Vor dem Rathaus gibt es kaum öffentliche Parkplätze. Foto: Ciarán Mutschler

Gernot Neher legt nach 15 Jahren im Gremium Karten auf Tisch: Willkür, "Räuberzivil" und Unfreundlichkeit.

Bad Wildbad - 15 Jahre lang war Rolf Gernot Neher Stadtrat in Bad Wildbad. Und auch heute, zehn Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Gremium, bewegt den ehemaligen Polizeihauptkommissar noch immer, was in der Bäderstadt passiert. Dabei sind ihm einige Missstände aufgefallen.

Gernot Neher gibt offen zu, dass sein Ausscheiden aus der Kommunalpolitik vor zehn Jahren nicht ganz freiwillig erfolgt sei. "Ich habe mit 60 aufgehört, nachdem die CDU mich nicht mehr nominiert hatte", sagt er. Nach drei Perioden als Stadtrat habe er gesagt: "Wenn ich die vierte Periode mache, möchte ich Fraktionsvorsitzender werden. Das hat denen nicht gepasst." Deshalb sei er, wie andere auch, "abgeschossen" und nicht mehr nominiert worden. Stattdessen seien viele Geschäftsleute in den Gemeinderat gekommen und "die CDU nickt total ab, was der Bürgermeister will". Dennoch will er seine Äußerungen nicht als Abrechnung mit seiner ehemaligen Partei wissen, aus der er im Zuge seiner Nichtnominierung austrat. Vielmehr seien ihm einige Missstände aufgefallen. Und auch viele Bürger hätten sich mit ihm darüber unterhalten.

Einer dieser Missstände sei der Gemeindevollzugsdienst, erzählt Neher: "Das habe ich am eigenen Leib erlebt." So sei er bei der Fahrt mit seinem Auto durch die Innenstadt von einer Mitarbeiterin des Gemeindevollzugsdienstes "wild gestikulierend" angehalten worden, mit den Worten: "Sie fahren viel zu schnell." Dabei habe die Frau ihren Namen nicht genannt und sei auch nicht als Vollzugsbeamtin erkennbar gewesen. "Die laufen rum im Räuberzivil", moniert Neher. Lediglich ein kleines Wappen kennzeichne die "Uniform", die keine sei. In vielen anderen Städten, etwa in Neuenbürg oder Calw, trügen die Vollzugsbeamten Uniformen mit Aufschrift Ordnungsamt oder Polizeibehörde und teilweise auch Mützen. "Selbst private Unternehmen tragen Uniformen, nur in Bad Wildbad gibt es Räuberzivil", sagt er weiter.

Außerdem habe die Vollzugsbeamtin gar kein "Anhalterecht nach Paragraf 36, Absatz fünf der Straßenverkehrsordnung (StVO). Dies sei ausschließlich der Polizei vorbehalten, sagt der Polizeihauptkommissar im Ruhestand. Das Anhalterecht sei klar geregelt: Das Ordnungsamt sei lediglich zuständig für den ruhenden und nicht für den fließenden Verkehr. Er könnte nun die Vollzugsbeamte wegen Amtsanmaßung anzeigen, aber darum gehe es ihm nicht, sagt er. "Ich will keine Konsequenzen für die Dame. Ich will, dass sie geschult wird", so Neher weiter. Die Leute müssten richtig ausgebildet und uniformiert werden, denn eine Erkennbarkeit gebe es nur mit Dienstbekleidung.

"Wenn ich Fahrzeuge wegen Falschparkens aufschreibe, parke ich nicht selbst im Parkverbot", fordert er. Außerdem herrsche seiner Meinung nach keine Gleichbehandlung. Es müsse gelten: "Gleiches Recht für alle." Stattdessen würden Autos von Hilfsdiensten, Stadträten oder anderen "honorigen Personen" nicht kontrolliert, aber die Kleinen oder Älteren würden aufgeschrieben, sagt er weiter. Auch von "vielen Bürgern" sei ihm erzählt worden, dass der Ordnungsdienst "ziemlich willkürlich einschreitet", so Neher weiter.

Anfragen zu diesen Sachverhalten seien bislang sowohl vom Ordnungsamt als auch von der Beschwerdestelle, die beim Hauptamt angesiedelt ist, unbeantwortet geblieben.

Hierbei fragt er sich außerdem, wie ein Polizeibeamter aus dem mittleren Dienst ein Ordnungsamt leiten kann. Ein Amtsleiter brauche eine Verwaltungsausbildung. "Das ist in meinem Augen eine Amtsstelle für den gehobenen Dienst", so Neher. Auch der Hauptamtsleiter habe keine Ausbildung im gehobenen Dienst.

Ein Dorn im Auge des Altstadtrates

Ein weiterer Dorn im Auge des ehemaligen Stadtrats ist die Parksituation bei den öffentlichen Ämtern. Egal ob am Rathaus in Bad Wildbad, dem Technischen Rathaus oder vor dem Rathaus in Calmbach: Es gebe keine Parkplätze für die Bürger, die Anfragen haben. Neher bezeichnet das als "Unfreundlichkeit der Stadt". Hinter dem Technischen Rathaus seien fast alle Parkplätze für Mitarbeiter oder Besucher der Arztpraxis. Dafür, dass Dienstfahrzeuge dort stehen, habe er Verständnis, aber warum bräuchten die Mitarbeiter da einen eigenen Parkplatz? Am Rathaus in Calmbach gebe es gar keine Stellplätze und das, obwohl dort das Standesamt untergebracht sei. Auch am Rathaus in Wildbad sei die Situation nicht viel besser, sagt Neher. Dort gebe es Parkplätze für den Bürgermeister, den Amtsboten und den Feuerwehrkommandanten, außerdem einen Behindertenparkplatz und einen 30-Minuten-Platz für die Besucher. Viel zu wenig, findet Neher. "Behindertenplatz und Parkscheibenplatz sind okay, Amtsbote ist okay. Aber müssen der Bürgermeister und der Feuerwehrkommandant direkt vor dem Rathaus parken?" Der Bürgermeister könne sein Auto doch im Quellenhof parken, findet Neher. Vielmehr müsste es seiner Ansicht nach "mindestens zwei bis drei Besucherparkplätze" mit Parkscheibe geben.

