Klaus Mack, Hubertus Welt, Marina Lahmann und Gottfried Löffler vor dem Banner mit dem Lebensweg von Isidor David. Foto: Bechtle Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Eine Verhandlung über den Rettungszug von Theresienstadt in die Schweiz fand in Wildbad statt

Bad Wildbad. Eine hochinteressante Ausstellung mit dem Titel "Flüchtiges Glück" in der Bad Wildbader Stadtkirche gibt nicht nur einen Blick auf ein außergewöhnliches Ereignis im untergehenden Dritten Reich, sondern zeigt die Perfidie des nationalsozialistischen Systems gegen alle, die nicht in den Rassenwahn des Diktators Hitlers und seiner Konsorten passten.

Das "außergewöhnliche Ereignis" war der Rettungszug mit rund 1200 jüdischen Menschen aus dem Ghetto Theresienstadt, die vom "Orthodoxen Rabbinerverband in den USA und Kanada" für fünf Millionen Schweizer Franken freigekauft worden waren und im Februar 1945 per Bahn von Theresienstadt über Eger, Nürnberg und Konstanz nach St. Gallen in die Schweiz transportiert wurden und damit dem sicheren Tod in den Vernichtungslagern entkamen.

Dass die Kurstadt Wildbad damit etwas zu tun hat, wurde bereits vor elf Jahren durch den Calmbacher Heimatforscher Fritz Barth in seinem Buch "Hoffnung, Krieg, Not" dokumentiert.

Die Ausstellungseröffnung in der Stadtkirche wurde mit hebräischen Liedern der Hoffnung und des Dankes eröffnet. Alina Höfflin und Johanna Schade, begleitet von Marcus Deggelmann am Klavier, gestalteten diese musikalische Umrahmung eindrucksvoll mit klaren schönen Stimmen.

"Die Ausgrenzung der jüdischen Mitbürger ist eines der dunklen Themen unserer Geschichte", meinte Pfarrer Gottfried Löffler in seiner Ansprache. Die Freiheit, die wir heute als Selbstverständlichkeit betrachten, habe es damals nicht gegeben, und so sei diese Ausstellung eine wichtige Erinnerung und Mahnung.

Bürgermeister Klaus Mack dankte der Projektgruppe "Spurensuche", einem übergreifenden Zusammenschluss von Institutionen, Vereinen, Schulen und Einzelpersonen, die ihre Kräfte, ihr Wissen ihre Kompetenzen und Kontakte nutzten und bündelten, um eine solche Veranstaltung zu gestalten. Man sehe dabei, dass Geschichte die Menschen bewege, und dies auch etwas mit Wildbad zu tun habe. Geschichte rage immer in die Gegenwart herein, was zum Verständnis sehr wichtig sei.

"Wie stehen wir heute zu Menschen, die ›anders‹ sind, aus Not, Lebensangst und Verfolgung zu uns flüchten?", fragte Hubertus Welt, Vorsitzender des Vereins Menschen miteinander, Interkultureller Garten, einer der Kooperationspartner der AG Spurensuche.

Welt weiter: "Wir müssen aus den damaligen Vorkommnissen für die Jetzt-Zeit lernen und Schlüsse ziehen. Und nicht endlich zu vergessen, wie mancher es wünscht, sondern bewusst hinzusehen und in Erinnerung zu halten."

Einen ausführlichen Überblick über die damaligen Ereignisse gab Marina Lahmann von der Stadtverwaltung, zuständig für Stadtmarketing, Museum und Archiv, die ebenfalls in der Projektgruppe Spurensuche aktiv ist. Die Ausstellung, so Lahmann, sei vor vier Jahren erstmals in der Schweiz gezeigt worden, wo sie von der Pädagogischen Hochschule St. Gallen wissenschaftlich erarbeitet worden war. Sie berichte von den Hintergründen und den Drahtziehern dieser Aktion, stelle einige der befreiten Menschen vor und vermittle auf Fotos die ersten Tage der Geretteten in St. Gallen.

Vier Biografien von Häftlingen

Die bis Anfang August zu besichtigende Ausstellung gibt auf vielen Bannern einen Einblick in das Leben der jüdischen Deportierten in Theresienstadt, die Stadt, die als Wartesaal zur Hölle Auschwitz und Treblinka bezeichnet wurde.

Ein Banner berichtet über das Leben von Pavel Hoffmann (geboren 1939 in Prag), der im vergangenen Jahr vor Wildbader Schülern sein Schicksal darstellte. Er gehörte zu den "Reisenden" im Flüchtlingszug nach St. Gallen. Über dieses Ereignis kann er allerdings nichts aussagen: "Die Schweiz und St. Gallen sind für mich wirklich total dunkel!"

Die Ausstellung wurde ergänzt durch vier Biografien von Häftlingen, auch aus unserer Region, die zuletzt im Horber Stadtteil Rexingen gewohnt hatten, bevor sie nach Theresienstadt deportiert worden waren.

Die Ausstellung in der Stadtkirche ist täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet.

(cht). Der Befreiung aus Theresienstadt gingen verschiedene Verhandlungstreffen voraus, wovon eines am 15. Januar 1945 in Wildbad stattfand. An der Wildbader Verhandlung waren beteiligt: Jean-Marie Musy, Mitglied des Schweizer Bundesrats, ehemaliger Schweizer Bundespräsident, Walter Schellenberg, SS-Brigadeführer und "oberster Geheimdienstler" der Nationalsozialisten, sowie Heinrich Himmler, Chef der SS, der Polizei, des Inlandsgeheimdienstes, der Gestapo und der Konzentrationslager, Innenminister, Befehlshaber des Ersatzheeres, und damit "zweiter Mann im Dritten Reich". Bereits vor dem Wildbader Treffen über mögliche Rettungsmaßnahmen von Juden waren Gespräche geführt worden, auch nach der Begegnung in Wildbad gab es weitere Verhandlungen.

In einer zweiseitigen Niederschrift aus dem Bundessarchiv über das Wildbader Treffen, so Marina Lahmann, entnimmt man, dass Himmler, mit einem Sonderzug von Triberg kommend, bis Forbach-Gausbach fuhr, und von dort mit dem Auto abends nach Wildbad gelangte, wo er im Hotel Post mit Musy und Schellenberg zusammentraf. In dieser Besprechung hielt Himmler an seinem Standpunkt in der Judenfrage fest, dass die Juden bei einem Freikauf durchaus in die Schweiz ausreisen dürften, um nach Amerika weiterzureisen. Außerdem müsse jeder Auswanderer dem deutschen Machtbereich 1000 Dollar hinterlegen, die in Form von Fahrzeugen und Maschinen "bezahlt" werden sollten. Die Verhandlung in Wildbad, so Lahmann, dauerte etwa eineinhalb Stunden, danach fuhr Himmler mit Schellenberg zurück nach Gausbach.

Nach weiteren Verhandlungen an anderen Orten kam es dann am 5. Februar 1945 in zwei Zügen mit 17 komfortablen Personenwagen zum Befreiungstransport von 1200 Menschen aus Theresienstadt in die Schweiz, wo diese am Nachmittag des 7. Februar 1945 in St. Gallen eintrafen.