Im heute nicht mehr als solches genutzten Forsthaus in der Olgastraße tat von 1933 bis 1947 der spätere Forstpräsident Otto Wulz Dienst, der auf 46 Schreibmaschinbenseiten "Erinnerungen an Wildbad und das Ende des Dritten Reichs" hinterließ. Foto: Schabert

Kriegszeit: Aufzeichnungen des Forstamtsleiters und späteren Forstpräsidenten Otto Wulz geben Einblick

Bad Wildbad - "Erinnerungen an Wildbad und das Ende des Dritten Reichs" lautet der Titel einer 46-seitigen, maschinengeschriebenen Abhandlung, die Wolfgang Treiber in Kopie einige Zeit nach Bezug seiner Wohnung in der Alten Steige beim Aufräumen auf dem Dachboden fand. Ein Zeugnis aus vergangener Zeit. Mit Interesse las er den von Otto Wulz verfassten Schriftsatz, der ein brisantes Stück Zeitgeschichte fürs Enztal schildert. Die Region blieb von den Fängen des Krieges keinesfalls verschont.

Der Autor war von 1933 bis 1947 Leiter des Forstamts in der Olgastraße. Zunächst in den Krieg geschickt, kehrte er 1942 auf seinen Posten zurück. Neben seiner eigentlichen Behörde hatte er die Forstämter Hofstett, Enzklösterle und Simmersfeld zu versorgen. Gegen Ende des Kriegs wurde er zum Führer der 1. Wildbader Volkssturmkompanie ernannt, obwohl ihn der benachbarte Oberlehrer und stellvertretende NS-Ortsgruppenleiter gegenüber dem Kreisleiter als politisch unzuverlässig bezeichnete. Gemeinsam mit gleichgesinnten im Enztal ging Wulz den für ihn gefährlichen Weg, mit dem letzten Aufgebot schlecht ausgerüsteter Wehruntauglicher, Alter und Jugendlicher ernsthafte Einsätze zu verhindern.

Im Ruhestand schrieb Wulz 1970 nach Notizen, Dienstbüchern und Erinnerungen das Geschehen während seiner Zeit in der Bäderstadt nieder. Das erste Kapitel befasst sich mit "Wildbad im letzten Kriegsjahr". Da ist von unvorsichtigen Äußerungen die Rede, als in einer der gelegentlichen geselligen Kollegenrunden im Waldhorn in Enzklösterle die Kunde kam, dass mit dem Attentat auf Hitler am 20. Juli etwas schief gegangen sei. Es ist beschrieben, wie sich in dem Kreis mit durch die Äußerung in "tumber Unschuld" der Frau des Herrenalber Forstmeisters und NS-Ortsgruppenleiters die gelöste Stimmung verdüsterte, als sie ihren Mann fragte: "Du Pfize, was sagst denn Du, der Ottole glaubt nicht mehr an den Endsieg!" Zum Glück sei der Chorgeist der Forstleute stark genug gewesen, nichts weiterzutragen, sonst hätte am Forstamt in der Olgastraße wohl die Gestapo an die Tür geklopft.

"Ich lag lesend auf der Couch als plötzlich die Bomben fielen"

Wörtlich schreibt Wulz: "Bis zur Landung der Alliierten in der Normandie […] war Wildbad von den Schrecken des Krieges verschont geblieben, […] mehr und mehr zur Lazarettstadt geworden. Kurz vor Kriegsausbruch war noch das Luftwaffenlazarett [später Bundeswehrkrankenhaus, heute Johanneshaus], fertig geworden, das nun wie alle übrigen Lazarette überfüllt war. Die Zahl der Verwundeten und Kranken war größer als die der Zivilbevölkerung, und darunter waren Hunderte von Schwerst-Verwundeten. […] Seit September hörte man abends und morgens vom Hochsitz aus das Gewummer der Artillerie von Woche zu Woche deutlicher. […] Wildbads Gaststätten und Pensionen füllten sich mehr und mehr mit Etappenstäben aus dem Westen. Darunter war auch der Regimentsstab eines Luftnachrichtenregiments, der einige Zeit zuvor noch in der Gegend von Bordeaux gelegen hatte. Dem Kommandeur fiel tatsächlich nichts Besseres ein, als am Sonntagnachmittag auf dem Wildbader Fußballplatz ein Freudschaftsspiel mit irgend einer anderen Einheit austragen zu lassen, bis mittendrin ein Jabo [Anmerkung: Jagdbomber] auftauchte und mit einigen Feuerstößen dem Spuk ein Ende machte. Anschließend ließ er nicht weit vom Kurhaus einige Bomben fallen, die das Wohnhaus der Schlosserei Lipps zerstörten, wobei es auch einige Tote gab. Ich hatte lesend auf der Couch gelegen, als die Bomben fielen, und war nach unten gerannt, [Ehefrau] Helga kam eben zur Haustür herein, da merkten wir auch schon, daß die Gefahr bereits vorüber war. Aber beide hatten wir Angst um [die Töchter] Lisbeth und Ulla, die zu einer Filmvorführung ins Kurhauskino gegangen waren. […] Helga und ich waren wesentlich aufgeregter als sie. Die Erklärung lag darin, daß der Krach der Bombeneinschläge genau in die laufende Wochenschau hineingepaßt hatte, so daß sie gar nicht mitbekommen hatten, was um sie her vorging."

Eindrücke über den Einmarsch der Franzosen

Von 70 Ostarbeitern aus der Ukraine allein auf dem Lehmannshof berichtet unter anderem das Kapitel "Die Fremdarbeiter und die Kriegsgefangenen", wo auch unsinnige Aufträge zum massenhaften Holzeinschlag und deren Erbringung mit Berufsfremden geschildert werden. Eindrücke über den Einmarsch der Franzosen. wie sich das Forstamt zum geheimen Schutzziel für Vergewaltigungen fürchtende Frauen entwickelte und wie eingebettet in das reichsweite Geschehen sich das Leben nach dem Zusammenbruch in Wildbad ganz langsam zur Normalität hin entwickelte ist im vierten Kapitel, "Die letzten Stunden des Dritten Reichs", zusammengefasst.

Das Kosmos Wald- und Forstlexikon erfasst den 1900 in Balingen geborenen Otto Wulz auch mit seinem Wirken in Wildbad von 1933 bis 1946 (1947 nach seinen eigenen Angaben). Anschließend wirkte er in verschiedenen Ministerien, bis er 1956 in Stuttgart als Forstpräsident die Leitung der Forstdirektion Nordwürttemberg übernahm. Nach dem Studium der Forstwissenschaften in Freiburg und Tübingen hatte er, wie das Nachschlagwerk festhält, 1927 mit der Arbeit promoviert: "Die Entwicklung des Nutzholzhandels in Württemberg". Die Rede ist von "bleibenden Verdiensten um den Aufbau der Landesforstverwaltung sowie der Jagdverwaltung in Baden-Württemberg". Kurz nach seinem 73. Geburtstag verstarb Wulz in Unteruhldingen, wo er im Ruhestand auch seine Erinnerungen an Wildbad verfasste.