Als langjähriger Saunagänger, der auch das Aqua-Fitness-Angebot der Vital-Therme seit vielen Jahren nutzt, sei er "entsetzt, dass man das tolle Bad mit Außenbecken und schöner Freifläche abreißen will" und stattdessen ein Familienhotel hinbauen möchte. Sauna, Dampfbad, Solarien, all dies sei in den günstigen Preis inkludiert. Stattdessen wolle man das Bad in das Neue Eberhardsbad integrieren, "damit Wildbad ein Hallenbad bekommt". Sauna und Dampfbäder gebe es hinterher nicht mehr. Nur noch im Palais Thermal, für das sich nicht jeder begeistern könne und das auch nicht für jeden geeignet sei. Vielleicht sei die Idee mit einem Dach über dem Calmbacher Freibad "gar nicht so schlecht", zeigt sich Neher von einer diskutierten Traglufthalle angetan. "Für mich ist das ein echter Schnappschuss", sagt er. Wenn dies so umgesetzt werde, gebe es kein Außenbecken mehr, keine Freifläche, stattdessen ein Vier- oder Fünf-Sterne-Hotel, in das man "die Leute nicht reinkriegt". Da brauche man 200 Betten, dass sich das lohne, dabei seien doch noch nicht einmal die vorhandenen Häuser voll.

Sorge bereite ihm das immer weiter gehende "Sterben von Läden". Da werde nichts gemacht, "obwohl wir eine City-Managerin haben". Auch die Öffnungszeiten stören ihn, etwa, dass die einzige Apotheke in Wildbad eineinhalb Stunden Mittagspause mache oder der Optiker mittwochnachmittags und samstags geschlossen habe. Es gebe auch Modegeschäfte, die samstags geschlossen hätten. "Wildbad funktioniert so nicht", sagt er. Das sei die Aufgabe einer City-Managerin, auf diese Leute zuzugehen. Die Geschäftsleute müssten sich auf veränderte Öffnungszeiten einstellen. Seiner Meinung nach brauche die Stadt keinen City-Manager. Schließlich gebe es bereits einen "hoch bezahlten Werbeleiter". So könne man "sehr viel Geld sparen", ist er überzeugt.

Überhaupt Geld: Die Finanzen der Stadt beschäftigen den langjährigen Lokalpolitiker noch immer. "Ich finde es toll, was der Bürgermeister macht. Aber er stürzt uns in Schuldenberge. Und das wird nicht offen gesagt", behauptet er. Auch wenn die Stadt viele Fördermittel bekomme, "der Rest muss ja irgendwo herkommen". So ist er gegen die nicht öffentlichen Haushaltsberatungen. "Das muss man der Bevölkerung offen sagen und den Bürgern die Dinge transparent machen und nicht hinter dem Berg und mit den Kopfnickern im Gemeinderat". Neben den Schulden im städtischen Haushalt von rund 15 Millionen Euro habe die Stadt weitere Schulden bei den Eigenbetrieben. Neher schätzt die Höhe auf 15 Millionen Euro bei der Stadtentwässerung, eine Million Euro bei der Bergbahn und den städtischen Anteil der Schulden bei den Stadtwerken auf zehn Millionen Euro. So komme man auf eine Pro-Kopf-Verschuldung von rund 4000 Euro. "Ich fühle mich verarscht, dass alles ausgelagert wird", sagt er.

Ein weiteres Thema, das ihn selbst störe und auf das er auch von vielen Bürgern angesprochen worden sei, sei die Frage, ob denn der Bürgermeister nirgends alleine hingehen könne? Früher sei es so gewesen, dass die Stellvertreter gefordert gewesen seien, wenn der Bürgermeister im Urlaub oder verhindert war. "Jetzt ist der Stellvertreter immer dabei." Er frage sich: "Kann der Bürgermeister nichts allein machen? Entweder bin ich Bürgermeister, dann mache ich meine Sachen und brauche nicht meine Adjutanten".

Nicht nur Kopfnicker und "Vetterleswirtschaft"

Bei der Wahl zum Stellvertreter frage er sich, ob es wieder der gleiche Stellvertreter und warum es immer ein Calmbacher sein müsse. Zumal es ja bei der vergangenen Kommunalwahl keinen eindeutigen Stimmenkönig gegeben habe. In diesem Zusammenhang bemängelte er auch, dass die Stellvertreter nicht in geheimer Wahl gewählt würden.

Laut Neher liegt also so einiges im Argen und er wünscht sich einen offenen Umgang mit den anstehenden Problemen. Außerdem wünscht er sich auch mal kritische Fragen im Gemeinderat und nicht nur "Kopfnicker und ›Vetterleswirtschaft‹".