Die Eisenbahnbrücke bleibt in Richtung Schramberg ungenutzt. Foto: Fritsche

Dass der Kreistag die Vergabe der Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Bahnstrecke Schramberg überraschend ablehnte, sorgte im Nachgang für kritische Stimmen von Kreis- und Stadträten sowie Amtsträgern.

Schramberg/Schiltach/Rottweil - Bei 13 Ja-, 13 Nein-Stimmen und neun Enthaltungen hatte der Kreistag am 25 Juli beschlossen: "Der Zuschlag für die Erstellung einer Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Bahnstrecke Schiltach – Schramberg an die Firma TransportTechnologie-Consult Karlsruhe GmbH (TTK) wird nicht erteilt". Die Entscheidung überraschte, weil der Kreistag davor mehrheitlich die Ausschreibung der Studie befürwortet hatte und die TTK eine renommierte Firma vom Fach war. Es war also zu erwarten gewesen, dass der Kreistag dem abgestimmten Verwaltungsvorschlag zustimmt.

Chance vergeben

Chance vergeben

Dass jetzt keine Studie erstellt wird, fand Schrambergs Stadträtin Tanja Witkowski (SPD/Buntspecht) bedauerlich und ärgerlich: "Der Kreistag vergibt damit ohne Not eine Chance für Schramberg". Zumal die Finanzierungsanteile Schrambergs, Schiltachs und des Landkreises überschaubar gewesen seien. Es sei auch schade, dass nicht alle Schramberger Kreisräte bei der Abstimmung anwesend waren oder dass welche dagegen gestimmt hätten. Schramberg liege eben am Rand des Kreisgebiets, offensichtlich werde der Großen Kreisstadt von vielen Kreisräten nicht die Bedeutung zugemessen, die ihr als großer Industriestandort mit seinem Steueraufkommen zukomme.

Zwei auf Reisen

Kreisrat Jürgen Kaupp hatte wie auch sein CDU-Fraktionskollege Clemens Maurer an der entscheidenden Sitzung des Kreistags nicht teilgenommen: "Ich war geschäftlich verreist und bin davon ausgegangen, dass der Beschlussvorschlag durchgeht". Im Vorfeld sei mit Mehrheit beschlossen worden, dass die Studie ausgeschrieben wird. Jetzt wäre die Vergabe fällig gewesen. Ob dem Kreistag bewusst gewesen sei, was er da tut, das wisse er nicht. Dass die Studie umstritten war, das sei natürlich klar gewesen.

Kreisrat Clemens Mauer war am Sitzungstag im Auslandsurlaub und schickte eine Stellungnahme: "Ich habe die Machbarkeitsstudie grundsätzlich befürwortet. Den Abbau der Gleise halte ich für einen historischen Fehler, den man heute nach meiner Einschätzung  so nicht mehr machen würde". Gerade weil eine solche Reaktivierung viele Unbekannte enthält, hätten die Fakten geprüft werden können. Es sei aber ebenfalls festzuhalten, dass über die letzten Monate hinweg keinerlei positives Feedback zu diesem Thema aus der Bevölkerung in und um Schramberg zu bekommen sei.

Mittelzentrum ohne Bahn

Zukunft ohne Gleisanschluss

"Ich bin aus allen Wolke gefallen", bedauerte Kreisrat Jürgen Reuter (Aktive Bürger) den für ihn kurzsichtigen Beschluss, weil die Rolle Schrambergs als Mittelzentrum dadurch in Frage gestellt werde und als Folge vielleicht Strukturfördermittel nicht in dem erhofften Maße flössen. "Man muss sich fragen, wie die Zukunft von Schramberg ohne Bahnanschluss aussieht. Ein S-Bahn-Anschluss ist Teil der Strukturpolitik des Landes – und die wird gerade neu aufgestellt", erklärte Reuter und verwies auf die Rechte und Pflichten eines Mittelzentrums. "Schramberg nimmt dauerhaft wesentliche Aufgaben nicht oder nicht vollumfänglich wahr", fügte er hinzu. "Die Landesregierung muss sich jetzt überlegen, ob sie Schramberg im nächsten Landesentwicklungsplan nur wegen der Fachärzte und der beiden weiterführenden Schulen gegen den erklärten Willen des Kreistags noch als Mittelzentrum ausweist", gab Reuter zu bedenken. Durch die gute Straßenanbindung und die getaktete Busverbindung läge es nahe, die Angebote mit Strukturfördermitteln in Rottweil zu bündeln. "Viele Kreisräte, auch Bürgermeister der Umlandgemeinden, enthielten sich und stimmten damit faktisch dagegen", ergänzte Stadtrat Johannes Grimm (Aktive Bürger).

