Die Auwaldzecke breitet sich in Baden-Württemberg immer mehr aus. Foto: dpa

Auwaldzecke breitet sich im Land aus. FSMW tritt immer früher auf. Gefahr für Menschen steigt durch Klimawandel.

Region - Der Winter war eigentlich immer eine zeckenfreie Zeit. Ab März oder April stieg stets die Gefahr, von den kleinen Übeltätern in Wiesen und Wäldern gestochen zu werden. Das ändert sich zunehmend. Die Zecke wird zum Stammgast. Überall.

Dermacentor reticulatus. Das klingt ein wenig nach dem großen Bruder des Terminators, jener ballernden Mensch-Maschine aus den gleichnamigen Hollywood-Blockbuster. Aber weit gefehlt. Denn hinter dem lateinischen Namen versteckt sich die sogenannte Auwaldzecke, ein kleines und dennoch nicht waffenloses braunes Krabbeltier, das vor allem für Hunde und Pferde, ein wenig aber auch für den Menschen zum gefährlichen Begleiter wird. Und das nicht nur in der bislang als Zeckenzeit bekannten Phase ab März oder April, sondern rund ums Jahr und im ganzen Land.

Zeckenaktivitt verschiebt sich zeitlich nach vorne

Denn der größte Freund der Auwaldzecke - auch Winterzecke genannt - ist der Klimawandel. Es wird wärmer. Das kommt der Buntzeckenart schon seit längerem sehr entgegen. Sie sucht im Gegensatz zu ihren seit Jahren etablierten Verwandten schon bei Temperaturen um die vier Grad aktiv nach Wirten, die sie stechen könnte. Und damit steigt das Risiko für Menschen, früher im Jahr an Erregern zu erkranken, die durch Zecken übertragen werden - etwa an Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME), auch wenn die Gefahr insgesamt noch sehr klein ist.

Die meisten FSME-Infizierten bleiben zwar beschwerdefrei. Aber in schweren Fällen kann diese Viruserkrankung zu einer Gehirnentzündung und zu einer Schädigung des Rückenmarks führen. Bis vor wenigen Jahren galt vor allem der Gemeine Holzbock (Ixodes ricinus) als Übeltäter. Inzwischen wurde das FSME-Virus nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) jedoch auch in Auwaldzecken nachgewiesen. Forscher beobachten beide.

"Wir wissen, dass FSME pro Jahr etwa 0,8 Tage früher auftritt", sagt Gerhard Dobler vom Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr (München). Die Zeckenaktivität habe sich in den vergangenen 20 Jahren um mehr als zwei Wochen nach vorne verschoben, das gelte auch nach hinten heraus. "So wird auch der Zeitraum größer, in dem FSME als meldepflichtiges Ereignis wichtig wird und von Ärzten beachtet werden sollte", warnt der Leiter der Abteilung für Virologie und Rickettsiologie.

Corona-Pandemie hat ebenfalls Einfluss auf Gefahr

Und auch die Corona-Pandemie hat etwas damit zu tun, dass die Gefahr durch die Zecken insgesamt steigt. "Bedingt durch die empfohlenen Maßnahmen zur Eindämmung von Covid-19 haben sich Menschen in ihrer Freizeit häufiger im Freien aufgehalten und hatten somit ein erhöhtes Expositionsrisiko", heißt es beim Landesgesundheitsamt (LGA) in Stuttgart.

Außerdem hat sich das Verhältnis der Nymphen – also Jungtiere – zu den erwachsenen Zecken extrem verändert. Die Anzahl der Erwachsenen-Stadien der Zecken sei zuletzt ungewöhnlich hoch gewesen, sagte eine LGA-Sprecherin. Bei ihnen ist die Durchseuchung mit dem FSME-Virus allerdings etwa fünf bis zehn Mal höher als bei Jungtieren. "Es ist davon auszugehen, dass in der zurückliegenden Zeckensaison in den bekannten FSME-Risikogebieten auch die Wahrscheinlichkeit erhöht war, von einer infizierten Zecke gestochen zu werden", hieß es beim LGA.

Das zeigt sich unter anderem auch in der Statistik: Allein aus Baden-Württemberg wurden im 2020 insgesamt 351 FSME-Fälle übermittelt, das sind mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr 2019 mit 172 Fällen.

Auwaldzecke mitterweile heimisch geworden

Mackenstedt hatte nach den ersten Funden von Hyalomma-Zecken und der Braunen Hundezecke (Rhipicephalus sanguineus) in Deutschland vor knapp zwei Jahren dazu aufgerufen, verdächtige Zecken einzusenden. So wurden nach ihren Angaben bislang rund 9000 Exemplare eingeschickt und untersucht, darunter auch Auwaldzecken. Auf diesem Weg habe sich unter anderem auch gezeigt, wie sehr diese Zeckenart mittlerweile heimisch geworden sei.

"Wir sehen, dass die Auwaldzecke vor allem im Norden eine sehr invasive Art ist", sagt auch Dobler. Sie komme ursprünglich aus dem Osten, aus Sachsen und Sachsen-Anhalt, und sei über den Westen nordwärts gezogen. Forscher gehen davon aus, dass auch schon eine FSME-Übertragung von der Auwaldzecke auf Menschen stattgefunden hat. Allerdings scheint sie für den Menschen eher nicht gefährlich zu sein. So hatten von den bei einer Sammlung der Tierärztlichen Hochschule in Hannover eingesendeten Auwaldzecken überhaupt nur 0,36 Prozent einen Menschen gestochen.

Sticht die Zecke dagegen Hunde oder Pferde, kann sie noch eine unliebsame Überraschung mit im Gepäck haben. Denn neben den üblichen Krankheiten, die von Zecken übertragen werden, ist sie Überträger der Babesiose oder "Hundemalaria", einer Erkrankung, die man früher nur aus dem Ausland kannte. Sie verursacht hohes Fieber, außerdem kann sie rasch zum Tode führen, weil sie die roten Blutkörperchen zerstört.

"Aus diesen Tatsachen müssen Tierhalter einen wichtigen Schluss ziehen", warnt Tierärztin Tina Hölscher. "Sie sollten ihr Tier ab sofort ganzjährig gegen Zecken schützen." Tierärzte seien zudem gut beraten, nun eine weitere Infektionskrankheit auf dem Schirm zu haben, sagt die Veterinärin des Vereins Aktion Tiere. Leide ein Tier an Blutarmut und hohem Fieber, sollten jetzt auch Babesiose im Blick behalten werden.