Im Land Baden-Württemberg fehlt es an Lehrern. (Symbolbild) Foto: imago images/Michael Weber/Michael Weber IMAGEPOWER via www.imago-images.de

In Krisenzeiten wie diesen muss alles auf den Prüfstand, sagt Regierungschef Winfried Kretschmann immer wieder. Auch die Regelungen für Lehrer hat er dabei im Blick. Sein eher spontaner Vorstoß kann sich aber nicht durchsetzen.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat seinen Vorstoß für eine eingeschränkte Teilzeit von Lehrern aufgegeben und bittet nun die Schulen um Hilfe. Die Idee, wegen des Lehrermangels die Mindestarbeitszeit für Beamtinnen und Beamte in Teilzeit zu erhöhen, sei vom Kultusministerium umfassend geprüft worden, sagte eine Regierungssprecherin am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Allerdings hat die Prüfung ergeben, dass wir dadurch lediglich 80 bis 120 Deputate gewinnen würden. Deshalb werden wir die Idee nicht weiterverfolgen.“

 

Lehrerverbände kritisierten das Schreiben von Kretschmann und Kultusministerin Theresa Schopper (beide Grüne) angesichts der Belastungen durch die Ukraine-Flüchtlinge und die Pandemie scharf. Darin heißt es unter anderem: „Bitte überlegen Sie sich doch, ob Sie nicht im kommenden Schuljahr eine, zwei oder vielleicht sogar drei zusätzliche Stunden unterrichten können. Oder ob Sie Ihren anstehenden Ruhestand noch etwas hinausschieben und uns als Pensionärin oder Pensionär unterstützen können.“

Eine Stunde zusätzlich pro Woche sollte helfen

Kretschmann und Schopper argumentieren auch, eine längere Arbeitszeit könne sich beachtlich auf die Unterrichtsversorgung im Land auswirken. Unterrichte jede zweite Lehrkraft in Teilzeit eine Stunde zusätzlich pro Woche, könnten laut Schreiben im kommenden Schuljahr rund 1000 Deputate gewonnen werden. „Wir wissen, dass wir Ihnen mit unserem Aufruf einiges abverlangen“, schreiben beide weiter. Das Land benötige aber in der aktuellen Krise die Unterstützung der Lehrer. Der Brief liegt der dpa vor.

Der Vorsitzende des Philologenverbands Baden-Württemberg (PhV BW), Ralf Scholl, reagierte fassungslos auf Brief und Bitte. „Wir finden es eine Ungeheuerlichkeit, dass die nach zweieinhalb Corona-Jahren völlig erschöpften Lehrkräfte gebeten, ja beinahe angebettelt werden, für die Landesregierung die Kastanien aus dem Feuer zu holen“, sagte er der dpa. Der Dank an die Lehrkräfte sei nicht mehr als ein „Lippenbekenntnis“. Der Verband forderte, zusätzliche Stunden müssten auch bezahlt werden. „Von dem dafür notwendige Nachtrags- oder Sonderhaushalt ist aber bislang nichts zu sehen“, sagte Scholl.

Verband begrüßt Rückzug der Regierung

Für den Verband Bildung und Erziehung (VBE) begrüßte dessen Landesvorsitzende Gerhard Brand den Rückzug der Regierung. Lehrkräfte hätten sich oft aus familiären Gründen ganz bewusst für die Teilzeit entschieden und dadurch auch anteilig auf Gehalt verzichtet. „Eine erzwungene Erhöhung der Teilzeit hätte bei vielen von ihnen dazu geführt, ihren Dienst ganz niederlegen zu müssen“, sagte Brand. „Dadurch wäre das Ziel der Landesregierung konterkariert worden.“

Kretschmann hatte im April erklärt, angesichts der Ankunft von Tausenden von geflüchteten Kindern und Jugendlichen aus der Ukraine brauche das Land dringend mehr Lehrkräfte. Die Regelungen bei Teilzeit seien derzeit „sehr großzügig“, sodass vor allem viele Lehrerinnen relativ wenige Stunden unterrichteten. Eine Erhöhung der allgemeinen Wochenarbeitszeit von 41 Stunden für Landesbeamte werde aber nicht angestrebt. Gewerkschaften und Opposition hatten sich bereits damals unisono irritiert gezeigt über den überraschenden Vorstoß und diesen als wenig durchdacht bezeichnet.

Anspruch auf Teilzeit bis zu 50 Prozent

Landesbeamte haben grundsätzlich Anspruch darauf, in Teilzeit bis zu 50 Prozent zu arbeiten. Ein Antrag auf Teilzeit aus familiären Gründen, etwa weil ein Kind betreut oder ein Angehöriger gepflegt wird, kann nur abgelehnt werden, wenn zwingende dienstliche Gründe dem entgegenstehen. Die Untergrenze bei der Teilzeit ist seit einer Änderung unter Grün-Rot vor rund fünf Jahren 25 Prozent - vorher waren es noch 30 Prozent. Solche Anträge werden bei Lehrkräften individuell vom jeweiligen Regierungspräsidium geprüft.

Im Südwesten gibt es gut 110 000 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen, 52 000 arbeiten nach Angaben des Landes in Teilzeit. Vor allem in Grundschulen ist der Anteil der Lehrerinnen groß.