Eine Gottesanbeterin im Nationalpark Schwarzwald. Die Fangschrecke könne hier als Botin des Klimawandels gelten, meinen die Forscher. Foto: Ziegler (Nationalpark Schwarzwald)

Wärmeliebendes Insekt ist Bote des Klimawandels. Gebirgsvögeln wird es zu heiß.

Baiersbronn/Ruhestein - Die Europäische Gottesanbeterin, eine Fangschrecke, kann als eine Botin der Klimaerwärmung gelten – und ist in diesem Spätsommer erstmals im Nationalpark Schwarzwald gesichtet worden.

"Die Gottesanbeterin gilt als besonders wärmeliebend, der Nationalpark ist daher traditionell sicher nicht der passende Lebensraum", erklärt Jörn Buse, Experte für Invertebraten (Tiere ohne Wirbelsäule) und Biodiversität im Schutzgebiet.

Der Sommer 2018 – mit der langen Hitzeperiode – war nach dem Rekordjahr 2003 der zweitwärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. "Insekten reagieren sehr schnell auf diese Situation und begründen neue Populationen in bisher für sie nicht geeigneten Lebensräumen und Regionen", sagt Buse. So war es für ihn nicht ganz überraschend, dass die Europäische Gottesanbeterin (Mantis religiosa) im Nationalpark auftauchte. "Wir haben sie an zwei unterschiedlichen Orten entdeckt, unter anderem am Lotharpfad", erzählt der Sachbereichsleiter.

Ein Grund für die verstärkte Ausbreitung ist die Zunahme klimatisch geeigneter Lebensräume, heißt es weiter in der Pressemitteilung des Nationalparks. "Und extreme Temperaturereignisse im Rahmen des Klimawandels begünstigen die Entstehung solcher Lebensräume", sagt Buse.

Dauerhafte Vorkommen bei Oberkirch und im Achertal

In Baden-Württemberg hat sich die fleischfressende Fangschrecke bereits über die Rheinebene von Südbaden bis an den südlichen Odenwald sowie in einem kleinen Gebiet südlich von Heilbronn ausgebreitet. Weitere Einzelfunde im übrigen Baden-Württemberg seien wahrscheinlich auf Verschleppung zurückzuführen. In den Hochlagen des Schwarzwalds gab es bis dato keine Nachweise. "Die nun gesichteten Tiere entstammen sicherlich den dauerhaften Vorkommen bei Oberkirch und im Achertal", sagt Buse. Durch den überdurchschnittlich warmen Sommer gab es auch Erstnachweise anderer wärmeliebender Insektenarten, wie des vom Aussterben bedrohten Dungkäfers Coprimorphus scrutator auf den Weideflächen am Schliffkopf und auf den von Heckrindern beweideten Grinden. "Die Art zählt mit weniger als zehn Nachweisen in Deutschland zu den absoluten Raritäten", betont Buse, der die Dungkäferfauna im Nationalpark seit zwei Jahren intensiv untersucht. Auch bei den Schmetterlingen beobachteten die Forscher sehr wärmeliebende Arten wie Schwalbenschwanz, Großes Eichenkarmin und Mittlerer Weinschwärmer in den Hochlagen des Nationalparks.

Bienenfresser und auch Iberischer Zilpzalp gesichtet

"Bei den Vögeln können wir schon seit einigen Jahren eine deutliche Zunahme wärmeliebender Arten zu beobachten“, sagt Marc Förschler, Fachbereichsleiter für Ökologisches Monitoring, Forschung und Artenschutz im Nationalpark. So ziehen beispielsweise inzwischen jedes Jahr im Frühjahr und Herbst wärmeliebende Bienenfresser über den Schwarzwald. "Und im Sommer hat oberhalb des Ruhesteins zum zweiten Mal in Folge ein Iberischer Zilpzalp sein Lied gesungen; das ist eine sonst mediterrane Vogelart", erzählt Förschler. "Gleichzeitig verschwinden leider nach und nach aber auch die bisher typischen Gebirgsarten wie Zitronenzeisig und Alpen- Ringdrossel aus dem Schwarzwald. Ihnen wird es in den Sommermonaten zunehmend zu heiß."

Wie verschiedene Studien zeigten, habe die Klimaerwärmung bereits jetzt erhebliche Auswirkungen auf die hiesigen Lebensräume und die darin lebenden Arten, teilt der Nationalpark weiter mit. Im Schwarzwald seien diese Auswirkungen aufgrund der großen Höhenunterschiede im Vergleich zum Rheintal sehr gut zu untersuchen. "Eines unserer Forschungsziele im Nationalpark ist es daher auch, die durch die Klimaerwärmung ausgelösten Prozesse zu erfassen, um so die lokalen Auswirkungen des Klimawandels besser verstehen zu können", sagt Marc Förschler.

Die Europäische Gottesanbeterin war das Insekt des Jahres 2017. Die Ausbreitungsfähigkeit der Art scheint temperaturabhängig und durch die Verfügbarkeit von Beute (hauptsächlich Insekten) gesteuert zu sein. Ist letztere sehr hoch, fliegen die Tiere nur geringe Distanzen, teilt der Nationalpark mit.

Wochen nach der letzten Larvalhäutung (August/September) sind die Fangschrecken geschlechtsreif und legen zwei bis drei Tage nach der Paarung ihre Eier in Eipaketen, sogenannten Ootheken, ab. Im Herbst sind Gottesanbeterinnen daher öfter als sonst zu sehen. Dauerhafte Populationen sind derzeit in den Hochlagen des Schwarzwalds aufgrund der winterlichen Fröste, die die Eipakete zerstören, nicht vorstellbar. Trotzdem wird angenommen, dass sich die Gottesanbeterin in Mitteleuropa, bedingt durch die prognostizierte klimatische Erwärmung, weiter nach Norden und auch in Gebirgslagen ausbreiten wird. Die erwachsenen Gottesanbeterinnen sterben hier übrigens beim ersten Frost. Nur die Eipakete überwintern gut geschützt bis zum nächsten Frühjahr.

 Weitere Informationen zur Gottesanbeterin und zu ihrem Vorkommen: www. lubw.baden-wuerttemberg. de/natur-und-landschaft/meldeplattformen#gottesanbeterin