Frank Ciesle (links), Leiter der Zedakah-Zentrale, und Gabriel Stängle, Realschullehrer und Initiator der Ausstellung. Foto: Wallburg

Am 9. November jähren sich in Deutschland mehrere historisch bedeutende Ereignisse zu unterschiedlichen Zeitpunkten: Der Fall der Berliner Mauer 1989, die Reichspogromnacht 1938, der Hitlerputsch 1923, die Novemberrevolution 1918 und das Scheitern der Märzrevolution 1848.

Bad Liebenzell. Der "Schicksalstag" 9. November symbolisiert die Hoffnungen der Deutschen, aber auch den Weg in die Verbrechen des Dritten Reiches. Die Ausstellung "Judenverfolgung im Nordschwarzwald" thematisiert noch bis zum 19. Dezember in der iP-Bildung und Begegnungsstätte in der Talstraße 100 in Bad Liebenzell speziell den Leidensweg der Juden, die ihren ständigen Wohnsitz in den 1930er-Jahren hier im Landkreis Calw hatten und zeigt auch auf, wie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis heute mit dem Thema umgegangen wurde. Gabriel Stängle, Realschullehrer und Theologe, unterrichtet an der Christiane-Herzog Realschule in Nagold und veröffentlichte mit fünf Schülern gemeinsam 2017 das Buch "Wir waren froh, als es vorbei war".

Schau vorher gründlich überarbeitet

In seinem Vortrag zur Eröffnung der Ausstellung dokumentierte er an Beispielen die Reichsporogromnacht im Landkreis Calw, wo zwar keine Synagoge brannten, trotzdem die Nacht für die ortsansässigen Juden mit schlimmen Folgen verbunden war. Die 2016 erstmals gezeigte Wanderausstellung über die Judenverfolgung im Oberen Nagoldtal wurde für dieses Jahr, dem Jubiläumsjahr "1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland" grundlegend überarbeitet, wie Stängle erläuterte. Anhand einer Symbolkarte ging er auf einige der vielen Betsäle und Synagogen zwischen Pforzheim und Tübingen ein mit gewissen Schwerpunkten in Calw, Schömberg und Bad Wildbad. Sind Pforzheim, Königsbach oder die sogenannten "Judendörfer" wie Baisingen oder Rexingen die einzigen Orte der Entrechtung, Zerstörung, Vertreibung und Vernichtung? Darüber informiert die Wanderausstellung tiefgründig. Mit Dokumentationen wie jener über eine Äußerung von Eugen Stähle zu seiner Tochter vor einer brennenden Synagoge in der Stuttgarter Hospitalstraße am 10. November 1938: "Das, was ihr hier erlebt, darauf haben Generationen vor euch gewartet. Was ihr gerade erlebt ist Weltgeschichte, wofür euch künftige Generationen beneiden werden", versucht die Ausstellung das unfassbare und in Worten nicht zu beschreibende Leid und Unrecht in Erinnerung zu rufen.

Zu jener Zeit gab es durchaus aber auch mutige Menschen wie den Lenninger Pfarrer Julius von Jan, der zum Buß- und Bettag 1938 predigte: "Die Leidenschaften sind entfesselt, die Gebote Gottes missachtet, Gotteshäuser, die andern heilig waren, sind ungestraft niedergebrannt worden, das Eigentum der Fremden geraubt oder zerstört, Männer, die unserem deutschen Volk treu gedient haben und ihre Pflicht gewissenhaft erfüllt haben, wurden ins Konzentrationslager geworfen, bloß weil sie einer andern Rasse angehörten".

Er war ein deutscher evangelischer Pfarrer und mutiger Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus und gehörte zu den viel zu wenigen Vertretern des christlichen Widerstands gegen die damalige antisemitische Politik, wie Gabriel Stängle betonte.

Stängle mahnte abschließend an, auch zukünftig das Schweigen zu durchbrechen, jede Gelegenheit in Schulen, Universitäten, Gottesdiensten oder Städtepartnerschaften bis hin zu richtungsweisenden Entscheidungen in der großen Politik zu nutzen, miteinander ins Gespräch zu kommen, über diesen Wahnsinn zu reden und die Krise der Erinnerungskultur zu überwinden. Vor 1700 Jahren, im Jahre 321, wurden in Köln erstmals Juden urkundlich erwähnt.

Die nationalsozialistische Schreckensherrschaft brachte jüdisches Leben beinahe zum Erlöschen. Frank Riesle moderierte den Abend und verwies noch auf die Folgevorträge im Zedakah -Gästehaus am 24. November ab 19 Uhr: Erlebnisse im Nachkriegsdeutschland bis heute, Lebensbericht von Freddy Kahn sowie am 2. Dezember ab 19 Uhr: Jüdisches Leben in Schömberg mit Bernd Brandl, Mitglied des evangelischen Kirchengemeinderats in Schömberg.