Barrierefreiheit auf Bahnhöfen: Seit Jahren treibt dieses Thema die Kommunen in der Region um. Die Stadt Haslach schließt dazu einen Planungsvertrag mit der Deutschen Bahn ab – deren Vorgehen sorgte beim Gemeinderat jedoch für Irritation.
Haslach - "Dieses Thema begleitet mich bereits seit meiner Kandidatur für das Bürgermeisteramt", stieg Philipp Saar in den Tagesordnungspunkt bei der Gemeinderatssitzung ein. Immer wieder seien Menschen auf ihn zugekommen, die darum gebeten haben, dass in Sachen Barrierefreiheit endlich etwas am Haslacher Bahnhof geschieht.
Das Problem: Die Bahn habe sich in dieser Sache selbst wenig bewegt und für eine kleine Verwaltung sei es schwierig, gerade ein so komplexes Thema mit vielen unterschiedlichen Verantwortlichen umzusetzen. "Wir hätten am liebsten schon morgen einen barrierefreien Bahnhof in Haslach", so Saar.
Verwaltung sieht Bund, Land und Bahn in der Pflicht
Aus Sicht der Verwaltung sei das an sich klare Aufgabe von Bund, Land und Bahn. "Diese müssen Mittel zur Verfügung stellen." Die wichtige Infrastruktur-Frage könne nicht auf dem Rücken kleiner Kommunen ausgetragen werden. "Es besteht Handlungsbedarf. Was in Hausach passiert ist, grenzt an eine Farce!", wurde Saar deutlich. Bekanntlich scheitert ein zeitnaher barrierefreier Ausbau des Bahnhofs in der Nachbarstadt daran, dass das Land aus dem entsprechenden Förderprogramm des Bunds ausgestiegen ist – nachdem Hausach eine Förderzusage erhalten hatte.
Damit in Haslach endlich Bewegung in die Sache kommt, ist zunächst eine Machbarkeitsstudie ausgeführt worden. Die Barrierefreiheit könne durch drei Aufzüge hergestellt werden: An den Zugängen zur Unterführung, wo dann die Rampen wegfielen, und am Mittelgleis in der Unterführung gegenüber der Treppe, die verschmälert wird. Auf das Gleis 3, das sie als Ausweichgleis nutzt, kann die Bahn nicht verzichten.
Drei Aufzüge kosten die Stadt rund 2,4 Millionen Euro
Laut Stadtbaumeister Clemens Hupfer ist die einzige Möglichkeit für eine verhältnismäßig rasche Umsetzung, dass die Stadt Haslach als Bauherrin auftritt und somit die Kosten trägt – das haben Abstimmungsgespräche mit der Bahn und dem Verkehrsministerium ergeben. Es gebe Fördermöglichkeiten durch das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz. Indes, eine grobe Kostenvorschau geht davon aus, dass selbst abzüglich der zu erwartenden Fördermittel rund 2,4 Millionen Euro Eigenanteil bei der Stadt verbleiben – und für die Planung nochmal rund 100 000 Euro. Nicht nur das sorgte für großes Kopfschütteln im Gemeinderat.
Zahlreiche Gemeinderatsmitglieder, darunter Herbert Himmelsbach (SPD), Eva Allgaier (FW), Andreas Isenmann (CDU) und Stefanie Ziehms (Grüne) sprachen sich deutlich dafür aus, die Rampen zu erhalten. Denn diese seien auch wichtig für Radfahrer, insbesondere mit schweren E-Bikes, um die Bahnsteige zu erreichen. Das hohe Personenaufkommen mit Radfahrern sei in Stoßzeiten nicht rein über Aufzüge zu stemmen, hieß es. In den Beschluss wurde aufgenommen, dass Rampen weiterhin mit geplant werden sollten.
Verhalten der Bahn "nicht nachvollziehbar"
Noch schwerer wog aber das Verhalten der Bahn. Martin Schaeffer (Grüne) fand es "nicht nachvollziehbar", dass die Bahn selbst nicht aktiv werde, dann aber an vielen Stellen starre Vorgaben liefere. Auch Joachim Prinzbach (FW) befand: "Dass die Bahn sich wegduckt und den barrierefreien Bau den Kommunen überlässt, ist undenkbar." Allein die Pflichtaufgaben würden die Gemeinden in Zukunft immer weiter fordern.
Isenmann und Saar sprachen von einem Projekt, dem man "nicht mit Freude" zustimmen könne. Isenmann erinnerte an die Maßnahmen zum Pendlerparkplatz und den Rad-Abstellplatz, die aus seiner Sicht auch bereits Aufgaben der Bahn gewesen wären und bei denen die Projektbegleitung schwierig war. "Es schmerzt, aber wir müssen diese bittere Pille schlucken."
Das sah Schaeffer anders, der sich kämpferisch gab. Jetzt 100 000 Euro auszugeben, ohne zu wissen, ob die Stadt die gesamte Baumaßnahme bezahlen könne. Während Joachim Allgaier (FW) ihm beipflichtete, befand Himmelsbach: "Nichtstun ist keine Lösung."
Bei einer Gegenstimme von Martin Schaeffer bewilligte der Gemeinderat den Beschlussvorschlag, einen Planungsvertrag mit der Bahn einzugehen.
Info: Möglicher Zeitplan
Der Antrag auf eine Aufnahme in die mögliche Förderung über das Landesgemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz läuft über das Regierungspräsidium Freiburg. Die Einreichungsfrist für einen Antrag auf Programmaufnahme ist laut Beschlussvorlage der 30. September beziehungsweise 31. Oktober 2023, eine Entscheidung über die Bewilligung wohl im April 2024. Nach dieser Entscheidung kann der Förderantrag gestellt werden. Grundsätzlich könnte so ein Baubeginn für die äußeren Aufzüge 2025 möglich sein. Beim mittleren allerdings ist mit Auswirkungen auf den Bahnverkehr von mehr als 30 Tagen zu rechnen. Solche müssen bei DB Station und Service drei Jahre vor Fahrplanwechsel angemeldet werden – bei einer realistischen Programmanmeldung 2024 läge der mögliche Baubeginn im Januar 2028. Ob die anderen Aufzüge früher gebaut werden können, muss geklärt werden.
Kommentar: Unding
Der Nahverkehr soll gegenüber dem Individualverkehr gestärkt werden und Menschen mit Einschränkungen bessere Teilhabe am Alltag bekommen: Grundsätzlich betonen Bundes- wie Landespolitiker gerne, wie wichtig und zukunftsträchtig diese Themen sind. Doch wenn es um die Umsetzung großer Projekte geht, fühlen sich kleine Kommunen wie Haslach im Stich gelassen. Dass sich ein Konzern wie die Deutsche Bahn aus seiner Verantwortung "wegduckt", wie es FW-Fraktionsvorsitzender Joachim Prinzbach formulierte, ist aus Bürgersicht ein absolutes Unding. Immerhin ist es die Infrastruktur der Bahn selbst, die verbessert wird. Dass das Land kürzlich aus einem Bundesförderprogramm genau zu diesem Thema ausgestiegen ist, klingt da wie purer Hohn. Auf die Kommunen kommen ohnehin schon schwere Zeiten zu – wie sollen sie das alles noch stemmen?