So wurde Wildbad 1837 in "Spas of Germany" in Großbritannien dargestellt. Fotos: Zoller Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Allgemeinmediziner Augustus Bozzi Granville erhöht die Bekanntheit von Wildbad ab 1837

Im Januar hissten Bürgermeister Klaus Mack und Touristikchefin Stefanie Dickgießer die britische Fahne auf der Wildline zum Abschied an Großbritannien. Das auserkorene Ziel dieser Aktion waren die Besucher aus dem Vereinigten Königreich, die heute wie einst zu einem wichtigen Zielmarkt für die Kurstadt zählen.

Bad Wildbad. Bereits im 19. Jahrhundert war der Badeort im Enztal ein beliebtes Feriendomizil der Inselbewohner. Auslösender Faktor für den Besucherstrom aus Großbritannien, so Heimatkundlerin Barbara Hammann-Reister, ist eine Veröffentlichung des Londoner Allgemeinmediziners Augustus Bozzi Granville (1783-1872), der Wildbad im Jahr 1837 unter den "Spas of Germany", also den Thermen des deutschsprachigen Raums, als Nummer eins titulierte.

Bei den Recherchen zum Autor, der als Sohn eines Generalpostmeisters in Mailand geboren wurde und aus der alten und angesehenen lombardischen Bozzi-Familie stammt, wird deutlich, dass der weit gereiste Mann einen Blick für das Außergewöhnliche hatte. Er studiert Medizin an der Universität Pavia und ist als Arzt in der türkischen Kriegsmarine und der britischen Royal Navy nicht nur im Mittelmeer, sondern auch in Westindien und Südamerika unterwegs. 1813 heiratet er in London und fügt den Nachnamen seiner englischen Mutter, Granville, seinem eigenen Namen bei. Nach den napoleonischen Kriegen bildet er sich 1816 in Paris durch Vorlesungen an der Frauenklinik weiter und wird 1818 Arzt an der Westminster Dispensary und 1829 Präsident der Westminster Medical Society.

In seiner 1837 erschienen Schrift wirbt er für die heilende Kraft der Mineralwässer: "Es besteht kein Zweifel, dass der große Segen, den die Vorsehung dem unter körperlicher Krankheit leidenden Menschen in der heilenden Kraft der Mineralwässer, insbesondere der deutschen, gewährt, dem Volk dieses Landes länger vorenthalten wurde als jeder anderen Nation. Eine Ressource, die so wirksam, so umfangreich und so allgemein zur Bekämpfung von Krankheiten beiträgt – wie die kontinentalen Ärzte längst bewiesen haben – war in England fast wie ein versiegeltes Buch."

1837, als die 18-jährige Victoria Königin von Großbritannien und Irland wird, gibt es bereits eine erste Bahnverbindung von London nach Birmingham. Doch in Baden und Württemberg müssen die Wege noch mit Pferdekutschen zurückgelegt werden. Für die beschwerliche Reise nach Wildbad, dessen Lage der Autor "inmitten der Wildnis des Schwarzwaldes" beschreibt, benötigte der wohlhabende Granville allein von Stuttgart aus zehn Stunden. "Ich bin mit dem Eilwagen nach Wildbad gefahren, einem sehr praktischen und gut ausgestatteten Fahrzeug, das das Büro der "Königlich Württembergischen Expedition" um sieben Uhr morgens verlässt und einen Insassen für drei Gulden und sechs Kreutzer über Böblingen und Calw nach Wildbad befördert." Doch die lange Reise schien ihm zu gefallen: "Als wir unseren langsamen Kurs auf dieses Dorf ausrichteten, wurde der Charakter des Schwarzwaldes immer auffälliger. Der Reisende, der die verschiedenen Schönheiten dieser Region in sich aufnehmen möchte, sollte nicht nur diejenigen einfangen, die vor ihm liegen, sondern jetzt und bald auf die zurückblicken, die er gerade verlassen hat, um zu sehen, wie die verschiedenen Teile der Landschaften aussehen."

Gläsernes Aquamarin

Schließlich und endlich wurden durch die Kraft des Mineralwassers die Reisestrapazen schnell vergessen: "Diesen angenehmen Eindruck, welchen das Wasser auf mich machte, als es aus der Tiefe hervorquellend über meinen Körper floss, durchsichtig wie das gläserne Aquamarin, weich, natürlich warm und sanft murmelnd, werde ich nie vergessen."

Neben seiner ärztlichen und wissenschaftlichen Tätigkeit veröffentlichte Granville mehr als 220 Bücher und Schriften, die in sieben Sprachen zu lesen sind. Als britischer Arzt praktizierte er in Kissingen, um in den Sommermonaten die zahlreichen englischsprachigen Kurgäste ohne Sprachschwierigkeiten zu behandeln. Granville war es auch, der den italienischen Komponisten Gioachino Antonio Rossini (1792-1868) für eine Kur in Wildbad begeistert haben soll und der eine lange alphabetische Liste für die Lebensmittel erstellte, die er für den Patienten als geeignet oder ungeeignet hielt. Dabei waren Mandelmilch, wenig Kaffee, Bier und ungewürzte Schokolade erlaubt, Glühwein, Wein, Punsch und Tee aber verpönt. Für einen Kuraufenthalt empfahl er die Monate Mai bis September und war damit Auslöser für die vielen weiteren Gäste aus Großbritannien, die sich in den Sommermonaten für sechs bis acht Wochen mit ihrer Dienerschaft in Wildbad einquartierten.