Da geht’s lang: Wolfgang Schlund würde in Sachen Nationalpark die Kritiker gerne mitnehmen. Foto: Wiegert Foto: Schwarzwälder-Bote

Leiter des Naturschutzzentrums Ruhestein setzt beim Nationalpark weiter auf die Überzeugungskraft guter Arbeit

Nordschwarzwald. Die Aufklärungsarbeit führte nicht zum erhofften Erfolg: Trotz Gutachtens und mehr als 150 Informationsveranstaltungen wurde der Nationalpark Schwarzwald bei den Teilnehmern der Bürgerbefragung mehrheitlich abgelehnt. Wie geht es jetzt weiter? Wir sprachen mit Wolfgang Schlund, dem Leiter des Naturschutzzentrums Ruhestein.

Das Naturschutzzentrum hat viel Aufklärungsarbeit zum Thema Nationalpark geleistet, dennoch ist die Ablehnung in der Bevölkerung noch groß. Sind Sie frustriert?

Es ist enttäuschend, zu sehen, wie wenig an Sachargumenten bei den Menschen ankam. Aber für einen Naturschützer ist das die tägliche Arbeit. Die Lobby der Natur ist gering, und die bedrohten Arten da draußen, können nicht reden. Deshalb muss man sich bei Naturschutzprojekten gerade zu Beginn stark engagieren, weil man häufig wenig Akzeptanz findet. Das ist aus anderen Projekten schon bekannt: Wenn man vor 100 Jahren eine Bürgerbefragung zur Einrichtung eines Bannwalds gemacht hätte, würde es heute wohl keinen geben, und wenn man vor 15 Jahren gefragt hätte, ob das Naturschutzzentrum gewollt ist, wäre es heute nicht da – ähnlich sieht es auch beim Naturpark aus. Ich bin mir daher sicher, dass man sich stark weiter engagieren muss, denn die Erfolge von Naturpark, Naturschutzzentrum und Bannwald geben uns Recht – wenn auch immer mit Verzögerung.

Welche Konsequenzen hat das Befragungsergebnis für Ihre weitere Arbeit?

Es hat sich gezeigt, dass es schwer ist, allein mit Sachargumenten zu überzeugen. Wir müssen versuchen, die Herzen der Menschen zu erreichen. Man kann viel am grünen Tisch bereden, aber man muss sich die Dinge auch vor Ort anschauen, dann werden oft Augen geöffnet und Herzen bewegt. Wenn wir beispielsweise mit Schulklassen draußen unterwegs sind, muss man gar nicht viel reden, die Natur spricht dann meist für sich. Beim Nationalpark ist dies schwer, weil man über Entwicklungen spricht, die in der Zukunft stattfinden. Deshalb muss man den Nationalpark machen und eine gute und begeisternde Arbeit liefern, um die Menschen letztlich mitzunehmen – so wie es der Naturpark auch gemacht hat. Dann – da bin ich mir sicher – wird das Projekt Nationalpark ein großer Erfolg.

Als der Ministerpräsident in Baiersbronn gegen Pfiffe und Buh-Rufe anreden musste, hatte man den Eindruck, dass viele Menschen vor Ort davon gar nichts mehr hören wollen.

Mit heftigen Bildern zu arbeiten, wie es die Kritiker machen, ist einfacher als mit Argumenten. Durch Schlagworte wie ›Totholzwüste‹, ›Fremdbestimmung‹ und ›Arbeitsplatzverlust‹ schürt man Ängste und erheischt schnell emotionale Effekte bei den Menschen. Es ist schade, wenn dadurch die Sachargumente weggewischt werden und regionale Arbeitskreise und Gutachter kein Gehör mehr finden. Aber wir müssen diese Argumente weiter vorbringen, Geduld haben und die Menschen im Nachgang überzeugen. Manche Gegnerargumente führen ja direkt ins Absurde: beispielsweise die Forderung nach mehr Bannwäldern statt eines Nationalparks. Denjenigen, die das fordern, ist, glaube ich nicht bewusst, dass sie damit ihre eigenen Kritikpunkte wie Borkenkäfergefahr oder Holzverlust noch verschärfen würden. Denn bei einem Nationalpark kümmert man sich intensiv um diese möglichen Probleme, bei Bannwäldern nicht. Da gibt es weder ein Borkenkäfermanagement noch eine Kompensation fehlender Holzmengen. Vor allem hätte die Region, die im Nationalparkrat ein großes Mitspracherecht haben wird, bei Bannwäldern gar keine Einflussmöglichkeiten.

Was ist für Sie das wichtigste Ziel eines Nationalparks?

Das ist der Prozessschutz – also das Schaffen von Gebieten, in denen sich die Natur frei entwickeln kann. Wir tun in Baden-Württemberg viel, um unsere tolle Kulturlandschaft zu pflegen. Das machen wir auf über 90 Prozent der Fläche im Land – und das ist auch gut so. Der Nationalpark wäre dazu eine ideale Ergänzung. In ihm könnte die Evolution zeigen, was sie kann, da hätte die Schöpfung Raum, sich frei ohne Zutun des Menschen zu entfalten. Dadurch würden wir unserer Verpflichtung gerecht, auch einen Teil zum Erhalt der Artenvielfalt beizutragen. Und nebenbei: Dieses Naturwunder begleiten und bestaunen zu können, ist etwas, was wir den Menschen und vor allem den nachfolgenden Generationen nicht vorenthalten dürfen. u Die Fragen stellte Sylvia Wiegert.