Der Haupteingang der Stadtkirche ist bis auf Weiteres gesperrt, nachdem sich Teile eines Gesimses am Turm gelockert hatten und auf den Kurplatz fielen. Foto: Schabert

Stück von Turm löst sich und fällt auf Kurplatz. Brocken landen auf Boden rund um Zugang.

Bad Wildbad - Mancher schaute gestern ganz ungläubig: Der Zugang und ein ganzes Stück um die Treppe vom Kurplatz in der Bäderstadt zur evangelischen Stadtkirche ist gegenwärtig abgesperrt. Die Spuren machen deutlich warum: Steinschlaggefahr! Am Kirchturm ist an einem Gesims ein Stück ausgebrochen. Die Brocken haben sich auf dem Boden um den Zugang verteilt.

 

Passiert ist zum Glück keinem Passanten etwas, wie Samuel Mostroph vom Bauhof der Stadt Bad Wildbad berichten konnte. Er wurde am Sonntagabend kurz nach 21 Uhr von der Calwer Rettungsleitstelle über das Geschehen informiert. Vor Ort war auch die Polizei, als er ankam. Gemeinsam sahen sie sich die Bescherung an und legten fest, dass die jetzt vorhandene Absperrung vorgenommen werden muss. Unterrichtet wurde auch Pfarrer Gottfried Löffler. "Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn dies zu Beginn oder Ende des Abendgottesdienstes um 18.30 Uhr passiert wäre", resümierte Mostroph.

Die Kirche ist nach wie vor zu den üblichen Zeiten geöffnet und der Zutritt über den Seiteneingang möglich.

Der Kirchturm ist insgesamt 43 Meter hoch und wurde 1749 fertiggestellt. Das Gotteshaus war schon im Jahr davor eingeweiht worden. Aber das rasche Bauen im Auftrag des württembergischen Herzogs Karl Eugen hatte wohl dazu geführt, dass teils nicht fachgerecht gearbeitet wurde. Schon am 29. November 1748 stürzte der Turm ein. Auch damals gab es glücklicherweise keine Verletzten oder gar Toten. Notwendig geworden war der Kirchenneubau infolge des Stadtbrandes am 7. Juli 1742.

Raub der Flammen

Nicht nur die damals sogenannte Obere Stadtkirche war ein Raub der Flammen geworden. Auch viele Häuser waren niedergebrannt. Den Wiederaufbau leitete im Auftrag des Herzogs der Baumeister, Major und Oberbaudirektor von Leger. In seinem Büchlein "Wildbad von A bis Z" schreibt dazu der Heimatforscher Götz Bechtle: "Leger legte seiner Grundrissgestaltung im Zeitalter des ausgehenden Barock und des beginnenden Klassizismus eine geometrische Figur, das Oval, zugrunde. Die äußere Form des Hauses und die Fassade blieben noch im Stil des verklingenden Barock, doch statt der starken dynamischen Bewegtheit wählte er schon ruhigere und einfachere Formen."

Grundsteinlegung war am 15. Oktober 1746. Die in der Feuersbrunst zerstörte Vorgängerkirche war das Ergebnis eines Umbaus durch den berühmten württembergischen Hofbaumeister der Renaissance, Heinrich Schickhardt, gewesen. Er hatte das Gotteshaus zwischen 1623 und 1628 gestalten lassen. Umfangreiche Renovierungen des heutigen Bestands wurden 1925, 1952 und 1987/88 durchgeführt. Allein die letzte große Sanierung hat 3,3 Millionen D-Mark verschlungen. Damals wurden vor allem auch Baumängel an verschiedenen Stellen, bis hin zu solchen am 1746 entstandenen schlechten Fundament, behoben.

Neben der Oberen Stadtkirche gab es früher noch die evangelische Vorstadtkirche. Diese wurde 1744 abgetragen. Sie stand ungefähr an der Stelle, wo heute das Wohn- und Geschäftshaus talwärts neben dem Technischen Rathaus zwischen Wilhelm- und Bismarckstraße in die Höhe ragt. Zwar war sie vom Stadtbrand 1742 nicht betroffen, aber laut alten Berichten in Verfall geraten. Die Steine landeten aber nicht irgendwo, sondern vor Ort in dem Wildbader Schulhaus, das heute die Bauverwaltung beherbergt. Talwärts erstreckte sich in alter Zeit neben der Kirche auch der Friedhof.