Rainer Kaufmann, Geschäftsführer der IG Gäubahn, sprach im Horber Gemeinderat über die aktuellen planerischen Unwägbarkeiten des Projekts.Foto: Lück Foto: Schwarzwälder Bote

Verkehr: Der große Bahn-Frust von Rainer Kaufmann: Geschäftsführer der IG Gäubahn sieht Risiken einer fragwürdigen Planung

Die Gäubahn ist die Verkehrsader nach Stuttgart und Zürich. Aber auch zum Job nach Böblingen, Herrenberg oder Rottweil. Jetzt könnte wieder Murks drohen – doch die ganze Region gibt mit der Interessengemeinschaft Gäubahn nicht auf, für eine optimale Bahnverbindung zu kämpfen.

Horb. Das war ein echter Zukunftstermin im Gemeinderat Horb. Rainer Kaufmann, Geschäftsführer der IG Gäubahn, analysiert, wie es mit der Bahnstrecke weiter geht. Und er befürchtet nichts Gutes. Wird das Konzept vom Bund vermurkst?

Trügerische Zuversicht

Kaufmann schildert: "Auf dem Singener Bahn-Gipfele am 3. Februar wurde ein perfektes, neues Ausbaukonzept präsentiert. Dieser Entwurf war einfach super – alle Teilnehmer fanden es toll. Ein klasse Angebot, in dem der Anschluss an die Nebenstrecken im neuen Deutschland-Takt wie das schweizerische Uhrwerk passte. Staatssekretär Steffen Bilger aus dem Bundesverkehrsministerium machte eine kleine Anmerkung, dass die Wirtschaftlichkeitsprüfung gerade noch laufe. Alles sei auf einem guten Weg. Alle waren zuversichtlich, dass es so positiv bleibt."

Die Ernüchterung

Diese Euphorie – sie hielt fast genau vier Wochen. Dann kam die Ernüchterung. Der Geschäftsführer der IG Gäubahn erläutert: "Dann gab Staatssekretär Bilger die Details des sogenannten Planfalls 040b vor. Der in der Wirtschaftlichkeitsberechnung den Faktor 1,2 erreichte. Die Ausbaukosten wurden jetzt auf 2,1 Milliarden Euro kalkuliert – das Vierfache des bisher geplanten Neigetechnikausbaus. Ernüchternd, dass in diesem Planfall nicht nur der Fernverkehrshalt Böblingen weggefallen ist, sondern auch der Halt in Singen auf das Gelände der ehemaligen Landesgartenschau verlegt wurde. Das bedeutet weitere Verschlechterungen in den Knotenbahnhöfen. Beispielsweise in Herrenberg, oder in Villingen-Schwenningen. Auch die Verbindung beispielsweise zwischen Tuttlingen und Freiburg drohen deutlich verschlechtert zu werden. Doch Details aus diesem Planfall 040b haben wir bis heute nicht bekommen. Wir lassen da nicht locker. Wir fordern, dass der ursprünglich erarbeitete Fahrplan mit dem Planfall 040b gegenüber gestellt werden."

Ominöser "Planfall 040b"

Laut Kaufmann hat die Verbandsversammlung der Gäubahn-Anrainer Staatssekretär Bilger eingeladen. Der Geschäftsführer: "Wir wollen uns das von Steffen Bilger erklären lassen. So lange geben wir keine Ruhe! Es kann nicht sein, dass wir zunächst ein tolles Konzept – auch von ihm – präsentiert bekommen und es hinterher Kröten schlucken für uns heißt."

Umsetzung gefährdet?

Gegen diesen Planfall 040b gab es heftige Proteste. Von Kreistagen, OBs (wir berichteten). Auch die Abgeordneten, egal ob Landtag oder Bundestag, sind "wach geworden und stellen kritische Fragen ans Bundesverkehrsministerium", so Kaufmann. Er befürchtet, dass genau dieser Konflikt zwischen dem ersten, guten Konzept die Umsetzung gefährden könnte. Der Geschäftsführer der IG Gäubahn: "Wir fordern die Gegenüberstellung des sehr guten Konzept des Deutschlandtaktes zu dem weniger guten Konzept des Planfalls 040b. Das könnte auch Thema im Bundestag sein, wenn die Kosten von 550 Millionen Euro im Bundesverkehrswegeplan jetzt auf 2,1 Milliarden Euro gestiegen sind."

"Umsteigen zumutbar"

Heißt das, dass auch die Horber Pendler auf ewig in Stuttgart-Vaihingen umsteigen müssen, um per S-Bahn zum Hauptbahnhof für weitere Anschlüsse zu kommen?

