Ein Hochstapler muss sich jetzt vor Gericht verantworten. Foto: Vennenbernd

36-jähriger Hochstapler legt zum Auftakt der Verhandlung Geständnis ab. Er hat nie Medizin studiert.

Baiersbronn/Balingen - Weil er sich als Arzt ausgab, obwohl er nie Medizin studiert hat, muss sich ein 36 Jahre alter Mann aus Balingen jetzt vor dem Amtsgericht im südhessischen Bensheim verantworten. Er hatte auch in Baiersbronn "praktiziert".

Dem gelernten Einzelhandelskaufmann werden Titelmissbrauch, gewerbsmäßiger Betrug und Urkundenfälschung vorgeworfen. Zu Prozessbeginn zeigte er sich geständig – und überrascht, überhaupt so weit gekommen zu sein. Dass er mit seinen Bewerbungen etwas erreichen werde, habe der Angeklagte selbst nicht geglaubt, sagte er zu Prozessbeginn. Die Unterlagen, mit denen sich der junge Mann als Arzt beworben hatte, waren komplett gefälscht – selbst hergestellt am heimischen Computer und in Copyshops. Und doch war es dem hochverschuldeten, gelernten Einzelhandelskaufmann aus Balingen gelungen, seit 2018 immer wieder nicht nur als Dr. med. zu fungieren – er fand sogar Anstellungen als Arzt. Mal war er als Neurologe tätig, mal als Internist. Er untersuchte Schilddrüsenpatienten, übernahm Nachsorgeuntersuchungen und impfte sogar.

Ungereimtheiten in den Unterlagen

Angefangen hatte die "medizinische Laufbahn" des 36-Jährigen vor zwei Jahren im südhessischen Zwingenberg an der Bergstraße. Dort hatte er sich als Internist in einer Hausarztpraxis vorgestellt und war genommen worden. Nach wenigen Wochen jedoch fielen Ungereimtheiten in den vorgelegten Unterlagen des vermeintlichen Arztes auf, sodass er gekündigt wurde. Daraufhin hat er sich wenige Wochen später im Dezember bei einer Klinik auf der Insel Borkum beworben. Dort war er zu einem Vorstellungsgespräch geladen, aber letztlich nicht eingestellt worden. Auch in diesem Fall waren seine Unterlagen nicht überzeugend – es sei festgestellt worden, dass zwischen Approbation und Facharztausbildung nur ein knappes Jahr lag. Das aber habe zeitlich nicht passen können, hieß es vor Gericht.

Schließlich landete der falsche Art bei einer Klinik in Baiersbronn. Dort hatte er als Neurologe angeheuert und war ebenfalls für wenige Wochen im Einsatz. Aufgefallen war er dort – so hatte es zumindest die Klinik behauptet – wegen handwerklicher Fehler. Zeitgleich seien bei der zuständigen Behörde die Unterlagen des Mannes als "Totalfälschungen" entlarvt worden.

Allerdings gab der Angeklagte vor Gericht an, nie aus handwerklichen Gründen aufgefallen zu sein. Vielmehr habe er auch Fachgespräche führen können. Das Wissen habe er sich im Internet angeeignet, wo er auch erfolgreich Kurse belegt habe.

Dass er in Baiersbronn aufflog, hat er womöglich zumindest indirekt seiner aktuellen Lebensgefährtin aus dem südhessischen Heppenheim zu verdanken. Die Frau habe ihrer Frauenärztin erzählt, dass ihr Partner ebenfalls Arzt und in Baiersbronn tätig sei. Die Ärztin wiederum berichtet einer Kollegin davon. Das war ausgerechnet die Frau, mit der er in Zwingenberg zusammengearbeitet und die ihn wegen seiner Unterlagen entlassen hatte. Daraufhin recherchierte die Ärztin und meldete sich in Baiersbronn. Dort kam die Sache ins Rollen, offenbar zeitgleich mit Ermittlungen, die in Südhessen gegen den 36-Jährigen aufgenommen worden waren. Dort hatte er sich um eine kassenärztliche Zulassung bemüht, die ihm aber wegen Unstimmigkeiten in seinem polizeilichen Führungszeugnis verwehrt worden war. Daraufhin hatte sich der falsche Arzt – womöglich vorausahndend, dass er erneut enttarnt werden könnte – bei der Klinik in Baiersbronn krankgemeldet. Übrigens mit selbst hergestellten Bescheinigungen.

Betrüger hat Schulden in Höhe von 100.000 Euro

Warum der Mann sich als Arzt ausgab, ist immer noch nicht ganz klar. War es Geltungsbedürfnis oder waren es Schulden in Höhe von rund 100.000 Euro? Seit 2004 war der junge Mann immer wieder auffällig geworden, ist wegen Betrügereien vorbestraft. Eidesstattliche Versicherungen folgten. Seine frühere Freundin habe ihn unter Druck gesetzt, hatte er vor Gericht angegeben. Auch habe er stets Minderwertigkeitskomplexe wegen seiner Körperfülle gehabt. Außerdem habe er bei seiner aktuellen Freundin, die ihn als Arzt kennengelernt hatte, dieses Bild aufrechterhalten wollen.

Zu seinen Anstellungen fand der vermeintliche Arzt über Annoncen in einschlägigen Branchenblättern. Dadurch habe er auch immer hohe Gehälter aushandeln können. So richtig zufrieden war er mit seinem selbstgewählten Betätigungsfeld aber offensichtlich nicht: Den Arztberuf habe er unterschätzt. "Das ist mehr als nur einen Rezeptblock auszufüllen." Der Prozess soll im April fortgesetzt werden, dann sollen Ärzte als Zeugen aussagen.