Foto: Kunert

Fest zum 150-jährigen Bestehen nicht nur für Eisenbahnfreunde ein Highlight. Dampfzeitalter wird lebendig.

Bad Wildbad - Der Mann mit Video-Kamera und Fotoapparat im Anschlag muss es wissen: „Wann kommt denn die Dampflok?“ Volker heißt der Mann, kommt aus Karlsruhe: „Um Fuffzig“, sagt er. Derweil füllen sich Bad Wildbads Bahnsteig und „Ränge“. Gleich beginnt die große Vorstellung.

Was wäre ein 150. Geburtstag der ältesten Eisenbahnstrecke im Nordschwarzwald ohne den Auftritt einer echten Dampflokomotive? Nur halb so schön. Gerade fragt eine ältere Dame Volker, wann „der Dampfer“ käme. Volker lächelt milde, er kennt das ja schon. Er wird die nächsten zehn Minuten das noch zwei Dutzend mal gefragt werden. Und antwortet stets freundlich. Vielleicht hätte er sich eine Tafel mit den An- und Abfahrtzeiten der historischen Eisenbahn machen sollen...

Bis „Fuffzig“ ist noch ein bisschen Zeit. Zum Plaudern. Volker aus Karlsruhe erzählt, dass er selbst eigentlich gar nicht auf den Dampfzug warte – vorher käme die S6, die Straßenbahn – das sei seine eigentliche Leidenschaft. Da ahnt man noch nicht was das meint. Volkers Frau Nicole kommt vorbei, bringt dem Gatten kühles Wasser. Er harrt wohl schon seit einiger Zeit in der prallen Sonne aus. Ein paar Worte zum Wetter an diesem Wochenende in Bad Wildbad: der Samstag war irgendwie nichts, zumindest am Nachmittag. Da war Unwetter und die Stadt leer geschwemmt – egal wie sehr die Eisenbahnromantik die Menschen lockte.

Heute am Sonntag ist das anders. Alles ist in Festlaune, auch das Wetter. Und die S6 rollt jetzt von der Wildbader Innenstadt her in den alten, prächtigen Bahnhof ein. Volker ist in seinem Element, filmt und fotografiert was das Zeug hält. Er war schon überall in der Welt, um Straßenbahnen zu bestaunen, zu dokumentieren. Die kleinen, zweiachszigen haben es ihm besonders angetan. Und tolle Anekdoten kann Volker erzählen: wie er in Kasachstan beim Fotografieren einer Straßenbahn verhaftet wurde – weil im Bildhintergrund eine Aufbereitungsanlage für Brennstäbe war.

Ob Frau Nicole das alles so mitmacht. „Man kommt ja viel rum“, sie sei dankbar, keinen „Coach-Potato“ daheim zu haben. „Nur nach Nordkorea – da habe ich ihn nicht begleitet. Aber Japan, da war ich dabei.“ Man staunt mit offenen Mund und tonlos. Der Eisenbahn- und/oder Straßenbahnvirus muss heftig sein, wenn ihn einen erwischt.

Und jetzt kommt auch die alte Dampflok mit ihren drei Personenwaggons. Pünktlich auf die Minute – wir sind in Schwaben, nicht bei der Bundesbahn. Sie riecht nach guter alter Zeit: Schmieröl und Russ. Lebendige, schnaufende Geschichte. Allerdings ist die Lok 751118 eigentlich auf Exil hier im württembergischen Bad Wildbad - „weil sie eine ur-badische Lok ist“, wie Volker erklärt. Für ihn hätte die 58311 viel besser gepasst, weil die einst auch für Württemberg reichlich unterwegs war. Aber das Exemplar der Ulmer Eisenbahnfreunde (UEF), die die historischen Züge auf der Enztalbahn betreibt, sei gerade in der großen Revision.

Lok 751118 kommt derweil schnaufend zum Stehen. Es ist mit einem Schlag unfassbar voll auf dem Bahnsteig des Wildbader Fürstenbahnhofs – ja dem schönsten Bahnhof in Württemberg, wie es dieser Tage immer wieder heißt. Aber die Fassade ist schon ein wenig in die Jahre gekommen. Passt aber heute irgendwie perfekt zu diesem gesamten lebendigen musealen Auftritt hier. Ganz großes Dampf-Theater. Das Heizer Alexander und Thomas der Lokomotivführer ganz offensichtlich ordentlich genießen. Geduldig lassen sie sich von den Zaungästen (übrigens: aus aller Welt; es herrscht hier ein geradezu babylonischen Sprachengewirr) fotografieren, sind trotzdem hochkonzentriert, als es gilt, die alte große Lok von einem Ende des Zuges für die Rückfahrt ans andere Ende zu rangieren. Quasi als Zugabe fürs Publikum, das alles minutiös und restlos begeistert verfolgt.

Wenn man später wieder Richtung Innenstadt geht, wird man das Grinsen aus seinem Gesicht nicht mehr herausbekommen. Geht offensichtlich allen, naja zumindest den meisten so, wie man beobachten kann. Die Kleinen freuen sich aber auch auf das Kurpark-Bähnle und vielleicht bei der schwülen Hitze aufs Eis. Die Väter (man muss wieder grinsen) auf die Modelleisenbahn im Obergeschoss des Forums König-Karl-Bad. Oh ja, Schwaben und ihre Liebe zur Eisenbahn in allen Formen und Größen – das ist schon eine ganz besondere Beziehung. Am letzten Wochenende gerade ganz besonders hier im Enztal.