Ob beim Gottesdienst oder draußen in der Natur: Die Mitglieder des Baiersbronner Posaunenchors spielen mit Hingabe. Fotos: Günther Foto: Schwarzwälder Bote

Religion: Posaunenchor Baiersbronn feiert sein Jubiläum / Großes Konzert in der Marienkirche

Seit dem Jahr 1919 gibt es in Baiersbronn einen Posaunenchor. Seit 100 Jahren wird in dem Chor zur Ehre Gottes musiziert, mit Trompeten, Posaunen, Hörnern und Tuben – in unserer schnelllebigen Zeit ist dies in vielerlei Hinsicht bemerkenswert.

Baiersbronn. Bemerkenswert ist einerseits die Kontinuität, mit der die Baiersbronner ihrem Posaunenchor treu geblieben sind, außergewöhnlich ist vor allem auch die Ausdauer, die die Dirigenten dieses Ensembles an den Tag legten. Denn nachdem in den ersten sieben Jahren nach dem Gründungsdirigent die Baiersbronner Vikare den Chor geleitet haben, wurde ab dem Jahr 1926 der Posaunenchor nur von drei ehrenamtlichen Dirigenten geleitet: von Richard Beilharz, Christian Beilharz und Agnes Steudinger. Gemeinsam mit ihrem Mann Martin, der auch im Chor mitspielt, hat Agnes Steudinger eine kleine Chronik des Baiersbronner Posaunenchors erstellt. Dieser wurde 1919 als Abteilung des evangelischen Jünglingsvereins gegründet; bereits am 1. Advent fand der erste öffentliche Auftritt des neuen Chors in der Marienkirche statt.

Strenge Regeln

Wie die Satzung des neu gegründeten Posaunenchors belegt, herrschten damals strenge Regeln. So wurde verfügt, dass über eine Zugehörigkeit "erst nach vierwöchentlicher Probezeit" entschieden wird. Verboten war laut Satzung auch die aktive Mitgliedschaft in mehreren Vereinen, "da der Dienst in der Musik die ganze Aufmerksamkeit und den ganzen Einsatz der Persönlichkeit fordert, um das Bestmögliche zu erreichen".

Der Baiersbronner Posaunenchor scheint sich in seiner ersten Dekade rasant entwickelt zu haben, dies belegt vor allem der Bau des eigenen – zwischen Bahnhof und Forbach gelegen – Vereinsheims: Bereits an Weihnachten 1931 wurde die Einweihung gefeiert. Nachdem – bedingt durch den politischen Umschwung – in den folgenden Jahren keine Posaunenchorarbeit mehr möglich war, wurde der Baiersbronner Posaunenchor 1936 aufgelöst, das Vereinsheim verkauft und abgebaut.

Erst im Jahr 1947 konnte der Bläserdienst wieder aufgenommen werden. Richard Beilharz übernahm erneut die Leitung. Wie die wenigen erhaltenen Quellen belegen, mangelte es damals den zehn jungen Männern sowohl an Instrumenten als auch an Noten. Wenige alte Instrumente waren privat vorhanden, einige konnten vom aufgelösten Tonbacher Posaunenchor übernommen werden, und einige wurden mit Unterstützung der Kirchengemeinde erworben. In den Folgejahren entwickelte sich der Posaunenchor stetig, die Auftritte und die Mitgliederzahlen stiegen kontinuierlich.