"Ob ein Gleisanschluss für Schramberg und damit ein ganz großes Plus für den westlichen Teil unseres Landkreises machbar gewesen wäre, das herauszufinden war Aufgabe dieser Studie. Dass sich Kreistagsmitglieder anmaßen, das Ergebnis dieser Studie vorab schon zu wissen, fand ich sehr erstaunlich. Woher die Expertise kommt, ist mir nicht klar", kritisierte Kreisrätin Sonja Rajsp-Lauer. Dass die Prüfung dieser Möglichkeit an einigen  Kreisräten gescheitert sei, finde sie sehr schade.

Gegenargumente

Kreisrat Gerhard Wössner (ÖDP) aus Aichhalden hat auf der entscheidenden Sitzung sein Abstimmungsverhalten nicht geändert: Er hatte die Studie von Anfang an kritisch gesehen: "Es gibt vieles, was man dabei bedenken muss". Wenn der viel genutzte Radweg wegen der Bahn wieder weg müsste, fände er das traurig. Wenn das Tal breiter wäre mit Platz für beide, wäre er dafür gewesen. "Man soll das Steuergeld für eine Studie lieber in den ÖPNV investieren".

Auch Kreisrat Josef Günter (SPD) aus Tennenbronn hatte das Projekt kritisch gesehen: "Die nun nicht beauftragte Studie wäre tiefer als die Vorstudie gegangen und hätte wahrscheinlich die Ablehnung eines möglichen Ausbaus gebracht".

Ein Zug könne nie die Vorteile von einem Bus in dem engen Tal erreichen.

Für Thomas Haas, Bürgermeister von Schiltach., hätte die Studie endgültig klarstellen können, ob es eine realistische Umsetzungsmöglichkeit gibt: "Auch bei einem negativen Ergebnis hätte die Studie Daten liefern können, die die Basis für die Entwicklung eines neuen innovativen ÖPNV-Angebot hätten bilden können".

Kritik der Amtsträger

Schrambergs Oberbürgermeisterin Dorothee Eisenlohr äußerte sich ebenso enttäuscht: "Es ist sehr schade, dass der Kreistag seine mit großer Mehrheit gefasste Sachentscheidung bei der Vergabe der Machbarkeitsstudie revidiert hat". Ein Schienenanschluss hätte Schramberg ganz neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffnen können – sei es bei (Hochschul-) Bildung, Tourismus oder nachhaltigem Berufspendlerverkehr.

Kreisverwaltung zog mit

Das Nahverkehrsamt des Landratsamtes habe, so Landrat Rüdiger Michel, der Machbarkeitsstudie mit großem Einsatz den Weg bis zur Vergabeentscheidung durch den Kreistag geebnet. "Aus der Sicht der Verwaltung wäre die fundierte Ausleuchtung der Fragen, die sich bei einer Reaktivierung stellen, kommunalpolitisch wichtig gewesen", betonte Michel. Der Kreistag habe die Vergabe abgelehnt und damit auch dem Projekt politisch eine endgültige Absage erteilt.  

"Die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg und das Verkehrsministerium des Landes haben uns mitgeteilt, dass eine Übertragung des Förderbescheids auf eine eventuell interessierte Kommune etwa auf Schramberg und/oder Schiltach rechtlich ausgeschlossen ist", berichtete Michel weiter. Die Kreisverwaltung finde es schade, dass es jetzt nicht mehr möglich sein werde, die grundsätzliche Machbarkeit des Projekts objektiv auszuloten.

Keine Schadenersatzforderung

Die nach der Ausschreibung für die Studie vorgesehene TransportTechnologie-Consult Karlsruhe GmbH (TTK) bedauerte die Entscheidung des Kreistages. "Zum einen haben wir eine große Expertise in der Ausarbeitung von Machbarkeitsstudien, zum anderen ist der öffentliche Verkehr Teil unserer Unternehmens-DNA und wir unterstützen gerne alle Maßnahmen um diesen attraktiver zu gestalten", erklärte TTK-Geschäftsführer Christian Höglmeier unserer Zeitung auf Anfrage.

 Die Angebote der TTK würden für jede Ausschreibung passend erstellt. Dafür sei immer ein nicht unerheblicher personeller Aufwand erforderlich, und zwar für alle Angebote, egal ob diese am Ende gewonnen oder verloren würden. "In diesem Fall hat sich jetzt der Auftraggeber gegen die Vergabe ausgesprochen. Wir werden deshalb aber nicht die uns entstandenen Kosten oder entgangenen Gewinn geltend machen", erklärte Höglmeier.

Kostenanteile für Landkreis, Schramberg und Schiltach

Am 27. April hatte der Kreistag die Erstellung einer Machbarkeitsstudie beschlossen und eine Ausschreibung veranlasst. Im Vergabeverfahrens ging ein Angebot von der Firma TransportTechnologie-Consult Karlsruhe GmbH (TTK) in Höhe von 127 000 Euro ein. Aufgrund dieses Angebots wurde von einer Landesbeteiligung in Höhe von 95 000 Euro ausgegangen. Auf den Landkreis Rottweil wäre ein Anteil von 15 800 Euro, auf die Städte Schramberg und Schiltach jeweils ein Anteil von 7914 Euro entfallen.