Die Große Jugendkammer des Landgerichts Tübingen verhandelt den Fall des Raubüberfalls. Foto: M. Bernklau

Männer äußern sich vor Gericht zu den Vorwürfen. Noch bleiben Fragen offen.

Bad Wildbad/Tübingen - Im Prozess um den bewaffneten Raubüberfall auf ein Feinkostgeschäft in Bad Wildbad haben sich die drei angeklagten jungen Männer zu den Vorwürfen geäußert. Im Wesentlichen räumten sie die dilettantisch ausgeführte Tat vor der Großen Jugendkammer des Landgerichts Tübingen ein.

Am 21. Oktober vergangenen Jahres war der kleine Supermarkt Milch-Günthner in Bad Wildbad durch drei maskierte Räuber überfallen worden, von denen einer mit einem Baseballschläger bewaffnet war. Die Beute hatte 1780 Euro an Papiergeld betragen. Schon kurz nach der Flucht des Trios hatte die Polizei nach Zeugenhinweisen alle drei mutmaßlichen Täter vor einem Döner-Laden aufgreifen und festnehmen können.

Weil ein Gutachter fehlte, war die Verhandlung am Montag nach der Verlesung der Anklage vertagt worden. Bei der ungewöhnlichen Fortsetzung des Prozesses spielte der psychiatrische Gutachter eine besondere Rolle. Der Vorsitzende Richter Martin Streicher hatte die durchweg aussagewilligen Angeklagten nicht – wie sonst üblich – zunächst zur Person befragt, sondern gleich, nacheinander, zu den Tatumständen.

Zunächst äußerte sich der 19-jährige Nico S. zu den Vorwürfen, den Staatsanwältin Kaija Seiler für den Haupttäter hält, der den Baseballschläger geführt und die Ladeninhaberin mit Drohungen zum Öffnen der Kasse gezwungen haben soll. Nach seinen Angaben hatte er sich am frühen Nachmittag des Tattages in Schömberg mit seinem jüngeren Kumpel Tim S. (Name von der Redaktion geändert) getroffen und beim "Rumhängen" beschlossen, was sie einen "Ladenklau" nannten, um ihren durch Handyverträge und Drogenkonsum erhöhten Geldbedarf auszugleichen.

Die zwei entschieden sich demnach für den Lebensmittelladen unweit von Tims Wildbader Wohnung, verständigten per Facebook ihren älteren Kompagnon Daniel B. und forderten ihn auf, seinen Baseballschläger mitzubringen. Auf dem Weg über Unterreichenbach und Pforzheim konkretisierten sich die Pläne offenbar, und das Trio rüstete sich bei Tim S. mit Tüchern, Müllsäcken und Sonnenbrillen aus, um sich in einem Mauerwinkel zwischen Wohnung und dem Laden für den Überfall zu maskieren.

Die Angaben der ersten beiden Angeklagten deckten sich im Wesentlichen, und auch der eher wortkarge Daniel B. äußerte sich weitgehend übereinstimmend zum Hergang. Dann aber zog der Gutachter, der Tübinger Kinder- und Jugendpsychiater Andreas Stevens, die Initiative an sich und bohrte bei den persönlichen Umständen dieses dritten, des ältesten Beschuldigten nach.

Nach dem Aufstehen mit dem Wodka begonnen

Dabei ergab sich ein besonderes Bild. Der von der Tatbeteiligung her bis dahin eher als Mitläufer erscheinende, zur Tatzeit aber schon 21 Jahre alte Daniel B. hatte nach eigener Aussage Schulden von 16.000 Euro angehäuft, hatte über Jahre hinweg durch Medikamentenmissbrauch, Drogen, psychische und familiäre Probleme und vor allem zunehmend durch exzessives Trinken – bis zu zwei Flaschen Schnaps, dazu viel Bier täglich – den Boden verloren.

Daniel S. gab auch an, am Tattag gleich nach dem späten Aufstehen mit dem Wodkatrinken begonnen zu haben. Ausfallerscheinungen hatte er aber weder nach seinen noch nach den Aussagen seiner mutmaßlichen Mittäter. Als einziger Angeklagter könnte Daniel B. nach Erwachsenen-Strafrecht verurteilt werden. Seinen Tatbeitrag an dem Überfall und die persönlichen Umstände zu klären, wird nach den Geständnissen eine Hauptaufgabe für die Große Jugendkammer sein – neben der Frage, wie brutal die Drohungen gegen die 60-jährige Ladeninhaberin bei dem eher dilettantisch ausgeführten gemeinschaftlichen Raub waren.