Obere Weiche der Sommerbergbahn. In der Mitte die beiden starren Weichenzungen für die Walzenräder, außen die durchgehenden Schienstränge für die Doppelspurkranzräder. Foto: Bechtle Foto: Schwarzwälder Bote

Sommerbergbahn: Abts Erfindung hält Wagen in der Spur

Von Götz Bechtle

Eigentlich weiß jeder, was eine Gleisweiche ist. Sie dient dazu, die Bahn auf das richtige Gleis zu führen, und da sie verstellbar, also beweglich, ist, gibt es dabei mehrere Schienenrichtungen.

Bad Wildbad. Auch am Bad Wildbader Hausberg, dem Sommerberg, gibt es eine Bahn, die eine Weiche hat. Die im Mai 2018 110 Jahre alt werdende Sommerbergbahn, die erste Generation wurde 1908 in Betrieb genommen, übrigens die erste in Württemberg, ist im Fachbegriff eine "Schienenstandseilbahn". Das heißt, sie fährt auf Schienen und hängt an einem Seil. Um es genauer auszudrücken: Die beiden Bergbahnwagen hängen jeweils am Ende eines Seils. Und damit sie während der Fahrt nicht zusammenstoßen, gibt es eine Ausweichstelle auf halber Strecke. Bis hierher ist sicher jedem alles klar.

Um über die Ausweichstelle zu fahren, müssten eigentlich die beiden Weichen am Anfang und am Ende der Ausweichstelle verstellbar sein – aber dann würde ja das Seil eingeklemmt oder gar reißen. Das passiert jedoch nicht, denn die Bergbahnweichen sind starre Weichen, die nicht verstellbar sind.

Bei der Eisenbahn haben alle Räder Spurkränze, das ist die Verlängerung der Räder zwischen den Schienen, damit der Wagen in der Spur bleibt, also nicht entgleist. Würde man die Bergbahnwagen ebenfalls mit solchen Spurkränzen versehen, so würden diese allerdings an der Weiche das Seil durchschneiden, was natürlich nicht sein darf.

Und hier kommt Carl Roman Abt ins Spiel. Der Schweizer Maschinenbauingenieur (1850-1933) erfand die nach ihm benannte selbsttätige "Abt’sche Weiche" ohne bewegliche Teile für Schienenstandseilbahnen. Abt baute jedoch nicht nur die Weiche um, sondern auch die Räder der geplanten Bergbahn.

Bei einer Weiche ist die Weichenzunge der verstellbare Teil der Weiche, der die Fahrtrichtung bestimmt. Dieses Teil musste feststehen und eine Öffnung haben, durch die das Seil läuft, ohne dass es eingeklemmt wird. Diese Abt‘sche Weiche ermöglichte also eine problemlose Führung des Antriebsseils, das mit schräg gestellten Seilrollen zwischen den Fahrschienen korrekt in das jeweilige Ausweichgleis führt. Gleichzeitig veränderte er die Radsätze der Bergbahnwagen, indem er den, wie bei der Eisenbahn nach innen verlaufenden Spurkranz veränderte: Auf der einen Wagenseite wurden Doppelspurkränze mit beidseitigen Spurkränzen, die wie ein umgedrehtes "U" aussahen, angefertigt. Auf der anderen Seite gab es breite Walzenräder ohne jeglichen Spurkranz. Von den beiden Wagen, die gegenläufig auf der eingleisigen Strecke betrieben werden, hat ein Wagen die Doppelspurkranzräder auf der linken Seite, der zweite auf der anderen Seite.

So werden die Wagen auf der gesamten Strecke nur von den Doppelspurkranzrädern geführt, und dies sind an der Ausweichstelle die äußeren Schienen. Die beiden breiteren Walzenräder (auf den inneren Schienen) haben keinerlei Führung und dienen dazu, die Lücken für die Seildurchführung stoßarm und seilberührungsfrei zu überfahren. So werden die Wagen immer auf der gleichen Seite geführt also entweder stets links oder stets rechts, unabhängig ob Berg- oder Talfahrt.

Die erste Bergbahn mit einer Abt’schen Weiche entstand natürlich in der Schweiz, 1877 auf der Strecke Lausanne-Ouchy im Kanton Waadt, sie ist allerdings seit sechs Jahrzehnten außer Betrieb. Die 1879 gebaute Giessbachbahn im Kanton Bern ist heute noch in Betrieb, überwindet allerdings nur einen Höhenunterschied von 90 Metern, die Sommerbergbahn dagegen knapp 300 Meter.

