Nicht das überall in Bad Wildbad sprudelnde und plätschernde Wasser lockte Virginia Heffernan nach Bad Wildbad, sondern die Tatsache, dass Deutschland eine virtuelle "Heimat ohne Hass und Hetze" bot. Foto: Schabert Foto: Schwarzwälder Bote

Internet: Jüdische Amerikanerin Virginia Heffernan findet "imaginäre Heimat ohne Hass und Hetze"

Bad Wildbad. In der Einwohnerkartei der Stadtverwaltung Bad Wildbad ist Virginia Heffernan nicht zu finden, obwohl die jüdische Amerikanerin in die Bäderstadt ausgewandert ist. Ihr Ortswechsel ist eben nur virtuell erfolgt, und da gibt es natürlich keine Meldepflicht. Sie schildert dies in der Wochenzeitung "Die Zeit" in einem Gastbeitrag.

Was bewegt eine Amerikanerin aus dem IT-Netz New Yorks und der USA zu fliehen, um sich für Bad Wildbad zu entscheiden? "Ein verträumter, von Wald umgebener Kurort in einer riesigen Schlucht am Rande des Schwarzwaldes", wie sie schreibt, sei jetzt ihre diesbezügliche Heimat. Zumindest auf Google-Earth habe sich dieser Platz so präsentiert, dessen Namen sie vor Jahren einmal auf einem Autobahnschild gelesen habe.

Virtuelles Trommelfeuer

In ihrer wirklichen Wohngegend sei man auf Straßen und Plätzen vor Braunhemden sicher, wenn auch auf dem Spielplatz ihrer Kinder gesprayte Hakenkreuze aufgetaucht seien. Diese seien eben weggeschrubbt worden. Aber das amerikanische Internet sei voll von Hakenkreuzen, Gaskammer-Cartoons, stereotypen antisemitischen Karikaturen, Hass auf farbige Menschen, Einwanderer, Liberale, Akademiker, Journalisten und Frauen. Den letzten Ausschlag zu ihrem Schritt habe gegeben, dass sie nach Kritik an Trump ein virtuelles Trommelfeuer auf sich gezogen habe. Den Auswanderungs-Tipp habe sie von einem klugen Twitter-Nutzer erhalten. Denn der gesetzliche Schutz richte sich nach dem Standort im Twitter-Profil.

Unmittelbar nach dem Umzug ohne großes Kistenpacken schützten die Gesetze Deutschlands gegen Volksverhetzung, die es schon seit 1960 gibt, untersagen die Verwendung von Nazi-Symbolen oder die Anstachelung zu Gewalt. "Das ist endlich mal eine Reform", kommentiert Heffernan die im Juni 2017 dem digitalen Zeitalter angepasste Rechtslage, die mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz neue Vorschriften für die sozialen Netzwerke geschaffen habe. Dies münde in Abschaltungen von entsprechenden Accounts und Unkenntlichmachung von damit widerrechtlichen Twitter-Mitteilungen. In den USA – und nicht nur dort – hielten dies viele für einen Eingriff in die Meinungsfreiheit, fänden die Vorstellung krass, dass die Justiz die Internetnutzer vor Nazi-Propaganda und manch anderem schütze. "In einem verträumten deutschen Kurort fand ich meine imaginäre Heimat, ohne Hass und Hetze", bilanziert Heffernan nach ihrem Umzug nach Bad Wildbad.