"Man regiert ein Land nicht gut, wenn man nicht raus geht" – gesagt, getan: Ministerpräsident Winfried Kretschmann (rechts) wandert für sein Leben gern. Hier ist er auf dem Neckarsteig bei Haßmersheim im Neckar-Odenwald-Kreis unterwegs, wo ihm der Haßmersheimer Bürgermeister Michael Salomo die Landschaft erklärt. Foto: dpa

Ministerpräsident will bei Entwicklung des ländlichen Raums Gas geben: "Manche Dinge sind schon bedrohlich."

Baiersbronn - Nein, es sind nicht die wiederkehrenden Themen des politischen Alltags die Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei Empfängen satt hat – es sind die Häppchen.

"Wenn ich ehrlich bin, kann ich dieses Fingerfood nicht mehr sehen. Ich bin dann froh, wenn ich heimkomme und da steht ein Teller mit Braten, Spätzle und Salat auf dem Tisch", gesteht er bei einer Fragerunde im Baiersbronner Stadtteil Klosterreichenbach (Kreis Freudenstadt). Doch eigentlich geht es bei der Veranstaltung mit dem Titel "Dunkle Wälder – bunte Perspektiven" weniger um kulinarische Bekenntnisse als um die Perspektiven des ländlichen Raums.

Datenautobahnen sind für ihn ebenso wichtig wie Autobahnen

Welche Maßnahmen plant Grün-Schwarz, damit die Landregionen Baden-Württembergs nicht weiter von den Ballungszentren abgehängt werden, will Moderator Frank Krause von Kretschmann wissen – und auch da ist es mit Häppchen nicht getan. Zum Beispiel beim Internetausbau: Rund 300 Millionen Euro will die neue Landesregierung in die Digitalisierung stecken. Für Kretschmann sind gerade im ländlichen Raum Datenautobahnen ebenso wichtig wie Straßen. "Wenn du heute kein schnelles Internet anbietest, kriegst du nicht mal einen Architekten auf dem Land angesiedelt", versichert er und stimmt EU-Kommissar Günther Oettinger (CDU) zu, der lieber Straßen- als Funklöcher in Kauf nimmt.

Denn der Anschluss der Landregionen an die Ballungsräume ist dem grünen Landeschef wichtig: "Wir brauchen nicht nur die riesigen Zentren, in denen die Post abgeht, wir brauchen auch einen starken ländlichen Raum, er macht den Charme Baden-Württembergs aus", so Kretschmann, und nicht zuletzt auch dessen Wirtschaftskraft: "Viele mittelständische Unternehmen auf dem Land sind erfolgreiche Weltmarktführer in ihrem Bereich. Wir haben nicht ein Silicon Valley, wir haben Tausende Valleys", meint der Ministerpräsident.

Doch Kretschmann weiß auch, dass Grün-Schwarz Gas geben muss, um der Landflucht entgegenzuwirken: "Bei uns läuft es zwar noch nicht so stark auseinander, aber manche Dinge sind schon bedrohlich", sagt er mit Blick auf die Nahversorgung und das Gesundheitswesen auf dem Land. Mehr Förderung für regionale Wirtschaftskreisläufe, neue Ärztehäuser, Kindergärten und gute Schulen in erreichbarer Nähe sind nur einige Punkte, an denen die Landesregierung arbeiten will, um die Menschen auf dem Land zu halten.

Und auch beim Image der Landregionen sieht Kretsch-mann Verbesserungspotenzial: "Wenn die Leute erst mal da sind, finden sie das Landleben toll und sind zufrieden", meint der Ministerpräsident, der sich mit seinem Wohnort Laiz bei Sigmaringen selbst ganz bewusst für das Dorf entschieden hat: "Das Leben auf dem Dorf sagt mir zu, ich schätze die Überschaubarkeit, die lebendige Dorfgemeinschaft und die Ruhe auf dem Land", schwärmt er von seiner Heimat im Donautal. Und nicht zuletzt genießt der leidenschaftliche und geübte Wanderer Kretschmann auch die Nähe zur Natur als Ausgleich zum Regierungsgeschäft.

Beim Wandern fallen ihm oft Lösungen für Probleme ein

"Man regiert ein Land nicht gut, wenn man nicht raus geht. Aber nur ein bisschen rumlatschen ist nicht mein Fall, zehn Kilometer stramm wandern muss es dann schon sein", sagt er. Nicht ohne Grund hätten die alten Griechen im Laufen philosophiert, meint Kretschmann: "Beim Wandern kann man wunderbar die Gedanken schweifen lassen, da fallen mir oft Lösungen für Probleme ein."

Ein schönes Wandergebiet dürfte für den Regierungschef des Landes auch der noch junge Nationalpark Schwarzwald sein. Der habe sich gut entwickelt und werde die Region beleben, ist Kretschmann sicher: "Das ist ein tolles Projekt, die Natur braucht solche Refugien, in denen sie sich selbst überlassen wird", meint der Ministerpräsident. Und dann kommt er über den Tourismus doch wieder zum Thema Kulinarik: Baden-Württemberg sei bei den Gästen als Genießerland beliebt, versichert der Landeschef und sieht die heimische Gastronomie auf dem richtigen Weg: "Hier hat sich in den vergangenen Jahren viel getan. Man findet heute flächendeckend gute Speisenkarten mit hervorragender regionaler Küche", lobt Kretschmann vor dem abschließenden Abendessen im "Waldknechtshof". Und diesmal werden ihm keine Häppchen serviert, sondern die von ihm so geschätzten Kässpätzle. "Die könnt’ ich jedes Wochenende essen und sogar auch noch selber zubereiten", verrät er, bevor er genießt und schweigt.