Heimatgeschichte: Zahnstocher weisen den Weg / Von Milch- und Thermalwasser-Trinkkuren / Ältere Wildbader erinnern sich

Es war fast ein Bruch mit der Tradition, als vermutlich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bäderstadt die Abfüllung von Wildbader Tafelwasser startete. Denn in dem 1883 erschienenen Buch, "Das Wildbad im württembergischen Schwarzwald" von Wilhelm Renz steht, dass hier das Teinacher Mineralwasser gewissermaßen zu Hause war.

Bad Wildbad. Auf Seite 230 seines Büchleins hält Renz fest, dass das Thermalwasser als Trinkkur empfindlichen Patienten auf den Magen geschlagen sei. Wörtlich heißt es weiter: "Statt des Thermalwassers wurde (seit der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts) zuweilen nur Teinacher Wasser getrunken."

Dies sollte sich dann zumindest für einige Zeit ändern. Wieder darauf gestoßen ist erst jüngst Maria Arp, als sie eine kleines Schächtelchen mit Zahnstochern fand, die offensichtlich als Werbegeschenk dienten. Auf der Papierverpackung der spitzen Hölzchen steht: "Wildbader Tafelwasser". Darunter ist zu lesen: "wohlschmeckend und bekömmlich". Maria Arp, die in den 1950er-Jahren mit ihrer Familie im einstigen Hotel Klumpp wohnte, weiß noch, dass es in einem Teil des Erdgeschosses eine Abfüllanlage gab.

Auch der Heimatgeschichtsfreund Rolf Bott erinnert sich an den Durststiller aus der Stadt. "Bis Mitte der 50er-Jahre musste ich im ehemaligen Hotel Klumpp für meinen Chef den Sprudel holen", hat sich aus seiner Lehrlingszeit eingeprägt. Auf dem Platz, wo Ecke Straubenberg-/König-Karl-Straße das "Wildbader Tafelwasser" in den Flaschen landete, steht heute die Sana-Klinik.

Wasser aus der Quelle am Auchhalder Brunnen

Aus welcher Quelle das Wasser kam, konnte der Enztal-Geschichtsexperte Götz Bechtle beisteuern. Er weiß, dass das beidseitig der Enz gelegene Hotel Klumpp eine Leitung vom Auchhalder Brunnen her hatte. Dieser lieferte über die große Distanz reines Quellwasser. Eigentlich wurden damit die Aufzüge als für ihre Zeit modernste technische Einrichtung betrieben. Schon 1901 sind diese in einer Anzeige als "2 hydraulische Personenaufzüge" erwähnt. In schwieriger Zeit besann man sich dann zusätzlich wohl auf die anderweitige Nutzung des Wassers.

Der Nachfolger von Renz als Badearzt, Wilhelm Josenhans, verfasste ein ähnliches Werk wie dieser und berichtet darin 1901 über Trinkkuren mit Mineralwasser und Milch. Ältere Wildbader erinnern sich noch an das von ihm beschriebene "Häuschen im nordischen Stil" zwischen den Kuranlagen und der Kernerstraße. Dort konnte morgens und abends "während der ganzen Saison ein Glas (ein viertel Liter) kuhwarme Milch für 10 Pf." erworben werden. Zum gleichen Preis wurden gekochte und kalte Milch angeboten.

"Eine reiche Auswahl von Mineralwässern ist in der Dr. Metzger’schen Hofapotheke bzw. in dem in der Trinkhalle aufgestellten Buffet in frischer Füllung stets vorhanden", heißt es über das Wasserangebot zur vorletzten Jahrhundertwende. Ein Stück danach schreibt Josenhans: "Ein als Tafelgetränk sehr beliebter Säuerling, in allen Gasthäusern zu haben, ist das Teinacher Wasser." An drei Trinkbrunnen wurden vor 120 Jahren dennoch "von morgens 5 Uhr bis abends 8 Uhr" Wildbader Thermal-Trinkkuren verabreicht. Den Brunnendienst versahen jeweils zwei angestellte Mädchen.

(hms). Von den vor 120 Jahren angebotenen Trinkbrunnen laut Aufzeichnungen von Badearzt Wilhelm Josenhans kann die Anlage des Eberhardsbrunnens "an der Nordseite des großen Badgebäudes" am Kurplatz bis heute besichtigt werden. Hier spendeten "zwei östliche Röhrenpaare (näher dem Badhotel)" 27 Grad warmes Thermalwasser, die beiden westlichen wärmeres mit 24 Grad und die "zwei mittleren kaltes Trinkwasser". In der Trinkhalle, die gegenüber vom Quellenhof auf der gleichen Enzseite stand, gab es den Königsbrunnen mit "einem Wasser von über 27 Grad." Einen dritten Trinkbrunnen bot – wie auch heute noch zur Selbstversorgung – das König-Karls-Bad, wo damals eine wie auch immer gestaltete "Einrichtung zum Gurgeln mit dem nahezu 28 Grad warmen Wasser bestand."