Foto: Bernd Mutschler

Forderung nach neuer Handhabung von Wölfen wird laut. Schafhalter und seine Frau können nachts kaum mehr schlafen.

Bad Wildbad - Der vermutete Wolfsriss in Bad Wildbad, dem 43 Schafe zum Opfer fielen, sorgt weiter für Aufregung. Bei den getöteten Tieren wurden Proben entnommen, mit denen nun nachgewiesen werden soll, ob tatsächlich ein oder sogar mehrere Wölfe für den Zwischenfall verantwortlich sind.

Einsamer Wolf unterwegs

"Wir gehen von einem einzelnen Wolf aus", sagt Ralf Heineken, der Sprecher des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg. Bislang sei nur ein Wolf in der Gegend nachgewiesen, und es gebe keine Hinweise, dass da mehrere Wölfe gerade im Begriff seien, "eine Familie zu gründen".

Zwar sei es auch das Bestreben des Wolfes, sich fortzupflanzen. Wenn er aber keine Partnerin finde, "bleibt er im Zweifel auch ein ›einsamer Wolf‹", sagt Heineken. Um möglichst schnell Klarheit darüber zu bekommen, wurde ein Eiltest der DNA-Proben angeordnet. Mit dem Ergebnis rechnet Heineken Mitte kommender Woche.

Wenn sich bei diesem Test herausstelle, so Heineken weiter, dass es derselbe Wolf ist, der bereits am 26. November in Bad Wildbad drei Schafe gerissen hat, gelte der Wolf als "resident". Das bedeute, dass er hier sein festes Revier gefunden habe und die Gegend als Wolfsgebiet ausgewiesen werde, erläutert Heineken.

Den nötigen Schutz der Herde kann der Betrieb aus eigenen Mitteln nicht stemmen

Das hat dann vor allem Auswirkungen auf die Tierhalter. "Die Schäfer haben dann andere Verpflichtungen, ihre Tiere zu schützen", sagt der Pressesprecher. Da gehöre dann auch ein Elektrozaun dazu. Hier gebe es aber auch die Möglichkeit für die Schäfer, Zuschüsse zu beantragen oder die Elektrozäune bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt Baden-Württemberg (FVA) zu leihen.

"Wir brauchen mehr Unterstützung und Geld – für mehr Personal, mit dem wir die Herden schützen können, und für Hochsicherheitszäune", sagt der betroffene Schafhalter Gernot Fröschle. Den nötigen Schutz der Herde könne der Betrieb aus eigenen Mitteln nicht stemmen. "Das geht uns absolut an die Existenz." Daran ändere auch eine Entschädigung für die getöteten Tiere nichts.

Finanzielle und psychische Belastung enorm

Der betroffene Betrieb in Bad Wildbad kämpft nun an allen Fronten, die mögliche Entschädigung von durchschnittlich zwischen 150 und 200 Euro pro getötetem Mutterschaf sei völlig nachrangig, sagte Fröschle. Neben allen jetzt auf den Hof zukommenden praktischen Herausforderungen sei auch die psychische Belastung enorm.

"Wir können nachts kaum schlafen, es kann natürlich sein, dass der Wolf noch in der Gegend ist", sagte Fröschles Frau Karen. Aufgeben aber komme erst mal nicht infrage. "Wir hoffen, dass wir endlich ernstgenommen und gehört werden", fügte Fröschle hinzu.

Andre Baumann, Staatssekretär im Umweltministerium des Landes, machte sich am Nachmittag vor Ort ein Bild von den Schäden. "Ich weiß, dass so ein Angriff die Existenz eines Betriebs gefährden kann", räumte Baumann ein, betonte aber, dass der Angriff auch nicht verhindert worden wäre, wenn der Wolf unter dem sogenannten Jagdrecht gestanden hätte: "Dem Wolf ist es herzlich egal, welches Recht für ihn gilt."

Bis zum Wochenende sei der Wolf in Baden-Württemberg nur eine Randerscheinung gewesen, meinte Klaus Lachenmaier von der Geschäftsstelle des Landesjagdverbandes Baden-Württemberg. "Der Wolf wandert ein, ob wir es wollen oder nicht", vielleicht seien ja auch bereits mehrere Wölfe da", sagt er und fordert, den Wolf in das Jagd- und Wildtiermanagementgesetz aufzunehmen.

Dies bedeute aber nicht, so Lachenmaier weiter, dass er automatisch bejagt werde. Es gebe auch für andere Tierarten ganzjährige Schutzzeiten. Er regte an, nun die zweite Stufe des Handlungsleitfadens "Die Rückkehr des Wolfes" anzugehen.

Im Südwesten waren noch nie so viele Schafe getötet worden, seit das Raubtier hier wieder gesichtet wurde. Bundesweit betrachtet handele es sich aber nicht um die meisten je von einem Wolf gerissenen Schafe, sagte eine Sprecherin des Umweltministeriums Baden-Württemberg. In Sachsen etwa seien einmal rund 70 Tiere von einem Wolf getötet worden.

Ministerium fordert, endlich zu definieren, ab wann das Tier zum Problem wird

Den Wolf ins Jagdrecht zu nehmen, wie es unter anderem das Landwirtschaftsministerium und die Jäger wollen, sei keine Option. "Dann bräuchten wir trotzdem eine Ausnahmegenehmigung."

Einen Wolf zu schießen, sei aufgrund des Bundesnaturschutzgesetzes und europäischer Verordnungen verboten. Mit einer Sonderregelung im Jagdrecht könne man durchaus einen Wolf schießen, sagte hingegen eine Sprecherin des baden-württembergischen Landwirtschaftsministeriums. Dies werde beispielsweise auch in Sachsen so gehandhabt. "Wir müssen endlich definieren, ab wann ein Wolf zum Problem wird", sagte sie.

Der Fall aus Bad Wildbad zeige nun exemplarisch, dass gehandelt werden müsse. Der sogenannte Blutrausch, in den das Raubtier bei einer Attacke verfallen kann, sei für sich genommen aber noch kein auffälliges Verhalten, betonte erneut Johannes Erretkamps, Tierökologe bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt BW in Freiburg. Das Raubtier jage, solange sich noch etwas bewegt.

Info: Herdenschutz unmöglich

Werner Räpple, Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV), äußerte sich in einer Pressemitteilung zur Wolfsattacke in Bad Wildbad. Das tragische Ereignis zeige, "dass Herdenschutz mit Hunden und Zäunen in Baden-Württemberg nicht flächendeckend möglich" sei.

Wolfsrisse könnten nur verhindert werden, wenn man den Wolf nachhaltig vergräme (das heißt: dauerhaft verscheuche) und ihn von Weidetieren fernhalte: "Gelingt das nicht, müssen auffällige Wölfe auch geschossen werden dürfen." Räpple fordert, dass man damit aufhören solle, unrealistische Schutzmaßnahmen schönzureden.

Jetzt müssten praktikable Lösungen umgesetzt werden. Bei der Entschädigung des Schafsbetriebs müsse berücksichtigt werden, dass auf diesem Standort keine "wolfssichere" Umzäunung möglich gewesen sei.