Zunächst keine Frauen

1966 übernahm Christian Beilharz, ein Vetter des ersten Dirigenten, die Orchesterleitung. Neben dem Spielen in den Gottesdiensten wurde vermehrt auch Wert auf gemeinsame Unternehmungen, auf das "Ständlespielen" und auf die "Nachproben" gelegt. Wobei dabei nach wie vor die Männer unter sich blieben, denn im Posaunenchor duldete man keine Frauen. Nach und nach eroberten sich diese allerdings auch in Baiersbronn ihre Plätze im Posaunenchor. Als allerdings in den 1960er-Jahren Landesposaunenwart Hermann Mühleisen beim Bezirksposaunentag unter den Bläsern ein Mädchen sitzen sah, war er darüber nicht erfreut. Heute noch wird sein Ausspruch "Da sitzt ein Mädchen, die muss raus!" zitiert. Überliefert ist aber auch die Replik des Freudenstädter Bezirksposaunenwarts Hermann Meng, der schlagfertig entgegnete: "Die bleibt! Die spielt gut!" Zum Glück für den Chor hat sich Meng damals durchgesetzt. Sonst gäbe es im Chor auch keine Agnes Steudinger, die sich 1975 als zweite Frau dem Chor anschloss und diesen seit 1988 leitet.

Während dieser Zeit wurden auch die Partnerschaft mit der evangelischen Partnergemeinde in Thüringen und die Jungbläserausbildung intensiviert. Für diese ist inzwischen Hans-Martin Morlok zuständig, er steht Agnes Steudinger seit 2004 auch als stellvertretender Dirigent zur Seite. Wie Morlok berichtet, erfolgt die Erstausbildung der Jungbläser seit einigen Jahren in Zusammenarbeit mit der Jugendmusikschule. Kinder ab etwa zwölf Jahren und Erwachsene sind dabei stets willkommen.

Was macht den Baiersbronner Posaunenchor so besonders? Was hält ihn 100 Jahre lang so lebendig? Wer zuhört, bemerkt, mit welcher Freude und Hingabe die Musiker spielen und welch hohes Niveau sie dabei erreicht haben. Da sitzen die Einsätze, da stimmen die Töne, da spürt man, dass allen ein harmonisches Zusammenspiel wichtig ist. Und auch, dass alle sich gerne in ihrer Freizeit in und für ihren Chor einzubringen. Denn die Mitglieder sind gefordert; neben der musikalischen Begleitung der Gottesdienste an Ostern, Konfirmation, Himmelfahrt und Weihnachten umrahmen die Bläser an vielen weiteren Sonntagen in der Baiersbronner Marienkirche, der Tonbacher Johanneskirche und der Michaelskirche Friedrichstal den Gottesdienst musikalisch. Dazu kommen Geburtstagsständchen, Gottesdienste im Grünen, Einsätze im Krankenhaus oder Altenheim. Sicherlich 50 weitere Termine kommen zusätzlich zu den wöchentlichen Proben dazu. Und während früher vor allem Choräle gespielt wurden, hat Agnes Steudinger mit ihrem Chor eine umfangreiche Bläserliteratur, die von Alter Musik über Spirituals, Schlager und Popmusik bis zu neuen Vertonungen alter Choräle reicht, einstudiert.

Eingefrorene Ventile

Darüber urteilt Ernst Ehmann, der dem Chor seit 1958 die Treue hält: "Das sind manchmal schon schwere Sachen, aber wenn es dann klappt, ist es auch recht." Ehmann erinnert sich auch schmunzelnd an Auftritte bei Waldweihnachtsfeiern, bei denen wegen eingefrorener Ventile beim Spielen ein Instrument nach dem anderen ausgefallen sei.

Erfreulich für den Verein ist auch die Familientradition. So spielt Friedbert Kallfass nicht alleine, sondern auch Vater, Bruder, Frau, Sohn und Tochter sind aktive Bläser. Ähnliche Gründe haben auch dazu geführt, dass Agnes und Martin Steudinger gemeinsam im Chor sind, denn eigentlich war ihr Hauptinstrument die Geige. "Trompete spielen", so schmunzelt Steudinger, "hat sie wegen mir gelernt."

Wer sich überzeugen will, was die ganze Gruppe gelernt hat, hat dazu beim großen Jubiläumskonzert am Samstag, 12. Oktober, Gelegenheit. Dann findet unter dem Motto "Laudis ac gloriae – mit Lob und Ehre" ab 19.30 Uhr in der Baiersbronner Marienkirche ein festliches Konzert statt.