Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl. Foto: dpa

Auslöser sind nicht vollstreckte Haftbefehle. Innenminister lässt Vorwürfe wegen Vergewaltigungsfall nicht gelten.

Stuttgart/Freiburg- Ein schlimmes Verbrechen in Freiburg, 20 000 offene Haftbefehle im Land - Innenminister Strobl gerät unter Druck. Auch vom eigenen Koalitionspartner. Schlittert Grün-Schwarz in die nächste Krise?

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) hat die zunehmende Kritik an Polizei und seinem Ministerium im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Gruppenvergewaltigung in Freiburg zurückgewiesen. "Bis zur Stunde (...) kann ich nicht erkennen, dass hier Fehler gemacht wurden", sagte Strobl am Dienstag in Stuttgart. Es werde aber geprüft, ob alles richtig gemacht worden sei. Strobl wies auch zurück, dass Pannen vertuscht werden sollten. Das hatte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke ihm vorgeworfen und Strobls Rücktritt gefordert.

Mitte Oktober soll eine 18 Jahre alte Studentin in Freiburg nach einem Disco-Besuch von mehreren Männern vergewaltigt worden sein. Acht Verdächtige sitzen in Untersuchungshaft - sieben Syrer im Alter von 19 Jahren bis 29 Jahren und ein 25 Jahre alter Deutscher. Zwei der insgesamt acht Verhafteten waren durch DNA-Spuren überführt worden, die anderen waren laut Polizei durch Zeugenaussagen belastet worden. Die Polizei sucht inzwischen nach zwei weiteren Verdächtigen, da sie weitere Körperspuren gefunden hat.

Die Polizei und Strobl stehen vor allem in der Kritik, weil gegen den syrischen Hauptbeschuldigten ein Haftbefehl vorlag, der nicht vollstreckt wurde. Der Grünen-Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand warf Strobl Versäumnisse mit Bezug auf offene Haftbefehle im Land vor. Nach Angaben Bundesregierung waren Ende März 2018 allein in Baden-Württemberg knapp 20 000 Haftbefehle offen. Die hohe Zahl sei eine ernstzunehmende Gefahr für die innere Sicherheit, sagte Hildenbrand der "Stuttgarter Zeitung".

20.000 Haftbefehle offen

Bei der Masse der offenen Haftbefehle handelt es sich Strobl zufolge erfahrungsgemäß um nicht bezahlte Geldstrafen. Er nannte Diebstahlsdelikte, Schwarzfahren und Ordnungswidrigkeiten als Beispiele. Baden-Württemberg sei eines der sichersten Länder in der Republik, sagte der Innenminister. Die Polizei priorisiere die Haftbefehle nach der Gefährlichkeit der Personen. Wie sich die knapp 20.000 Haftbefehle aufschlüsselten, könne er aber nicht sagen. Man versuche aufzuarbeiten, wie sich die offenen Haftbefehle kategorisierten. Das werde im Augenblick nicht statistisch erfasst.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) stellte sich in dem Punkt hinter den Koalitionspartner Strobl. Er sagte, er habe Hildenbrand gebeten, "solche Fragen in Zukunft in den dafür zuständigen Gremien zu erörtern und nicht den Koalitionspartner öffentlich anzugreifen".

Strobl räumte ein, dass der Haupttäter dem Sonderstab "Gefährliche Ausländer" des Innenministeriums bereits im August 2018 gemeldet worden sei. Allerdings habe gegen ihn keine erhebliche strafrechtliche Verurteilung vorgelegen. Erst nach einer Verurteilung wäre eine Ausweisung des Flüchtlings in Betracht gekommen. Strobl bekräftigte in dem Zusammenhang seine Forderung nach einer neuen Lageeinschätzung zu Syrien für mögliche Abschiebungen. Er wolle das Thema auf der Innenministerkonferenz einbringen.

Auch die Grüne Jugend nahm Strobl am Dienstag ins Visier. "Strobl dreht völlig am Rad, wenn er fordert, dass Syriens Sicherheitslage neu eingeschätzt werden soll", betonten die Sprecher Lena Schwelling und Marcel Roth. "Syrien ist nicht sicher, deshalb darf dorthin auch niemand abgeschoben werden. Straftäter müssen hier dem Rechtsstaat vorgeführt werden."