Rüdiger Krüger (von links), auf dem Foto mit den Geschwistern Petra und Detlev Weingärtner, machte die Gäste mit dem schwäbischen Romantiker Wilhelm Hauff bekannt. Foto: Bechtle Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Traditionsgaststätte lebt im Hotel Weingärtner für zwei Tage wieder auf / Wissenswertes zu Wilhelm Hauff

Einmal im Jahr lebt in Bad Wildbad ein altes Wirtshaus wieder auf. Für zwei Tage wird im Hotel Weingärtner die "Traditions-Gaststätte zum Schwarzen Adler" eröffnet, die eigentlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der Bildfläche verschwand.

Bad Wildbad. "Das kalte Herz", ein Märchen von Wilhelm Hauff, ist im Nordschwarzwald weit verbreitet: im Neuenbürger Schloss ist es, begehbar in sechs Räumen, zu sehen. In Hauffs Märchenmuseum in Baiersbronn ist ein Film zum "Kalten Herz" zu sehen und auf dem Bad Wildbader Sommerberg wird auf dem Märchenweg an zehn Stationen mit Hörspiel und Infotafeln das Märchen selbst erlebbar gemacht. Aber wer war eigentlich Wilhelm Hauff, der sehr viel geschrieben hat und doch bereits mit 25 Jahren starb?

Genau über diesen schwäbischen Dichter erfuhr man eine ganze Menge am Wochenende beim literarisch-kulinarischen Abend in der "Traditions-Gaststätte zum Schwarzen Adler" in Bad Wildbad. Viele Wildbader können diese Gaststätte nicht einordnen, denn sie verschwand bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Auf einer Grafik aus dem Jahr 1857 findet man den "Schwarzen Adler" mitten in der Stadt, etwa dort, wo sich heute das Rossini-Denkmal befindet. Einige Jahre danach kaufte der Wirt des daneben stehenden Gasthauses Bären, Daniel Fridrich Klumpp, den Schwarzen Adler, um zusammen mit dem Bären sein eigenes Hotel Klumpp zu errichten. Um das "Schank- und Brennrecht", früher ganz wichtig, nicht zu verlieren, baute er an der damaligen Enztalstraße, heute Olgastraße, einen neuen Gasthof "Schwarzer Adler", auf die er diese Rechte übertrug. Später erhielt der Gasthof im "Villenviertel" der Olgastraße den Namen Villa Treiber, und in den 50er-Jahren des vorigen Jahrhunderts übernahmen das Gastronomen-Ehepaar Richard und Amalie Weingärtner die Villa Treiber, die nach An- und Umbauten zum Hotel Weingärtner mutierte. Heute führt Sohn Detlev Weingärtner das inzwischen vergrößerte und erneuerte Hotel.

Einmal im Jahr, stets in der ersten Novemberhälfte, lädt Weingärtner Einwohner und Gäste aus Bad Wildbad und der Region an zwei Abenden zu einem literarisch-kulinarischen Höhepunkt in den "Schwarzen Adler" ein, obwohl das Brennrecht schon lange ausgelaufen ist und das Schankrecht heute keine große Rolle mehr spielt.

Kulinarische und literarische Genüsse

Neben den kulinarischen Genüssen, unter anderem als Hauptgerichte Gedämpfter Enztal-Saibling in der Folie mit Gemüse-Kräutersud und Dampfkartoffeln oder Roastbeef am Stück, rosa gebraten, Lembergersoße, Böhnchen und Dauphine-Kartoffeln, gab es auch einen literarischen Gang, der bereits traditionell von Rüdiger Krüger präsentiert wird. Krüger ist Germanist, Pädagoge, wissenschaftlicher Mitarbeiter an verschiedenen Hochschulen, Autor einer Reihe wissenschaftlicher Veröffentlichungen und unterschiedlicher Publikationen. Von Krüger stammt auch die Schrift "Elastisch, nur elastisch", die einen Teil des schriftstellerischen Werks des in Wildbad geborenen Ludwig Seeger enthält.

