Nach über 40 Jahren Eingemeindung solle das Kirchturmdenken vonseiten der Stadtteile beendet werden, fordern Gemeinderäte aus Bad Liebenzell. Foto: Fisel Foto: Schwarzwälder-Bote

Kommunales: Rat möchte unechte Teilortswahl überdenken / Antrag von "Offene Liste" zur Satzungsänderung

"Die unechte Teilortswahl (UTW) ist ein Kind der Eingemeindungswellen in den siebziger Jahren." Und sei längst überholt. So stellt es die "Offene Liste" (OL) des Gemeinderats Bad Liebenzell in ihrem Antrag an Bürgermeister Dietmar Fischer dar.

Bad Liebenzell. Anlass für dieses Schreiben gab der Tagesordnungspunkt "Neufassung der Hauptsatzung" in der jüngsten Gemeinderatssitzung. Die Hauptsatzung der Stadt Bad Liebenzell sei im Dezember 1987 neu gefasst und zwischenzeitlich acht Mal geändert worden, stellte Hauptamtsleiter Werner Komenda dem Antrag voraus.

Wesentliche Änderungen hätten sich aus dem Gesetz zur Änderung kommunalverfassungsrechtlicher Vorschriften vom 28. Oktober 2015 ergeben. Der Verwaltungs- und Finanzausschuss hätte nach eingehender Beratung einstimmig die Empfehlung ausgesprochen, dieser Neufassung der Hauptsatzung zuzustimmen. Doch dies tat der Gemeinderat eben nicht.

Fischer befürwortet Änderung des Systems

Der betreffende Tagesordnungspunkt wurde auf mehrheitlichen Beschluss abgesetzt und auf einen späteren Zeitpunkt vertagt. Doch nicht ohne eine Stellungnahme des Bürgermeisters zu diesem strittigen Thema: "Ich persönlich befürworte eine mögliche Änderung sowohl des Wahlsystems als auch der Hauptsatzung." Dem von der OL-Fraktion ins Feld geführten Argument, die UTW sei "nicht wirklich demokratisch", widersprach er jedoch mit Nachdruck; auch dieses Wahlverfahren sei durchaus demokratisch, da es gesetzlich verankert sei.

Dem Vorschlag von Martin Hirschberger (CDU), die Diskussion über eine mögliche Abschaffung der UTW auf eine nachfolgende Sitzung zu verschieben, schloss sich Fraktionskollege Werner Rexer an und fügte hinzu: "Ich möchte diese Sache nicht in einem Schnellschuss erledigen, sondern in Ruhe überlegen." Außerdem solle über dieses Thema auch mit den Ortschaftsräten gesprochen werden. Katrin Heeskens ließ im Namen der SPD-Fraktion wissen, dass sie sofort dem Antrag der OL zustimmen könne, wichtig sei ihr nur, dass die Ortschaften in dem zukünftigen Gremium vertreten blieben.

Im Paragraf 13 "Unechte Teilortswahl" steht in der bisherigen Fassung der Hauptsatzung in Absatz 1: "Die Zahl der Gemeinderäte beträgt gemäß … der Gemeindeordnung 18." Dann folgt die Verteilung der Sitze auf die einzelnen Wohnbezirke, im Falle Bad Liebenzells entsprechend der sieben Stadtteile. Hingegen solle es in der Neufassung der Hauptsatzung nach Ansicht der OL-Gemeinderäte heißen: "Der Gemeinderat besteht aus dem Bürgermeister als Vorsitzendem und 18 ehrenamtlichen Mitgliedern (Stadträten)."

In seinem Plädoyer für eine Abschaffung der UTW führte OL-Fraktionsvorsitzender Volker Kliewer an, dass beim geltenden Verhältniswahlrecht der UTW das Ergebnis der Gesamtzahl der Listenstimmen ausschlaggebend sei. Das führe in der Regel zu vielen Ausgleichsmandaten, folglich zu einem größeren Gremium.

Ortschaftsräte sowie Ortsvorsteher nicht betroffen

"Ich möchte, dass ein kleinerer, arbeitsfähiger Gemeinderat eine kooperative, konstruktive Zusammenarbeit leisten kann und wir die anstehenden Herkules-Aufgaben, übrigens gerne zusammen mit der Verwaltung – nicht gegen die Verwaltung –, als gleichberechtigtes, ambitioniertes Gremium mit dem Mut auch zu unpopulären und unangenehmen Entscheidungen meistern können."

Desgleichen spreche für eine Abschaffung der UTW, so Kliewer, dass nicht nur Sonderstellungen einzelner Stadtteile und Stadträte aufgehoben, sondern auch alle Gemeinderäte dem gleichen Wahlsystem und gleichen Wahlchancen unterliegen würden. Hingegen seien der Forstbestand der Ortschaftsräte sowie die Stellung der Ortsvorsteher von dieser angestrebten Änderung nicht betroffen, unterstrich der Fraktionssprecher.

"Nach über 40 Jahren ist es an der Zeit, den Diskussionen über Kirchturmpolitik, bestimmte Sonderregelungen und deren Abschaffung nun auch mal Taten folgen zu lassen", begründete Kliewer seinen Appell an die Ratskollegen und seinen Auftrag an die Verwaltung, die erforderlichen formalen Schritte zur Erstellung einer Satzung zur Änderung der Hauptsatzung einzuleiten und gegebenenfalls notwendige Beschlüsse dem Gemeinderat vorzulegen.