft des Jungen im den Zuhörerreihen saß. Ja, es sei zu den Übergriffen gekommen, räumte er ein. Er wolle keine Falschaussage machen, aber seiner Meinung nach "höchstens fünf- oder sechsmal".

Mit Kind im gleichen Bett geschlafen

Er und der große Bruder des Jungen seien seit der fünften Klasse beste Freunde gewesen, sagte er. Später hätten sie zusammen Fußball gespielt, seien zusammen ausgegangen, hätten beim gleichen Arbeitgeber gearbeitet. Er habe an den Wochenenden meist bei dem Freund übernachtet, zunächst in dessen Zimmer. Die Familie des Freundes sei für ihn wie eine zweite Familie gewesen, er habe "dazugehört". Später, als sein Kumpel eine Freundin hatte, die bei ihm eingezogen war, eben im Kinderzimmer des sieben Jahre jüngeren Bruders. Er habe dort mit ihm im gleichen Bett geschlafen.

Zu Beginn der Sommerferien 2013, irgendwann in den Morgenstunden, sei es zum ersten Mal zu Übergriffen gekommen. Er habe sich nichts dabei gedacht, als er den Jungen angefasst und am Geschlechtsteil gestreichelt habe: "Ich wollte ihm nur meine Zuneigung zeigen, ich bin nicht homosexuell", beteuerte der 20-Jährige auf der Anklagebank.

Dass der Junge sich nicht gewehrt habe, habe er als Zustimmung aufgefasst. Und er machte weiter – wohl nicht an jedem Wochenende, aber an fast jedem. Manchmal brachte er Geschenke mit – ein Paar Inliner, eine Playstation, Schokolade.

Der Junge sagte zunächst nichts, klagte aber montags fast immer über Bauchschmerzen und Übelkeit, sagte, dass er nicht zur Schule gehen könne. Seine schulischen Leistungen ließen stark nach, die Eltern machten sich Sorgen, aber der Hausarzt konnte nichts feststellen. Schließlich vertraute sich der Junge seinem großen Bruder an – und der ließ nicht mehr locker, bis Anzeige erstattet wurde.

Sie habe sich immer gefragt, warum er an den Wochenenden nie daheim bleibe, sagte die Mutter des Angeklagten aus den Zuhörerreihen. Ihr sei es peinlich gewesen, dass ihr Sohn jedes Wochenende beim Freund logierte. "Es tut mir Leid, dass ich ihn nicht im Griff hatte." Der Vater des Jungen sagte im Zeugenstand, er habe zunächst nur mitbekommen, dass der Kumpel seines Sohnes an jedem Wochenende mit einer Flasche Schnaps anrückte, "und wenn sie blau waren, sind sie nach oben gegangen". Dem Kumpel seines Sohnes habe er ausdrücklich gesagt, dass er nicht im Bett des Jungen, sondern auf dem Kanapee schlafen solle.

"Ich möchte mich von ganzem Herzen entschuldigen. Es tut mir aufrichtig Leid", sagte der mittlerweise arbeitslose Angeklagte in seinem Schlusswort. "Was du getan hast, kann man nicht wieder gutmachen", konterte der Vater des Jungen aus den Zuhörerreihen.