Das AWG Mode-Center in Baiersbronn sucht händeringend einen neuen Standort und hat sogar eine Prämie ausgesetzt. Foto: Braun

Gemeinderat sucht nach sanfter Lösung: Gutachten soll sich mit Fortbestand des Fachmarkts befassen.

Baiersbronn - Das AWG Mode-Center scheint doch noch eine Zukunft in Baiersbronn zu haben. Ein Gutachten soll sich mit dem Fortbestand des Modefachmarkts und den damit verbundenen Arbeits- und Ausbildungsplätzen befassen.

In der jüngsten Gemeinderatsitzung wurde zwar keine Lösung gefunden, doch Bürgermeister Michael Ruf überzeugte den Rat, zunächst auf eine "sanfte" Lösung zu setzen. Nachdem Lidl den Mietvertrag mit dem Mode-Center gekündigt hatte, trat die Geschäftsleitung mit der Bitte an die Gemeinde heran, sich neben Aldi und dm im Gebiet Biegel-Misse ansiedeln zu dürfen. Zum Schutz des innerörtlichen Einzelhandels hatte jedoch der Regionalverband gefordert, keine weiteren Anbieter mit innenstadtrelevanten Sortimenten dort künftig zuzulassen (wir berichteten).

Nicht untätig hatte der Gemeinderat zwar die Änderung des Bebauungsplans vor diesem Hintergrund beschlossen, doch als Satzung kann diese erst nach Vorliegen des bereits in Auftrag gegebenen Einzelhandelskonzepts beschlossen werden. Mit der Fertigstellung rechnet man Ende des Jahres, Anfang des kommenden Jahres. Deshalb kommt die Gemeinde nun in die missliche Lage, eine Lösung finden zu müssen, denn AWG hat bereits eine Bauvoranfrage gestellt. Damit ist die Gemeinde verpflichtet, auf dieses Baugesuch zu reagieren.

Bereits beim Tagesordnungspunkt Einwohnerfragestunde hatte sich die Filialleiterin des AWG Mode-Centers, Eva Speck, gemeldet und die Frage gestellt: Möchte Baiersbronn wirklich riskieren, das Vollsortiment aufzugeben, 12 000 Stammkunden zu verlieren und eine Abwanderung nach Freudenstadt in Kauf nehmen? Eine Liste mit zurzeit 500 Unterschriften gegen den Weggang wurde bereits erstellt.

"Natürlich möchte die Gemeinde nicht, dass AWG weggeht. Wir haben auch nicht gekündigt. Doch es gibt rechtliche Vorgaben, die wir beachten müssen", erklärte Ruf. Ganz den Diplomaten gab Ruf bei der Diskussion. Er könne die Modekette und deren Kunden verstehen, aber auch den HGV, der ein weiteres Ausbluten des Ortskerns vermeiden möchte. "Wir befinden uns hier in einer gewissen Zwickmühle, es ist schwierig, eine Entscheidung zu finden."

Nach langen Gesprächen mit der Geschäftsleitung von AWG und dem Regionalverband habe sich jedoch herauskristallisiert, dass es vielleicht doch eine Lösung geben könnte. "Der Regionalverband gibt zu, dass es sich nicht um eine Neuansiedlung, sondern lediglich um eine Verlagerung handelt", so Ruf. Beide Seiten hätten zugestimmt, ein Gutachten erstellen zu lassen, in dem untersucht werden soll, ob es schädliche Auswirkungen durch die Verlagerung auf den Ortskern gibt.

"Ich denke, das ist nur fair, schließlich handelt es sich hier nur um 380 Meter. Ich schlage vor, wir lassen erst untersuchen und entscheiden dann", sagte Ruf. Er rechnet mit der Erstellung des Gutachtens innerhalb der nächsten vier Wochen. "Eine Veränderungssperre wäre der allumfassende Rundumschlag, daher würde ich vorschlagen, diese zurückzustellen."

Gemeinderat Thomas Gaiser (FDP) sprach sich ebenfalls für eine Zurückstellung des Tagesordnungspunkts aus. Gemeinderat Horst Medel (CDU) wollte wissen, wie lange man da noch mitspielen wolle, falls in Zukunft wieder jemand anfragt. Außerdem wollte er wissen, wer die Kosten für das Gutachten trägt. "Die Frage ist, wann macht der Gemeinderat den Sack zu?", brachte es Ruf auf den Punkt und machte deutlich, dass dies allein eine politische Entscheidung des Gremiums sei. AWG habe signalisiert, die Gutachterkosten zu übernehmen, eine Vereinbarung gebe es jedoch nicht.

Gemeinderat Michael Ruoss (CDU) fragte nach dem rechtlichen Einfluss des Regionalverbands und damit nach der Bindung des Rats an die Vorgaben des Verbands. Man sollte mit höheren Planungsebenen möglichst die Dinge im Einklang erledigen, letztlich entscheide aber auch das Kaufverhalten der Bürger, so Ruf. Erwin Zepf (CDU) drückte es drastisch aus: "Machen wir doch gleich ein Schild ›Baiersbronn bitte nicht betreten, fahrt bitte alle nach Freudenstadt‹."

Auf Antrag von Gerhard Gaiser (SPD) wurden auch Wortmeldungen aus dem Publikum zugelassen. AWG-Filialleiterin Eva Speck machte nochmals deutlich, dass man dem Einzelhandel nichts wegnehme und hier von zweierlei Preissegmenten spreche. Wichtig sei auch die soziale Komponente, die man nicht außen vor lassen dürfe.

Thomas Mohr vom HGV stellte klar, dass es nicht darum gehe, den Einzelhandel zu retten. Man habe keine Frequenz mehr im Ort, da sich das Zentrum verlagert habe. Man müsse eine Fläche für AWG im Ort finden und die Betriebe dazu zwingen, wieder in den Ortskern zu kommen. Dies funktioniere in anderen Orten auch. "Ich beantrage Schluss der Debatte, es geht doch um die Frage, ob wir uns eine Option für die Verlagerung offen halte", setzte Gemeinderat Michael Seitz (SPD) der Diskussion ein Ende. Bei zwei Enthaltungen beschloss der Rat mehrheitlich, das Gutachten zunächst abzuwarten und danach zu entscheiden. Eine Veränderungssperre im Geltungsbereich des Bebauungsplans Biegel-Misse wurde nicht erlassen.