Seit mehr als zwei Jahrzehnten findet man Krüger im November regelmäßig für einige Tage im "Schwarzen Adler," wo er interessante literarische und künstlerische Persönlichkeiten der Vergangenheit, natürlich überwiegend solche aus dem württembergischen Raum, den Gästen vorstellt.

Und diesmal wurde höchst unterhaltsam und kurzweilig, sozusagen zwischen gratiniertem Zanderfilet und Mais-Poularden-Brust, der Schriftsteller Wilhelm Hauff vorgestellt. Hauff war Doktor der Philosophie, einer Disziplin, die auch Philologie, Geschichte, Kulturwissenschaft, Pädagogik, Politik und Soziologie umfasst, also außergewöhnlich vielseitig ist. Hauff (1802-1827) verfasste in seiner kurzen Schaffensperiode den Roman "Lichtenstein", der sozusagen den Impuls gab, dieses heute viel besuchte Schloss in der Mitte des 19. Jahrhunderts im Echaztal zu bauen. Hauff verfasste weiter Novellen, Satiren, Studentenlieder, Gedichte, die Novelle "Jud Süß" sowie drei Märchen-Almanache (Märchensammlungen) die auf die Jahre 1825, 1826 und 1827 jeweils zum Jahresende herauskamen. 1200 eng beschriebene Seiten, so erfuhren die interessierten Gäste der beiden Abende, hinterließ er nach seinem Tode, alle mit der Feder geschrieben.

"Jud Süß," die ziemlich bekannte Novelle Hauffs, erzählt die Geschichte von Josef Süßkind Oppenheimer, Bankier, Hoffaktor und Ratgeber des württembergischen Herzogs Karl Alexander, dessen ausschweifendes Leben er zu finanzieren hatte. Nach dem Tod des Herzogs wurde er Opfer einer Verleumdung und hingerichtet.

In seinem dritten "Märchen-Almanach auf das Jahr 1827 für Söhne und Töchter gebildeter Stände" findet man in der Rahmengeschichte "Das Wirtshaus im Spessart" die Erzählung "Das Kalte Herz", die sich im Nordschwarzwald abspielt. Es ist eine Art Sittengemälde mit romantischem Charakter: Glasmännlein (das Gute) und der Holländer Michel (das Böse) kämpfen um den Kohlenmunk Peter, dessen Beruf wenig geachtet ist und der gerne auch einmal reich sein möchte. Manche spätere Interpreten des "Kalten Herz" behaupten, dass mit den beiden gegensätzlichen Gestalten, Glasmännlein und Holländer Michel, die Badener und die Württemberger gemeint seien. Hauff weilte zeitweise in Schwarzenberg im Murgtal bei einem Verwandten, der dort Pfarrer war, und hat hier wahrscheinlich die historischen Märchengrundlagen für "Das Kalte Herz" und "Das Wirtshaus im Spessart" erhalten. Auch wenn heute bei letzterem das Mittelgebirge Spessart (zwischen Vogelsberg, Rhön und Odenwald) als "Tatort" der Räubergeschichte dargestellt wird, so, darauf weist Krüger hin, gibt es ja auch bei uns mehrere Siedlungen, die den Namen Spessart tragen, so bei Calw und bei Ettlingen.

Beim trockenen Samtrot-Wein "Wilhelm Hauff" bezeichnete Krüger "Das Kalte Herz" als schwäbische Form eines idealistischen Märchens und empfahl Hauffs Märchen, auch die orientalischen, einmal selbst zu lesen.

Ob zum Dessert in den geschmackvoll dekorierten Restaurant-Räumlichkeiten des Hotels Weingärtner lauwarmer pochierter Cassis-Apfel oder der Dessertteller Schwarzer Adler zum Abschluss genossen wurde: Sowohl Krügers unterhaltsame Ausführungen zu Wilhelm Hauff als auch die Köstlichkeiten aus der Hotelküche "mundeten" ausgezeichnet. Beides fand große Anerkennung bei den Gästen.

Welcher Poet oder welche Persönlichkeit im kommenden Jahr im "Schwarzen Adler" vorgestellt werden wird, das verriet Krüger allerdings nicht.