Andreij Iljin (sitzend links) und Klaus Mack beim Eintrag in das Goldene Buch, umrahmt von Besuchern und Gastgebern. Foto: Bechtle Foto: Schwarzwälder Bote

Soziales: Delegation aus Russland zu Gast in Bad Wildbad

Bad Wildbad. Gatschina ist eine Stadt in der Oblast (Gebiet) Leningrad in Nordwest-Russland, etwa 45 Kilometer südlich von Sankt Petersburg. Und Gatschina ist seit 1992 eine der sechs Partnerstädte von Ettlingen. Nun besuchte eine Delegation auch Bad Wildbad.

Ins Leben gerufen wurde diese Partnerschaft auch durch die Ettlinger Polizei. Deren Leiter Günter Cramer, damals noch im aktiven Dienst, hatte 1994 in Kontakten mit der russischen Miliz – so nannte sich damals die russische Polizei – erfahren, dass die Not der Bevölkerung immens sei, sodass manche Menschen Schweinefutter aßen, um nicht zu verhungern.

Rasch gründete sich nach einem Benefizkonzert des Polizeimusikkorps Karlsruhe und einem nachfolgenden Hilfeaufruf Cramers die "Aktionsgemeinschaft: Die Polizei hilft".

Der Aufruf hatte in Ettlingen und Umgebung einen Riesenerfolg. Von alten, aber noch intakten Schultischen bis zu medizinischen Geräten, Medikamenten, Kleidung und natürlich Lebensmitteln sowie Geld wurde so viel gespendet, dass mehrere Lastzüge nach Gatschina fuhren, um dort die gespendeten Sachen weiterzureichen, wobei das Sozialamt sowie die orthodoxe Kirche die Verteilung leiteten, sodass wirklich Bedürftige in den Genuss der gespendeten Dinge kamen.

Sigrid Licht, sie war längere Zeit an der Bad Wildbader Landesakademie als Referentin tätig, war bereits beim ersten Transport dabei. Sie lernte Russisch und machte den Lastwagen-Führerschein, um bei den folgenden Transporten selbst zu chauffieren. Sie sah bei den Aufenthalten dort die bittere Not und ist bisher neben dem Vorsitzenden Cramer als Schriftführerin gleichzeitig die Verwalterin der Patenschaften, die bereits von Menschen in und um Ettlingen regelmäßig Geld für ihre Patenfamilie spenden. Die Spenden gehen an schwer kranke und behinderte Kinder und Jugendliche, pflegebedürftige, alleinstehende ältere Menschen sowie an Familien, die in echter Not sind, außerdem an Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser und Sozialstationen.

Sehr interessiert an dieser ungewöhnlichen, aber wichtigen Hilfe ist auch der für Gatschina zuständige Vorsitzende des Land- und Kreisrats Andreij Iljin, heute Regierungspräsident des Landkreises Gatschina in der Oblast Leningrad.

Iljin weilte nun für einige Tage in Ettlingen und wurde zusammen mit den sechs Mitreisenden von der Bad Wildbader Familie Annemarie und Wolfgang Kienzler, die im Mai 2018 ebenfalls in Gatschina weilten und einen Eindruck von den Hilfsmaßnahmen aus Ettlingen bekamen, zu einem Bad-Wildbad-Tag eingeladen. Mit dem Regierungspräsidenten waren auch dessen persönliche Referentin, der Stadtrat und Direktor einer Lebensmittelkette, die Vorsitzende der Russisch-Deutschen Gesellschaft in Gatschina, eine weitere Dame, deren Familie eine große Kartonagenfabrik besitzt, die Assistentin des Generaldirektors eines Internetproviders sowie der Tenor und frühere Bauingenieur Wladimir Maier mitgekommen, der bereits vor einigen Jahren in der Landesakademie als Gast weilte. Mit nach Wildbad kamen von deutscher Seite der Vereinsvorsitzende Cramer, seine Schriftführerin Licht sowie zwei Mitglieder des Vereins "Die Polizei hilft."

Wenn solch hochkarätiger Besuch angesagt ist, muss sich auch der Bürgermeister zeigen. Klaus Mack freute sich bei der Begrüßung der Gäste im Sitzungssaal des Rathauses über diese Begegnung und gab einen kleinen Einblick in die Struktur der Stadt. Cramer stellte seinerseits die Arbeit der Aktionsgemeinschaft "Die Polizei hilft" vor, wobei Licht ins Russische übersetzte. Für ihren Einsatz über viele Jahr hinweg wurde Licht vor zwei Jahren mit dem Bundesversdienstkreuz ausgezeichnet, was nur nebenher zu erfahren war.

Dank an Organisatoren

Iljin bedankte sich beim Bürgermeister und bei den Organisatoren des Wildbad-Tags. Er freue sich, dass die Freundschaft mit Deutschland durch diese humanitäre Hilfe zustande gekommen sei, und zwar nicht nur zwischen der deutschen und der russischen Polizei, sondern auch zwischen vielen deutschen und russischen Familien. Als Dankeschön überreichte Iljin einen Bildband über Gatschina sowie eine Wanduhr mit dem Wappen von Gatschina.

Mack seinerseits überreichte dem Regierungspräsidenten ein Buch über Bad Wildbad. Selbstverständlich gehört zu solch hohem Besuch auch der Eintrag in das "Goldene Buch" der Stadt, den Iljin, umrahmt von seinen Begleitern, gerne vornahm.

Ein von der Familie Kienzler vorbereitetes schwäbisches Vesper stärkte alle russischen und deutschen Gäste. Nach dem Rathausbesuch ging es dann mit der Bergbahn auf den Sommerberg, wo man den Baumwipfelpfad und die Hängeseilbrücke besuchte, bevor alle mit einem Besuch bei Familie Kienzler den Wildbad-Tag abschlossen. Allen Gastgebern dankte "offiziell" Iljin, der dabei zum Ausdruck brachte, dass solche Begegnungen auf beiden Seiten Vorurteile ab- und positive Beziehungen aufbauten.