Gemeinderatssitzung: Kommune hebelt nachträglich notariellen Kaufvertrag aus / Kontroverse Diskussion im Gremium

Bei aller Einigkeit zum Haushalt 2020 – der Bad Liebenzeller Gemeinderat kann auch Kontroverse nach wie vor ziemlich gut. Das wurde während der jüngsten Sitzung bei Tagesordnungspunkt 16 deutlich – dem Entscheid über die Ausübung eines Vorkaufsrechts für ein Waldstück in Unterlengenhardt.

Bad Liebenzell. Worum es geht: Mit dem notariellen Kaufvertrag vom 29. Januar dieses Jahres sollte das Grundstück mit der Flurstück-Nummer 181/2 auf der Gemarkung Unterlengenhardt ("Unterer Wald") mit einer Größe von exakt 9455 Quadratmetern den Besitzer wechseln. Bei dem Areal handelt es sich um ein Wald-Grundstück mit "einem durchschnittlich wertigen Bewuchs mit Nadelholz", so der Wortlaut der Sitzungsvorlage.

Verbesserung der Struktur sowie Sicherung der Erholungsfunktion

Allerdings liegt das Grundstück im ausgewiesenen Naturpark Nordschwarzwald und ist dem in Planung befindlichen Heilquellenschutzgebiet zugeordnet. Außerdem kreuzen mehrere Wegeverbindungen "mit katastermäßig verorteten forstwirtschaftlichen und touristischen Erschließungsachsen" das Gelände. Vor allem aber: Angrenzend an das Grundstück besitzt die Stadt Bad Liebenzell bereits großflächig eigene Waldgrundstücke, die als "Erholungswald der Stufe zwei" ausgewiesen sind – womit die Kommune ein gesetzlich abgesichertes Vorkaufsrecht (nach § 25 Landeswaldgesetz Baden-Württemberg) hat, wenn eine benachbarte Fläche in den Verkauf geht.

Die Ausübung des Vorkaufsrechts solle dabei ausschließlich der Verbesserung der Waldstruktur sowie der Sicherung der Schutz- und Erholungsfunktion des Waldes dienen. Zusätzlicher Hintergrund: Die Kommune kann solche (eigenen Wald-)Flächen auch für den Erwerb von sogenannten "Ökopunkten" einsetzen, mit denen umweltschutzrechtlich geforderte Ausgleichsmaßnahmen bei der Erschließung von Neubau- und Gewerbegebieten verrechnet werden können. "Was bisher für uns immer ein sehr großer Kraftakt war, um beispielsweise beim Gewerbegebiet in Unterhaugstett solche Ökopunkte zusammenzukratzen", wie Bürgermeister Dietmar Fischer erklärte.

Trotzdem hatte etwa Gemeinderat Sebastian Kopp (UL) "erhebliche Bauchschmerzen" mit einer solchen faktischen Enteignung eines Grundstücksbesitzers – zum einen, weil man damit einen Präzedenzfall schaffe und als "böse Kommune" dastehe. Zum anderen, weil der Preis für dieses Grundstück aktuell deutlich über Marktwert sei. Seine Sorge: Dass nun Grundstücksverkäufer unter Umständen stets "Fantasie-Preise" aufrufen könnten, wenn die Stadt Bad Liebezell doch alles an Grundstücken aufkaufe, was sie kriegen könnte.

Vorschlag: alternative Fläche aus städtischem Besitz zum Tausch anbieten

Weshalb Bürgermeister Fischer darauf hinwies, dass man als Kommune grundsätzlich immer die Möglichkeit hätte, viel zu hoch über dem üblichen Marktpreis liegende Forderungen durch ein Wertgutachten überprüfen und marktgerecht anpassen zu lassen. Wovon man aber im vorliegenden Fall keinen Gebrauch machen wolle, um hier dem Verkäufer keine Nachteile entstehen zu lassen.

Gemeinderat Thomas Eisinger (CDU) regte an, ob man dem eigentlichen Grundstückskäufer nicht eine alternative Waldfläche aus städtischem Besitz zum Tausch anbieten könnte – oder eine sonstige Alternative. Um die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Stadt auch für diesen akzeptabel zu machen. Bürgermeister Fischer wies hier darauf hin, dass man das im Vorfeld bisher nicht geprüft habe, es aber für die Stadt eigentlich auch darum gehe, ihre eigenen Waldflächen systematisch zu vergrößern.

Was aber sicher immer möglich sei, so Fischer: Interessenten städtische Waldflächen zur Bewirtschaftung – also zum privaten "Holz machen" – zu überlassen. Dafür, sagte Fischer zu, werde man nun auch das Gespräch mit dem eigentlichen Grundstückskäufer suchen und ihm gegebenenfalls ein solches Angebot unterbreiten.

Letztlich genehmigte der Gemeinderat mit elf Ja- und vier Gegen-Stimmen bei zwei Enthaltungen die Ausübung des Vorkaufsrechts für das Waldstück in Unterlengenhardt. Es steht allerdings bis auf Weiteres noch unter dem Vorbehalt, dass keine Ausschlussgründe dagegen sprächen. Bedeutet: Sowohl dem Grundstücksverkäufer als auch dem eigentlichen Käufer steht noch der Rechtsweg gegen diesen Entscheid offen.