Kaufmann: "Für eine überschaubare Bauphase ist das zumutbar. Wenn die Gäubahn dort ankommt, steht die S-Bahn auf dem Nachbargleis. Der Verband Region Stuttgart hat die Ausstattung der S-Bahnen mit ECTS genehmigt, damit kann es eine gute Verdichtung der S-Bahn-Verkehre geben. Und Pendler nach Stuttgart erhalten so bessere Verbindungen – auch von Horb. Natürlich ist das eine Unterbrechung des Fernverkehrs. Wenn das auf Jahre hinaus so bleibt, habe ich Bauchschmerzen."

Idee aus Horb

Dieter Rominger-Seyrich (SPD, selbst Bahnpendler): "Ich plädiere dafür, dass die Gäubahn weiter über die Panoramabahn direkt zum Hauptbahnhof fährt. Denn die Pendler wollen in die Stadt."

Diese Lösung – auch mit einem unterirdischen Ergänzungsbahnhof – sieht Rainer Kaufmann sehr kritisch. Er meint: "Wir als Interessengemeinschaft Gäubahn haben uns für eine umsteigefreie Direktverbindung über den Flughafen zum Hauptbahnhof eingesetzt. Auch die Wirtschaft hat das als großes Plus gesehen. Und dieses Argument hat auch bei der Volksabstimmung zu Stuttgart 21 in unserer Region gezogen."

Stuttgart "betonhart"

Kaufmann weiter: "Die Stadt Stuttgart hat sich bei allen Interimskonzepten keinen Millimeter bewegt. Alles ist an der betonharten Haltung der Landeshauptstadt abgeprallt. Die sagen: Das Gleisvorfeld ist unser Grundstück. Wir sagen, was dort gemacht wird. Das hat auch der neuen Stuttgarter OB Frank Nopper als erstes gesagt: Wir bewegen uns da nicht. Deshalb ist die Diskussion um einen Ergänzungsbahnhof – vielleicht auch für eine Interims-Gäubahn-Anbindung – so frustrierend. Deshalb gibt es kein besseres Interimskonzept. Unabhängig mal davon, dass in der Diskussion um Stuttgart 21 immer das Argument der Gegner war: Die Tunnelbohrungen könnten das wertvolle Mineralwasser gefährden. Und für die Ergänzungsstation soll auch ein Tunnel von der Panoramabahn dorthin gebohrt werden."

Tunnel, Tunnel, Tunnel

Auch bei den Details des geplanten Ausbaus in der Region hat Kaufmann so seine Zweifel: "Als ich mir den geplanten Tunnel Sulz so angeschaut habe, habe ich die Brauen hochgezogen. Denn für den Tunnel soll wohl die alte Strecke stillgelegt werden. Doch diese alte Strecke kann man immer noch als Umleitung gebrauchen."

Stuttgart 21 und die Gäubahn. Das heißt "Tunnel, Tunnel, Tunnel". Auch neuer "Bilger-Tunnel" zwischen Böblingen und Flughafen. Bahnpendler Rominger-Seyrich: "Ich bin lange Zeit die Gäubahn über die Panoramastrecke in Stuttgart gefahren. Da hat die Bahnreise optisch etwas geboten. 20 Kilometer nur von Tunnel zu Tunnel zu fahren, ist reisetechnisch eher abschreckend."

Lärmproblematik

Geschäftsführer Kaufmann sagt dazu: "Öffnen sie die Ohren für die Probleme, die Bahnlärm bringt. Die Anwohner der Rheintalstrecke, wo im Minutentakt Güterzüge durchfahren, sagen: Macht es unterirdisch. Als Bahnfahrer sage ich: Furchtbar, minutenlang durch Tunnel zu fahren. Uns ist es wichtig, dass die Gäubahn auch für Güterzüge gut ausgebaut wird. Dann muss natürlich auch der Lärmschutz für die Anwohner eine Lösung bieten."

Horbs OB Peter Rosenberger: "Als die Güterzüge von der Rheintalbahn über die Gäubahn umgeleitet wurde, haben nicht nur die Mühlener Einwohner unter dem Lärm gelitten."

Verkehrswende-Illusion

Dieter Rominger-Seyrich zieht folgendes Fazit: "So, wie das Bundesverkehrsministerium jetzt vorgeht, schafft es die Verkehrswende in der Region nicht." Dem stimmt auch OB Peter Rosenberger zu: "Wir sind mittendrin in der Entwicklung eines Multi-Milliarden Projekts, welches konkrete Auswirkungen für unsere Bürger hat. Wir sollten auf das ausgetüftelte Ursprungs-Konzept des Deutschland-Takts auf der Gäubahn bestehen – und auf die verbindungsfreie Verbindung mit dem Flughafen und der Messe. Sprechen Sie alle Ihre Abgeordneten an – wir stehen auch vor einer wichtigen Bundestagswahl!"