Volker Tosta (rechts) zusammen mit dem Leiter der Festspiele "Rossini in Wildbad", Jochen Schönleber. Foto: Bechtle Foto: Schwarzwälder-Bote

Mathematiker interessiert sich schon als Kind für klassische Musik / Ungewöhnliche Kombination

Von Götz Bechtle

Bad Wildbad. Nachdem das Rossini-Festival 2015 beendet ist, muss man einen Mann vorstellen, dessen Name den meisten Menschen unbekannt ist: Volker Tosta. Er ist 58 Jahre alt, lebt in Stuttgart und arbeitet in der IT-Industrie als Mathematiker. Und er hat eine nicht berufsbezogene Leidenschaft: Er sucht alte Opern.

Er bekennt durchaus, dass es etwas ungewöhnlich ist, wenn ein Mathematiker sich auf Opernsuche begibt. Aber schon als Junge hat er sich für klassische Musik interessiert. Während seines Mathematikstudiums absolvierte er zusätzlich ein Studium der Musikwissenschaft, das er für sein Hobby benötigte. Sein Credo: Es wurden mehr als 40 000 Opern von allen möglichen Musikern komponiert, aber die Musiktheater und Opernhäuser beschränken sich auf eine relativ kleine Auswahl, die natürlich vor allem publikumswirksam sind. Also steckt bis heute eine riesige Zahl von Opern in irgendwelchen Archiven, und da gilt es zu suchen.

Bei "Il vespro siciliano," einer Oper des Stuttgarter Musikdirektors und Hofkapellmeisters Peter Joseph von Lindpaintner (1791-1866), half ihm das Verzeichnis der Stuttgarter Landesbibliothek weiter. Schließlich wurde die Oper seit mehr als 150 Jahren nicht mehr gespielt, aber sie war noch im Archiv. Allerdings nur als Partitur. So bezeichnet man eine Aufzeichnung mehrstimmiger Musik in Notenschrift, bei der die einzelnen Stimmen übereinander angeordnet und mit senkrecht durchlaufenden Taktstrichen verbunden sind. Dadurch kann der Orchesterleiter den Verlauf der Einzelstimmen, deren Koordination und die Zusammenklänge ablesen sowie das musikalische Geschehen überblicken. Eine Partitur ist deshalb für das einzelne Instrument nicht geeignet.

Tosta bearbeitete die vor rund einem Jahr wiedergefundene Partitur von Lindpaintners "großer heroischer Oper mit Tanz in vier Akten," um die Notenfolge für jedes Instrument separat aufzuzeichnen.

Dies war eine überaus umfangreiche Arbeit, wozu er mehr als 200 Stunden benötigte. "Ich korrigierte auch Fehler, die in der Partitur vorhanden waren," meint Tosta, der darauf hinweist, dass Lindpaintner rund 400 musikalische Werke geschaffen hat.

Und dies führt nun zu dem heute fast unbekannten Komponisten Peter Joseph von Lindpaintner, der in Koblenz geboren wurde.

Lindpaintner kam nach siebenjährigen Tätigkeit als Musikdirektor in München im Jahr 1819 nach Stuttgart, wo er als Hofkapellmeister das dortige Opernorchester zu einem der besten in Deutschland machte, das dadurch weit über Württemberg hinaus bekannt wurde.

Allein 21 Opern komponierte Lindpaintner, dazu zahlreiche Ballette, Symphonien und Konzerte, Kammermusik, Messen und Oratorien. Dazu gehört auch die beim Wildbader Rossini-Festival als moderne Erstaufführung der Neuzeit gespielte "große Oper Il vespro siciliano."

Es ist ein monumentales Werk, das in vollem Umfang mit Ballett und szenischer Inszenierung sicherlich den Rahmen des Festivals gesprengt hätte. Deshalb wurde die konzertante Aufführung gewählt, die allerdings manchem Zuhörer durchaus Verständnisprobleme bereitete, zumal insgesamt 18 Gesangssolisten mitwirken.

Trotzdem wurde diese Oper, die übrigens teilweise während der "Sommerfrische" Lindpaintners in Wildbad entstand, ein besonderer Erfolg des diesjährigen Festivals, das laut Rossini-Veranstaltern einen großen Zuwachs an Besuchern hatte.