Ein Banner mit der Aufschrift "Rennen enden im Knast!" wurde im Rahmen einer Kampagne gegen illegale Autorennen angebracht. (Archivbild) Foto: dpa

Behörden sind zunehmend überfordert. Dunkelziffer wohl deutlich höher. 15 Freiheitsstrafen verhängt.

Stuttgart - Allen angedrohten Strafen und Gerichtsurteilen zum Trotz geben Autofahrer bei zahllosen illegalen Rennen auf den baden-württembergischen Straßen weiterhin Gas: Im vergangenen Jahr und den ersten vier Monaten dieses Jahres hat die Polizei im Südwesten bereits mehr als 250 illegale Autorennen registriert. Vergleichswerte für die Jahre zuvor gibt es zwar nicht, aber die Raser machen den Justizbehörden zunehmend Arbeit: Bei den Staatsanwaltschaften zwischen Konstanz und Mannheim wurden im Jahr 2018 insgesamt 155 Ermittlungsverfahren wegen illegaler Rennen geführt, ein Jahr später waren es bereits 252 und im laufenden Jahr bis Anfang Juni schon 151.

 

Bei den Rennen ging es weniger um organisierte Veranstaltungen, wie aus der Antwort des Innenministeriums auf eine Anfrage der Landtags-SPD hervorgeht. In den meisten Fällen seien die Fahrer spontan gegeneinander angetreten oder sie hätten die Flucht vor der Polizei ergriffen - auch das wird als illegales Rennen angezeigt. Am Steuer saßen vor allem deutsche Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren.

113 Geldstrafen - 15 mal Haft

Nur in vergleichsweise wenigen Fällen werden die Raser erwischt und auch zur Kasse gebeten: Laut Innenministerium wurden seit 2018 insgesamt 113 Geldstrafen verhängt und 15 Freiheitsstrafen ausgesprochen. Es gebe aber keine Anhaltspunkte, dass die Anzahl von illegalen Autorennen tatsächlich steige. Vielmehr reagierten andere Autofahrer wegen der etlichen tragischen Unfälle und Prozesse vergangener Jahre sensibler als früher und zeigten häufiger an, sagte ein Ministeriumssprecher.

Besonders beliebt ist bei Rasern die Autobahn 8. Immer wieder bremsen Autofahrer dort den Verkehr aus, um sich Platz zu verschaffen und die freie Strecke für ein Rennen zu nutzen. Im vergangenen August wurde dabei ein Dutzend Fahrer in der Nähe von Kirchheim unter Teck erwischt, drei Monate zuvor waren es sogar 18 Fahrer auf der A8 bei Merklingen.

A 81 ist beliebteste "Rennstrecke"

Auf der A81 registriert die Polizei sogar mehr Rennen als auf jeder anderen Bundesautobahn. Mit einem Tempolimit wird dort versucht, die Raser auf dem besonders betroffenen Abschnitt zwischen Engen und Geisingen auszubremsen. Die meist hochpreisigen und aufgemotzten Sport- und Luxuskarossen haben oft Schweizer Kennzeichen, weil die Fahrer wegen der hohen Strafen für zu schnelles Fahren und Autorennen im Nachbarland zum Rasen nach Deutschland ausweichen.

Für die SPD darf sich das Tempolimit nicht auf wenige Strecken reduzieren: "Mit einem generellen Tempolimit von 130 Stundenkilometern würden wir uns dieses Problem auf Autobahnen vom Leib schaffen", sagt Martin Rivoir, der Verkehrsexperten der SPD-Landtagsfraktion. "Die Hemmschwelle für Raser wäre bedeutend höher, wenn man nicht hier und da noch legal mit 200 Stundenkilometern und mehr unterwegs sein dürfte." Von Aufklärung oder Imagekampagnen hält Rivoir weniger: "Wer sich in derartiger Weise über alle Regeln hinwegsetzt und nicht nur das eigene Leben, sondern auch das Leben anderer Verkehrsteilnehmer aufs Spiel setzt, ist mit Vernunft kaum noch erreichbar."

ADAC fordert stärkeres Durchgreifen der Polizei

Dem ADAC reicht das dagegen nicht aus: "Wir gehen davon aus, dass sich Raser von den Tempolimits nicht abschrecken lassen", sagt Holger Bach, Abteilungsleiter Verkehr und Umwelt beim ADAC Württemberg. Er fordert zusätzliche und auch härtere Kontrollen auf den betroffenen Strecken.

Nicht selten wird aus dem hochtourigen Kräftemessen schmerzhafter und folgenschwerer Ernst: Seit Januar 2019 und bis April 2020 starben landesweit drei Menschen bei den Rennen, davon zwei Unbeteiligte bei einem nächtlichen Crash in Stuttgarts Innenstadt und einer in Gerlingen. Dort sollen sich im November zwei junge Männer ein Autorennen geliefert haben. Eines der Fahrzeuge kam von der Straße ab, prallte gegen eine Gartenmauer und blieb auf der Seite liegen, der 18-jährige Beifahrer starb. 21 weitere Menschen wurden bei den Rennen der vergangenen zwei Jahren verletzt.

Schärfere Strafen sind allerdings nach Ansicht von Innenminister Thomas Strobl nicht notwendig: "Gesetzgeberischer Handlungsbedarf, um illegale Kraftfahrzeugrennen härter zu sanktionieren, wird nicht gesehen", heißt es im Papier des Innenministeriums.