Prominenter Redner: Wolfgang Bosbach. Foto: Schwarzwälder Bote

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Zinsen auf Jahre hin abgeschafft, weltweiter Stellenabbau und Halbierung der deutschlandweiten Bankfilialen: Das waren einige der Themen, die Aufsichtsratsvorsitzender Ulrich Wein zur Eröffnung der Mitgliederversammlung der Volksbank Baiersbronn Murgtal ansprach.

Baiersbronn. Für zahlreiche Transaktionen würden Bankfilialen mittlerweile nicht mehr benötigt, sagte der Aufsichtsratsvorsitzende. Die Volksbank Baiersbronn-Murgtal möchte möglichst keine Zweigstellen schließen, gab aber die "betriebswirtschaftlich notwendige" Reduzierung der Geschäftszeiten bekannt.

Für das Jahr 2018 wurde die Bank laut Ulrich Wein aufgrund einer rückläufigen Ertragslage durch die anhaltende Niedrigzinsphase mit einem sehr guten "A" geratet. Bei einem Jahresüberschuss von 350 000 Euro sowie einer Bilanzsumme von 253 Millionen Euro sei das erzielte Ergebnis vom Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband laut Prüfungsbericht als "nicht zufriedenstellend" beurteilt worden. Wein ergänzte, dass das Ergebnis durch Sonderfaktoren aus einer Betriebsprüfung des Finanzamts in Höhe von 268 000 Euro mitgeprägt worden sei. Der Aufsichtsrat wurde von ursprünglich zwölf auf sieben Mitglieder reduziert. In diesem Jahr schieden Norbert Beck, Willi Klumpp und Michael Ruoss aus (wir berichteten) und wurden nicht ersetzt.

"Angemessene Dividende"

Vorstand Jürgen Frey berichtete im Anschluss über den Geschäftsverlauf 2018. Gravierend sei der negative Zinsüberschuss von minus 221000 Euro aufgrund der Niedrigzinsen gewesen. Frey ging auf den Umbau der Filiale Klosterreichenbach ebenso ein wie die Dividendenausschüttung in Höhe von drei Prozent, was mit rund 90 000 Euro etwas mehr als einem Viertel des Bilanzgewinns (354 000 Euro) entsprochen habe. Auch für 2019 soll eine "angemessene Dividende" ausgeschüttet werden.

Frey blickte auf die Erwartungen der kommenden Jahre, die weiter rückläufige Zinsüberschüsse bedeuten würden. Zu erwarten seien auch neue zusätzliche Kosten durch EU-Regulierung, höhere Personal- und Sachkosten sowie Zusatzkosten durch Digitalisierung und niedrigere Betriebsergebnisse.

Durch den Ausbau des digitalen Dienstleistungsangebots möchte die Volksbank Schritt halten mit der rasanten Entwicklung, ohne dabei Zweigstellen zu schließen.

Nach einem kurzen Rückblick auf die Vertreterversammlung 2019 von Vorstand Clemens Grießhaber wurden die beiden langjährigen Mitarbeiter Wolfgang Strauß und Dietrich Bochinger verabschiedet. Strauß geht nach 33 Jahren zum Jahresende in die Altersrente. Bochinger wurde nach fast 36 Jahren Zugehörigkeit zur Bank, beginnend in der Kreditabteilung und zuletzt als Vorstandsmitglied, verabschiedet.

Baiersbronn (bine). Mit Spannung war bei der Mitgliederversammlung der Volksbank der Vortrag zum Thema "Halbzeit in Berlin und worauf es jetzt ankommt" von Wolfgang Bosbach erwartet worden, dessen Anreise sich wegen ausgefallener Bahn und Ersatz durch ein Taxi zu einer kleinen Odyssee gestaltete. Der Hartnäckigkeit von Vorstandssekretärin Anette Münstermann war seine Anwesenheit zu verdanken.

Begeisternde Rede

Mit seiner rund einstündigen Rede begeisterte der 67-jährige Rechtsanwalt und ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete die Mitglieder der Bank in der voll besetzten Schwarzwaldhalle und sorgte mit Anekdoten für den einen oder anderen Lacher. Bosbach blickte auf 70 Jahre Bundesrepublik Deutschland, den Mauerfall am 9. November 1989, den Kanzlerin Angela Merkel in der Sauna verpasste, und auf 63 Jahre Wirtschaftswachstum, denen gerade mal sieben Jahre Rezession gegenüberstünden. Bosbach erinnerte an lediglich drei Regierungschefs in 38 Jahren und die zahlreichen politischen Veränderungen in den vergangenen drei bis vier Jahren. "Die großen Volksparteien taten dem Land gut", bilanzierte er, stellte aber nüchtern fest: "Seit 70 Jahren hat die GroKo keine Mehrheit."

Auch wenn er das Wort Brexit nicht mehr hören kann, so sprach er doch über die historische Zäsur durch den anstehenden Austritt von Großbritannien unter Mitnahme der Vorteile. Bosbach thematisierte den europäischen Gedanken von Frieden und Freiheit sowie die rasanten Veränderungen. Er verdeutlichte die technischen Entwicklungen, nannte dabei das Smartphone, das es seit 2008 gibt, und benannte die vergangenen 250 Jahre, die das Land total verändert haben.

Der Übergang von der Industriegesellschaft zur Wissensgesellschaft stelle eine Revolution dar, wobei in neuen Industrien andere Länder weit vor Deutschland seien. Obwohl viele Firmen nichts herstellten, ergäben sich durch die Digitalisierung große Veränderungen, auch mangels Rohstoffen. "Deutschland muss sich zum Industrieland bekennen, nicht zuletzt aufgrund der tollen Rahmenbedingen und einer tollen jungen Generation", schloss Bosbach. "Es ist ein großes Glück, in Deutschland zu leben."