Das gefiel den Ansichtskartenschreibern von 1896: Wildbad in einer Muschel. Auf dem Bild ist eine "Partie bei der Trinkhalle" zu sehen. Fotos: Bechtle Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Postkarten wurden früher ortsentsprechend verziert, um die Wichtigkeit hervorzuheben

In Zeiten von E-Mails, digitaler Fotografie und WhatsApp ist die gute alte Ansichts- oder Postkarte fast ganz aus der Mode gekommen.

Bad Wildbad. Während früher der Gruß von fernen Orten zum festen Urlaubsprogramm gehörte und natürlich auch von den Bekannten und Verwandten erwartet wurde, macht man heute ein Foto mit dem Handy, das man sofort seiner WhatsApp-Gruppe "appt", womit man schnell, mühe- und nahezu kostenlos kund tut, wo man ist, was man treibt und natürlich auch, was man isst.

Um im Urlaub Ansichtskarten auszuwählen, zu überlegen, welche man Opa Wilhelm oder Cousine Anna schickt, diese Ansichtskarten zu adressieren, zu beschriften, Briefmarken zu kaufen und schließlich – vor allem in südlichen Ländern – den richtigen Postbriefkasten zu finden, braucht man Mühe und Zeit. Und häufig ist man heute bereits vom Urlaub wieder zu Hause bis die abgesandten Ansichtskarten auch ankommen. Hatte man denn früher im Urlaub mehr Zeit? Oder ist es heute einfach bequemer, nur noch digital zu funktionieren?

Beim Schreiben von Ansichtskarten sollte man sich darüber im Klaren sein, dass der Empfänger sich über solche Nachrichten freut, weil man an ihn denkt und man sich für das Schreiben auch Zeit nimmt. Eine Schwierigkeit gibt es allerdings inzwischen beim Ansichtskartenschreiben: die Auswahl an Ansichtskarten hat sich in den letzten Jahren überall verringert, und irgendwann wird es vielleicht keine mehr geben.

Vor 130 begann die Zeit der ersten Ansichtskarten

Ein Schritt zurück um etwa 130 Jahre: Es war die Zeit der ersten Ansichtskarten, die nur auf der Bildseite beschriftet werden durften, die Empfängerseite musste für den Versand frei bleiben, denn die Post stempelte nicht nur Datum und Zeit der ausgehenden Post, sondern umgekehrt auch den Posteingang am Bestimmungsort. Erst 1906 gab es auf der Empfängerseite mehr Platz, den man dann beschriften konnte

Die Bildseite zeigte nicht, wie später üblich, nur eine Landschaft, eine Stadtansicht oder ein bestimmtes Gebäude, sondern wurde ortentsprechend verziert oder geprägt, sozusagen um das Besondere des Ortes und dessen Wichtigkeit hervorzuheben. Das ging so weit, dass in einer geöffneten Muschel eine Ansicht von Wildbad zu sehen war. Nicht gerade typisch.

Da der Fotodruck, besonders koloriert, noch zu schwierig und vor allem zu teuer war, fertigte man entsprechende Stahlstiche an, die täuschend echt wie Fotos wirkten. Andererseits dauerte damals bei Fotos die Belichtungszeit oft bis zu mehreren Sekunden, und so konnten sich bewegende Personen nicht auf dem Foto sein, sie wären sonst unscharf abgebildet worden. Bei den sogenannten Cabinet-Fotos von Familien, diese gab es bereits ab etwa 1840, wurden die Personen oft von hinten gestützt, damit sie sich nicht bewegten, vor allem wenn Kinder dabei waren. Dies konnte man bei Außenaufnahmen nicht machen, deshalb wurden die Fotos anschließend "bevölkert", das heißt, man retuschierte Personen oder Gruppen in das Bild ein, das dann ziemlich echt wirkte. Oft stimmten allerdings die Größenverhältnisse nicht, oder die gleichen Gruppen kamen auf unterschiedlichen Ansichtskarten vor.

Ganz erstaunlich war die Geschwindigkeit, mit der die Ansichtskarten von der Post befördert wurden, was man durch den Ausgangs- und Eingangsstempel noch heute feststellen kann. So wurde beispielsweise eine Karte aus dem Jahr 1894 am 28. Juli, zwischen zehn und elf Uhr abends in Wildbad gestempelt und am 29. Juli in Nürtingen zwischen ein und zwei Uhr nachmittags wiederum mit einem Eingangsstempel versehen, und selbstverständlich bei der Nachmittagszustellung ausgetragen. Zweimal täglich wurde die Post zugestellt, und vor allem in Großstädten gab es sogar drei Postzustellungen täglich. Und das Postkartenporto im Inland war niedrig: Fünf Pfennig!

Der Grund für diese in der damaligen Zeit ungewöhnlich rasche Postbeförderung lag an der sogenannten Bahnpost. In den Reichsbahnzügen gab es spezielle Bahnpostwagen, in denen während der Fahrt die Post bearbeitet und sortiert wurde. Die Briefpost und natürlich die Postkarten wurden in spezielle, ortsbezogene Briefbeutel "eingetütet" und beim Bahnhofshalt an Bahnpostbeamte übergeben. Bei der Durchfahrt von Bahnhöfen, warf man damals sogar die Briefbeutel an bestimmten Stellen, wo Bahnpostmitarbeiter standen, aus dem fahrenden Zug, was nicht immer "unfallfrei" verlief, schließlich durften die Briefbeutel bis zu sechs Kilogramm schwer sein. Der Bahnpostbetrieb wurde übrigens erst 1997 eingestellt.

Bilder von längst verschwundenen Gebäuden sind beliebt

Während man früher alle erhaltenen Ansichtskarten sammelte, natürlich der ganzen Verwandtschaft zeigte oder in Ansichtskarten-Alben einklebte, ähnlich Briefmarken, sammelt man heute themenbezogene Ansichtskarten, also lustige und witzige Karten, Naturschönheiten, Besonderheiten, natürlich Ansichtskarten von Künstlern, oder anderen wichtigen oder unwichtigen Personen, frühere Ansichten von Städten, die bisweilen höchst interessant sind, da man bei genauem Betrachten oft Dinge entdeckt, die man bei flüchtiger Ansicht gar nicht bemerkt hätte. So sind etwa auf retuschierten Karten vor dem ehemaligen Katharinenstift zwei Gruppen mit Trachten zu sehen, die es in Wildbad nie gab.

Von Sammlern begehrt sind besonders alte Ansichtskarten mit Baulichkeiten, die inzwischen verschwunden sind, wie etwa die Alte Trinkhalle, die um 1878/79 errichtet wurde.