Natur: Koniks als Landschaftspfleger
Sie sind neu im Nationalpark Schwarzwald, verrichten aber schon ihren Job, als wären sie nie woanders beschäftigt gewesen. Die neuesten Mitarbeiter im Schutzgebiet haben vier Beine, ein helles Fell, wiehern ab und an und haben mächtig Hunger auf viele der Pflanzen, die auf den Grinden wachsen: Koniks.
Baiersbronn/Schliffkopf. Den Koniks, einer wildpferdähnlichen, kleinen Pferderasse, gefällt ihr Arbeitsplatz augenscheinlich gut. Mit ihrer Lebensweise und Ernährung helfen sie mit, die Grinden, die traditionellen Bergweiden auf den Nationalparkhöhen, von Vegetation freizuhalten. Laut Nationalpark also eine sogenannte Win-Win-Situation, denn auf den Grinden darf die Natur wegen des besonderen Ökosystems eben nicht, was sie sonst im gesamten Nationalpark darf: einfach sein, wie sie will. Darüber informiert der Nationalpark Schwarzwald in einer Pressemitteilung.
"Wir schätzen uns glücklich über die Neuzugänge, die ab diesem Sommer mithelfen, den Arten- und Biotopschutz auf unseren Bergheiden sicherzustellen", wird Nationalparkleiter Wolfgang Schlund in der Mitteilung zitiert. "Ermöglicht wurde diese weitere Facette im Beweidungskonzept durch die im Frühjahr beschlossene Kooperation mit dem Verein Wilde Weiden Taubergießen und dem Zoologischen Stadtgarten Karlsruhe, der das Projekt fachlich begleitet."
Die Pferde werden den Sommer auf den Höhen im Nationalpark verbringen, um im Herbst und Winter dann weiter im Rheintal bei der Beweidung der "Wilden Weiden Taubergießen" mitzuhelfen. Den Anstoß zur Kooperation gab Jochen Paleit, Bürgermeister der Gemeinde Kappel-Grafenhausen und Mitinitiator des Naturschutzprojekts Wilde (Wald-)Weiden Taubergießen.
Gestalterische Kraft der Weidetiere
"In Baden wirkte über Jahrtausende die gestalterische Kraft der Weidetiere. Traditionell wurden in den Sommermonaten die Grinden im Schwarzwald und im Winter die Rheinauen beweidet", so Paleit. Er freue sich, dass nun diese Tradition neu belebt werde. "Unsere Erfahrungen mit den Koniks im Projekt Wilde Weiden Taubergießen sind positiv. Sie fressen und gestalten seit Jahren auf unseren Weiden und in unserem Auwald", wird Paleit weiter zitiert. Seitdem habe sich der Bestand des bedrohten Neuntöters verdreifacht. Viele weitere vom Aussterben bedrohte Tierarten kehrten durch die Hilfe der Koniks in die Oberrheinauen zurück.
Zoodirektor Matthias Reinschmidt, der in Sachen Artenschutz weltweit unterwegs ist, war laut der Pressemitteilung von der Idee der Kooperation sofort begeistert: "Wir freuen uns besonders darüber, dass durch dieses Projekt die bereits seit 2015 bestehende Partnerschaft zwischen der Stadt Karlsruhe und dem Nationalpark Schwarzwald weiter ausgebaut werden konnte", so Reinschmidt.
Schon Nachwuchs auf der Weide
Die beiden Stuten und der Hengst haben sich auf ihrer speziell eingerichteten Weide am Schliffkopf schnell eingelebt – sogar ein Fohlen ist dort schon geboren worden. "Wir haben vor Ankunft der Tiere eine 18 Hektar große Weide nach den aktuellen Standards für die Haltung der Pferde umzäunt. Die an Wälder angepassten Koniks fühlen sich in ihrer neuen Heimat sichtlich wohl", so Thomas Gamio, der im Nationalpark unter anderem für die Weidetierhaltung zuständig ist.
Die kleinen Wildpferdverwandten sind nun neben den Rindern, den Ziegen und Schafen eine weitere Weidetierart, die auf den Grinden ihren Dienst verrichtet. "Wir wollen mit den Koniks aber nicht einfach nur den im Nationalparkgesetz und im europäischen Schutzgebietsnetz Natura 2000 verankerten Artenschutz und die dazu nötige Offenhaltung der charakteristischen Grindenlandschaft erreichen", erläutert Marc Förschler, Leiter des Fachbereichs Ökologisches Monitoring, Forschung und Artenschutz des Nationalparks. Mit den verschiedenen Weidetieren, die alle ganz unterschiedliche Pflanzenarten bevorzugen, werde auch die traditionelle Waldweide nachgebildet – eine uralte, seit Jahrhunderten praktizierte Form der Waldnutzung im Schwarzwald. Das sei wichtig für dieses ganz spezielle Ökosystem: "Die Waldweide kommt den natürlichen Bedingungen am nächsten, denn vor dem Wirken des Menschen waren in unseren Wäldern zahlreiche große Säugetierarten beheimatet, wodurch auch der ursprüngliche Wald sehr struktur- und artenreich war", so Förschler.
Artenreich, da die Weideaktivität verschiedener Tierarten von alters her auch einen wichtigen Nebeneffekt hat: Im Dung der Weidetiere siedeln sich zahlreiche Dungkäfer und Dungfliegen an. Die Käfer und Fliegen wiederum sorgen nicht nur für die Beseitigung der tierischen Hinterlassenschaften und die Verbreitung von Pflanzensamen. Sie dienen auch selbst wiederum als Nahrungsgrundlage für Vögel und andere Tiere.
Das Konikpferd (polnisch Pferdchen) ist eine ursprüngliche Landrasse aus Polen. Das Stockmaß der robusten Ponys beträgt 130 bis 140 Zentimeter. Die letzten Tarpane (Wildpferde) wurden vor der endgültigen Ausrottung in diese Rasse eingekreuzt. Typische Merkmale der Koniks sind die mausgraue Färbung, die dunkle Mähne – meist mit Aalstrich – und die Zebrastreifen an den Fesseln. Aufgrund ihrer Robustheit und Genügsamkeit wurden sie ab den 1990er-Jahren zunehmend in großen Beweidungs- und Wildnisprojekten eingesetzt.
Auf der Versuchsweide am Schliffkopf werden seit dem Frühjahr die Bergheiden (Grinden) mit diesen halbwilden Pferden offengehalten. Dies dient dem Erhalt der Grindenlandschaft und fördert die Artenvielfalt im Nationalpark Schwarzwald und im FFH-Gebiet "Wilder See-Hornisgrinde und Oberes Murgtal". Weidetiere fressen Pflanzen zeitversetzt – je nach Vorliebe. Pferde haben zudem ein anderes Fressverhalten als Rinder. So entsteht neben unterschiedlichen Strukturen auch eine Verzahnung von Offenland und Wald. Dies führt zu einer größeren strukturellen Vielfalt auf den Weiden, die Lebensraum und Nahrung für gefährdete und in Kulturlandschaften meist nicht mehr vorkommende Tierarten wie Baumpieper, Neuntöter und Kreuzotter bietet.
Ein Video zu den "Wilden Weiden Taubergießen" gibt es auf der Webseite der Gemeinde Kappel-Grafenhausen www.kappel-grafenhausen.de