"Unendlich dankbar": Walter und Ingrid Weisheit (von links) mit Oliver Mohrlok und seinen Mitarbeitern Tobias Geßner, Michael Martin Gaiser, Michael Gaiser und Rainer Ziefle, die den Zirkus-Wohnwagen auf Vordermann gebracht haben. Foto: Haier

Nicht mehr frieren oder schwitzen: Handwerker aus dem Murgtal restaurieren Zirkus-Wohnwagen der Familie Weisheit.

Baiersbronn/Freudenstadt - Sommer wie Winter ist der Wohnwagen das Zuhause der Zirkusfamilie Weisheit. Bisher wurde er an heißen Tagen zur Sauna, bei Frost zum Kühlschrank. Das Schwitzen und Frieren hat jetzt ein Ende – durch einen Akt der Nächstenliebe.

Einen festen Wohnsitz haben sie nicht, aber immer ein Dach über dem Kopf und vier Wände, die sie ihr Eigen nennen: Mit ihrem Zirkus Aladin touren die Weisheits seit vielen Jahren durchs Land, hauptsächlich im Süden.

Leicht hatte es die Familie, die seit dem 17. Jahrhundert in der Zirkuswelt einen Namen hat, noch nie. "Es war immer knapp", sagt Ingrid Weisheit, "aber irgendwie haben wir es immer geschafft – auch in den letzten fünf Jahren." Seitdem ist ihr Mann Walter krank. Nachdem bei ihm Magenkrebs diagnostiziert und er operiert wurde, ist der 65-Jährige geschwächt. Jetzt macht auch noch die Lunge Probleme.

Im November hat der Kinderzirkus mit Schwerpunkt Clownerie seine Zelte im Baiersbronner Ortsteil Röt aufgeschlagen, unweit von der Zimmerei von Oliver Mohrlok. "Ich ging rüber und fragte, ob sie was brauchen können", erzählt der Firmenchef. Kurz darauf hat er Brennholz über die Dorfwiesen gefahren. Zwei Wochen später besuchte ihn Ingrid Weisheit und fragte, ob Mohrlok und sein Team an dem Wagen, in dem sie wohnen, etwas ausbessern können. Sie habe etwas gespart, einen Notgroschen.

"Die Leute haben es einfach schwer", sagt Mohrlok, "ich konnte das nicht annehmen." Stattdessen nahm er sich vor, mehr als nur etwas auszubessern und machte seine Lieferanten flott. Alle zogen mit und lieferten jede Menge Material. Denn Mohrlok hatte Größeres vor: Der 10,5 Meter lange, 2,5 Meter breite und im Mittelschnitt zwei Meter hohe Wagen sollte nicht nur außen ausgebessert, sondern innen komplett erneuert und endlich isoliert werden. Mit seinen vier Mitarbeitern stürzte sich der Firmenchef in der Halle von Holzbau Mohrlok in das Abenteuer, erstmals an einem Haus auf Rädern mit rundem Dach zu bauen.

Oliver Mohrloks Hilfsbereitschaft hat einen weiteren Grund: Manuel, Sohn von Walter und Ingrid Weisheit, 18 Jahre alt. Dass der Junge, seit sein Vater krank ist, im Zirkus seinen Mann steht, alle schweren Arbeiten erledigt und das kleine Familienunternehmen weiterführen will, berührt den Handwerker aus dem Murgtal. Und weckt Erinnerungen. 17 sei er gewesen, erzählt Mohrlok, als sein Vater seinen ersten Schlaganfall hatte und er in der Firma gefordert war. "Ich bin damals dagestanden wie ein Kind und musste mir alles selbst beibringen. Deshalb kann ich jetzt nicht weggucken."

Eine Woche lang brachten die Zimmerleute den Wagen auf Vordermann. Sie dämmten, verkleideten und verlegten Laminatboden. Auch die Herausforderung, viereckige Holzplatten unter das runde Dach zu bekommen, meisterten sie. Kurz vor Weihnachten war er fertig, und die Weisheits holten ihn in ihr Winterquartier, das ihnen Familie Zwissler im Christophstal zur Verfügung stellt. Dort sind die knapp 30 Tiere, die zum Zirkus gehören, untergebracht. Sie brauchen Futter, was im Winter schwierig und – in einer Jahreszeit ohne Einnahmen – teuer ist. Dort stehen auch weitere Zirkuswagen, darunter ein zweiter Wohnwagen, den die Weisheits selbst hergerichtet haben. "Deshalb weiß ich, wie lange man braucht, wenn man sich um alles kümmern muss", sagt Ingrid Weisheit. "Ich wusste, der Wagen geht mir kaputt, wenn ich ihn nicht schnell richten kann." In den zweiten Wagen soll Sohn Manuel einziehen. In ihren Wagen will die 54-Jährige, sobald es die Umstände erlauben, ein Bad einbauen, damit ihr Mann es leichter hat.

Ihr Weihnachtswunsch? "Dass mein Mann gesund bleibt." Beim Gedanken an Weihnachten leuchten Ingrid Weisheits Augen. "Ich nehme mir jedes Jahr vor, die Adventszeit ruhiger zu genießen." Eine Träne huscht über ihre Wangen. "Man kann’s probieren, wie man will, aber man ist damit beschäftigt, dass man auch im Winter über die Runden kommt." Sehr gläubig sei sie, sagt die Zirkusfrau, "auch wenn ich nicht oft in die Kirche gehe." Die Begegnung mit Oliver Mohrlok war für sie ein Geschenk des Himmels: "Wir müssen dem lieben Gott dankbar sein, dass er immer wieder auf diese Art hilft."

Auch Mohrlok ist dankbar. "Dieses Jahr ist es für meinen Betrieb echt gut gelaufen, und das nächste sieht vielversprechend aus – da kann ich doch was abgeben." Er denkt, dass auch seine Mitarbeiter durch das Zirkuswagen-Projekt "einen neuen Blickwinkel bekommen" haben. Den Weisheits wünscht er, dass ihnen im Christophstal ab und zu jemand "einen Strohballen oder Brennholz vors Zelt wirft" und dass das Rathaus ihnen im Frühjahr eine Wiese in Freudenstadt zur Verfügung stellt, auf der der Zirkus spielen kann.

"Ich bin überaus glücklich", dankt Ingrid Weisheit ihm bei der Wagenübergabe in Röt. "Ihr braucht jetzt nur noch halb so viel heizen, und im Sommer müsst ihr nicht mehr schwitzen", entgegnet Mohrlok und verspricht: "Ich komm mal hoch, euch besuchen."