An Realschulen in Baden-Württemberg können Schüler auch künftig den Hauptschulabschluss machen. Foto: dpa

Realschulen haben eine besonders heterogene Schülerschaft. Dem trägt Grün-Rot mit einer Schulgesetznovelle Rechnung: Neben der mittleren Reife bietet die Schulart künftig auch den Hauptschulabschluss an. Allerdings können Schüler erst in einigen Jahren davon profitieren.

Stuttgart - Künftig können Schüler an Realschulen den Hauptschulabschluss nach Klasse neun ablegen. Ein entsprechendes Gesetz verabschiedete der Landtag am Mittwoch in Stuttgart mit grün-roter Mehrheit gegen die Stimmen von CDU und FDP. Nach den Worten von Kultusminister Andreas Stoch (SPD) wird die Realschule mit dem erweiterten Angebot als Teil des künftigen Zwei-Säulen-Systems gestärkt. Die andere Säule ist das Gymnasium. Der CDU, die sich gerne als Retter der Realschulen präsentiere, warf er einen „Angriff auf die Realschule“ vor. Denn mit der von ihr in Teilen propagierten Wahlfreiheit zwischen acht- und neunjährigem Gymnasium würden den Realschulen vor allem leistungsstarke Schüler entzogen.

Bislang ist der Hauptschulabschluss für Realschüler nur über die sogenannte Schulfremdenprüfung an einer Hauptschule möglich. Die kann aber nur derjenige machen, der die neunte Klasse wiederholt hat und erneut versetzungsgefährdet ist. Die Schulfremdenprüfung ist wegen des unbekannten Umfeldes für den Betroffenen umstritten und hat mit dem Verschwinden der Hauptschulen ohnehin keine Zukunft mehr.

Mit den neuen Bildungsplänen wird im Schuljahr 2016/17 auch die Orientierungsstufe an der Realschule eingeführt. Davon betroffen sind dann sowohl Fünft- als auch Sechstklässler. Letztere können dann als erste im Frühjahr 2020 einen Hauptschulabschluss machen. Am Ende der Orientierungsstufe wird entschieden, auf welchem Niveau die Schüler weiter unterrichtet werden. Ein Wechsel zwischen den Bildungsniveaus soll zum Ende des Schulhalbjahres möglich sein.

CDU und FDP fordern mehr pädagogische Freiheit

In der Debatte forderten CDU und FDP mehr pädagogische Freiheit für die Realschulen, darunter ein leistungsdifferenziertes Kurssystem, das auch Gymnasialniveau umfasst. Grünen-Bildungsexpertin Sandra Boser betonte, Aufgabe der Realschule sei es, zum mittleren Abschluss zu führen. Daran könne sich das berufliche Gymnasium anschließen. Der Sozialdemokrat Klaus Käppeler warnte vor neuen Schubladen, in die man die Schüler stecken wolle.

Stoch forderte die Opposition auf, zu akzeptieren, dass Schüler auch in einem Klassenzimmer in unterschiedlichen Geschwindigkeiten lernen können. Leistungsstärkere zögen Schwächere mit. Die CDU sieht durch das gemeinsame Lernen hingegen das gesamte Leistungsniveau bedroht. Die derzeit sechs und letztendlich zehn Poolstunden pro Zug für indivdiuelle Förderung seien ein „Tropfen auf den heißen Stein“, meinte der CDU-Bildungsexperte Georg Wacker. Das gelte insbesondere im Vergleich mit der aus seiner Sicht üppigen Ausstattung der Gemeinschaftsschule: „Sie strafen die Realschulen ab.“

Der FDP-Bildungsexperte Timm Kern, sprach von einem „Gemeinschaftsschultrojaner“: Mit an der Gemeinschaftsschule orientierten pädagogischen Neuerungen wolle Grün-Rot letztendlich ihren „Ladenhüter“ durchsetzen - auf Kosten der klassischen Realschule.