Abt wurde berühmt und leitete insgesamt 72 Bauten von Schienenstandseilbahnen in allen Erdteilen, außerdem war er Spezialist für Zahnradbahnen.

Die 1991 erbaute Schienenstandseilbahn Punt Muragi (Graubünden) überwindet mit 2199 Metern Streckenlänge 709 Höhenmeter, während die im vergangenen Jahr in Betrieb genommene Bergbahn Schwyz-Stoss die Steilste ist: 111 Prozent, das entspricht einem Winkel von etwa 48 Grad (Sommerbergbahn maximal 51 Prozent).

Die meisten Schienenstandseilbahnen gibt es in der Schweiz und in Österreich, in Deutschland sind es für den öffentlichen Personenverkehr noch 17, davon acht in Baden-Württemberg.

Die erste deutsche Schienenstandseilbahn entstand 1877 in Zeitz (Sachsen-Anhalt), ist jedoch seit einem halben Jahrhundert nicht mehr in Betrieb. Die 1888 in Karlsruhe-Durlach entstandene zuerst wasserballastbetriebene Bergbahn wurde zwischenzeitlich zu einer elektrischen umgebaut. Zu den ganz wenigen heute noch funktionierenden Wasserballastbahnen gehört die 1886 erbaute Bahn auf den Neroberg in Wiesbaden, die in der wärmeren Jahreszeit noch regelmäßig verkehrt.

Dass Bergbahnen keine veralteten Verkehrsmittel von gestern sind, beweist die 1999 in Betrieb genommene Schienenstandseilbahn in Künzelsau, die den neuen höher gelegenen Stadtteil Taläcker (404 Meter) mit dem Kernort (234 Meter) verbindet.

Schienenstandseilbahnen sind absolut umweltfreundlich, benötigen keine Parkplätze, machen keinen Lärm, stoßen kein Kohlendioxid aus und verbinden Ortsteile miteinander, also ein ideales Verkehrsmittel.

Deshalb war und ist die Sommerbergbahn für die Stadt Bad Wildbad eine besonders attraktive Einrichtung, die zudem noch überaus ökologisch ist, auch wenn die Beförderungszahlen nicht die eigentlichen Kosten decken.

(cht). Heute fahren keine "Schaffner" mehr in der Sommerbergbahn mit. Bis 2010 gab es sie noch. Und aus dieser Zeit stammt folgende Anekdote:

Immer wieder wundern sich die Fahrgäste, dass an der Abt’schen Weiche, über die die beiden Bergbahnen aneinander vorbeifahren, kein Zusammenstoß möglich ist.

So fragte einst ein Gast den Schaffner, wie er es fertigbringe, dass er und sein Kollege im entgegenkommenden Wagen stets die richtige Entscheidung treffen würden, um nicht zusammenzustoßen.

Der Schaffner versicherte dem Gast, dass man sich durch Augenzwinkern verständigen würde. "Wenn ich mit dem rechten Auge blinzle, dann fahre ich auf der rechten Seite der Weiche. Blinzle ich links, dann fahre ich auf der linken Seite." "Ja, Mann", meinte da der Gast, "und was tun Sie, wenn Sie Lidstarre bekommen oder ihnen eine Fliege ins Auge kommt?" "Dann wird die Handbremse gezogen!"

(cht). Heute fahren keine "Schaffner" mehr in der Bergbahn mit, bis 2010 gab es die noch. Aus dieser Zeit stammt folgende Anekdote:

Immer wieder wundern sich die Fahrgäste, dass an der Abt’schen Weiche, über die die beiden Bergbahnen aneinander vorbeifahren, kein Zusammenstoß möglich ist. So fragte einst ein Gast den Schaffner, wie er es fertigbringe, dass er und sein Kollege im entgegenkommenden Wagen stets die richtige Entscheidung treffen würden, um nicht zusammenzustoßen.

Der Schaffner versicherte dem Gast, dass man sich durch Augenzwinkern verständigen würde. "Wenn ich mit dem rechten Auge blinzle, dann fahre ich auf der rechten Seite der Weiche. Blinzle ich links, dann fahre ich auf der linken Seite." "Ja, Mann", meinte da der Gast, "und was tun Sie, wenn Sie Lidstarre bekommen oder ihnen eine Fliege ins Auge kommt?" "Dann wird die Handbremse gezogen!"