Sonja Beck engagierte sich auf Lesbos in der Flüchtlingshilfe. Foto: Privat Foto: Schwarzwälder Bote

Flüchtlinge: Sonja Beck aus Röt engagiert sich in einem vierwöchigen Aufenthalt auf Lesbos für Flüchtlinge

Menschen, denen es nicht so gut geht, zu helfen, das war ein Herzenswunsch, den sich Sonja Beck aus Röt nun erfüllt hat. Sie ist gerade aus Griechenland zurückgekehrt und kann ihre Erlebnisse im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos nur nach und nach verarbeiten.

Baiersbronn. Auf Lesbos angekommen ist sie am Tag des großen Brands, und so musste der gut geplante vierwöchige Aufenthalt umstrukturiert werden. Die gelernte Krankenschwester ist 49 Jahre alt und Mutter von vier Kindern sowie stolze Großmutter von einem Enkelkind. Seit 2015 war es eine Herzensangelegenheit von ihr, einmal aktiv in einem Flüchtlingscamp zu helfen. Und so wurde die Corona-Pandemie für sie eine Chance, ihren Wunsch in die Tat umzusetzen.

Kraft und Mut für den Einsatz hat sie aus ihrem christlichen Glauben geschöpft, der sie in ihrem täglichen Leben begleitet. Als Mitarbeiterin in der evangelischen Buchhandlung Rudert gab es für sie die Gelegenheit, eine längere Auszeit zu nehmen.

Anfang September ging es unter der Regie der Hilfsorganisation EuroRelief los in eine unbekannte Zukunft. Doch am Anfang stand die Brandtragödie. "Die Straßen von der Hauptstadt bis Moria waren wegen des Brandes und der herumirrenden Geflüchteten gesperrt, und es gab ein Krisentreffen der Hilfsorganisationen", schildert sie die anfängliche Lage. Die Zukunft der rund 13 000 Flüchtlinge sei sehr ungewiss gewesen. So musste auch die Arbeit der Röterin neu organisiert werden.

"Vielleicht ist es auch eine Chance für die Menschen. Denn fünf Jahre hat man gewartet, zugesehen, und nun diese Tragödie", hatte sie nach Hause geschrieben. Das Camp Moria, in dem sie helfen wollte, gab es nicht mehr. Die Welt schaute aber wieder hin, und die Einwohner des Ortes Moria demonstrierten gegen ein neues Camp. "Niemand will diese Menschen, die doch die gleichen Wünsche, Empfindungen, Rechte und die gleiche Würde haben wie du und ich", beschrieb sie die Lage der Flüchtlinge und hoffte auf schnelle Entscheidungen. Menschen, die ihren ganzen Besitz im Kinderwagen vor sich her schoben, und Flüchtlinge, die auf eine bessere Zukunft setzen – Sonja Beck hat viel erlebt. Sie habe Dinge gesehen, die es so in Europa nicht geben sollte.

Erste Priorität war, die Menschen, die tagelang ohne alles am Straßenrand lebten, mit Essen zu versorgen. "Wir haben 6000 Essenspakete mit jeweils drei Mahlzeiten gerichtet, alles mit Mundschutz und bei 35 Grad Hitze", erinnert sie sich. Alles war strikt vom Militär und der Polizei abgeriegelt. Bei der Essens- und Getränkeausgabe schaute sie den Menschen in die Augen, und in hunderten von Gesichtern sei Dankbarkeit, aber auch Müdigkeit und Ausdruckslosigkeit zu erkennen gewesen. "So viel Leid", sagt sie und berichtet von Unruhen, die den Helfern ihre Arbeit nicht leicht machten. "Wir mussten uns selber schützen. Für alle Helfer war es eine neue Situation."

"Was ich erlebt habe, ist kaum in Worte zu fassen", sagt Sonja Beck ergriffen und erinnert sich an Frühschichten, in denen sie Windeln und Milchpulver verteilt hat, Hochschwangeren geholfen hat und sich verzweifelt fragte, wie so viele Menschen in Europa so elendig vor sich hin vegetieren können. "Es hat mir das Herz gebrochen, und gleichzeitig war es so erfüllend, ihre Nöte nur etwas lindern zu können."

Auch Verständnis für die Einheimischen

Sonja Beck hat aber auch Verständnis für die Einheimischen, denen der Flüchtlingsstrom zu viel ist, die ihren Urlaubsort immer mehr schwinden sehen und die durch Corona zusätzliche Einbußen hinnehmen müssen. "Begeistert war ich von meiner Hilfsorganisation EuroRelief. Alle waren sehr nett und die Verantwortlichen souverän, ein nettes Miteinander, das passte. Die Vision Jesu Hände und Füße zu sein und für die Geflüchteten Liebe und Hoffnung auszustrahlen, motivierte uns." Jeden Tag klappte es besser, die Essensausgabe funktionierte, und das neue Camp wuchs von Tag zu Tag. Corona macht auch vor den Flüchtlingen nicht Halt. Jeden Tag wurde getestet, und die Infizierten mussten in Quarantäne.

Sonja Beck erlebte live mit, wie das neue Camp in wenigen Tagen aus dem Boden gestampft wurde. Die Hauptaufgabe war es, die Geflüchteten so schnell wie möglich nach Nationalität und Bedürftigkeit getrennt in Zelten unterzubringen und sie bei großen Verteilaktionen mit Kleidung auszustatten. "Ich fühlte mich zur rechten Zeit am rechten Ort", sagt Sonja Beck. "Viele mussten tagelang warten, bis sie ein neues Zelt bekamen. Ich wies ihnen eines zu, immer zwei bis drei Familien auf sieben Quadratmetern. Am Infopunkt mussten immer die gleichen Fragen beantwortet werden, und beim Anstehen sind manche kollabiert. Es gab kaum Toiletten, kaum Wasser und keine Duschen", erzählt sie. "Wie leicht wäre es, für zwölf Länder, 1000 Menschen aufzunehmen. Manch ein Minister sollte mal eine Nacht auf einem steinigen Zeltboden verbringen", sagt sie nachdenklich.

Die guten Kontakte, die vielen Gespräche, Einladungen zum Tee und die unendliche Dankbarkeit sind Sonja Beck in Erinnerung geblieben, aber auch die Umstände, unter denen die Flüchtlinge leben müssen. "Das ist völlig unzumutbar. Die Menschen haben unsagbare Not, und wir schauen nur zu." Es sei in kurzer Zeit eine Zeltstadt aus dem Boden gestampft worden, die bei Sonnenschein ordentlich wirke, jedoch keinerlei Schutz vor Regen und Wellen biete, so Sonja Beck. "Haben diese Menschen nicht wenigsten Drainagen oder zumindest Platten verdient?", fragt sie in einem ihrer letzten Berichte in die Heimat vor ihrer Abreise.

Die aktuellen Nachrichten zeigen ihren Weitblick. Überschwemmungen im neuen Camp lassen die Flüchtlinge mal wieder, wenn auch nur kurzfristig, in den Fokus treten. "Es war ein Privileg für mich, zu dieser Zeit an diesem Ort sein zu dürfen", sagt Beck und freut sich, wieder in der Heimat zu sein. "Ich kann mir sehr gut vorstellen noch einmal dorthin zu reisen".