Kunden des Möttlinger Dorfladens: Im Ort finden sie alles für den täglichen Bedarf – und nebenbei einander. Foto: Mikulcic

Kurz vor einjährigem Geburtstag des Geschäfts stehen Zeiger auf fünf vor zwölf: Kunden kaufen zu wenig ein.

Bad Liebenzell-Möttlingen - Uta Müller-Vetter hat Druck. Gehörigen Druck. Wenn sie nicht bald mehr verkauft, muss sie den Laden dicht machen.

Für die örtliche Nahversorgung in Möttlingen stehen die Zeiger auf fünf vor zwölf. Dass in dieser prekären Situation keine Hochstimmung aufkommen kann, liegt irgendwie nahe. Zum einjährigen Jubiläum des Dorfladens am 17. und 18. April will Betreiberin Müller-Vetter mit ihrer Kundschaft dennoch ein bisschen feiern. Die Leute sollen spüren: Auf uns kommt es an.

Das tut es tatsächlich. 5000 Euro Fixkosten sind jeden Monat fällig. Die wollen erst einmal verdient sein. "Für die 5000 Euro muss ich viel verkaufen", so Müller-Vetter. Wenn ein treuer Kunde wegzieht oder stirbt, macht sich das sofort bemerkbar. Und trübt die Aussichten weiter ein. Wer alles zum Discounter-Preis haben muss, wird sein Geld woanders hintragen. "So billig, wie’s der Discounter kauft, kauf ich’s nicht mal ein", sagt die Betreiberin. Was sie im Einkauf günstig erhält, gibt sie so an den Kunden weiter.

Fällt sie unter einen festgelegten Jahresumsatz, werden die Lebensmittel im Einkauf für sie noch teurer. "Eins muss den Leuten klar sein", sagt Müller-Vetter, "wenn wir weg sind, kommt keiner nach". Für Rewe, Edeka oder andere Nahversorger sei der Ort uninteressant. Viel zu klein. Doch Müller-Vetter will nicht jammern. "Wenn jeder nur ein bisschen mehr einkaufen würde, das wär’ toll", meint sie. Im Moment wirft der Laden allerdings nichts ab. Im Gegenteil. Fürs Schaffen zahlt sie drauf. So kann auf Dauer keiner arbeiten.

"Dorfladen" – für manchen mag diesem Begriff etwas Veraltetes, etwas Überholtes anhaften. Kleines Sortiment, Ramsch, muffig, überteuert. Wie schnell ist ein vernichtendes Urteil gefällt. Umso tragischer, wenn es sich dabei um ein Vorurteil handelt. Eine Ecke mit ausgewählten Geschenkartikeln, selbstgemachten Wurstsalat, über 20 Sorten Ritter Sport, Trauerkarten, Salate vom Wochenmarkt, Bäcker-Brot und Metzger-Fleischwaren, mehrerlei Brühepulver, Falafel-Mischungen für Veganer, Pfirsich-Konserven in drei verschiedenen Ausführungen, Backhonig und Spezialitäten von der Sessler-Mühle – all das ist im Möttlinger Dorfladen erhältlich. Von ganz grundlegend bis ganz schön erlesen.

Gemessen an dem kleinen Ladenraum ist das Sortiment wirklich beeindruckend. Doch wenn der Laden stirbt, stirbt nicht in erster Linie dieses persönliche, achtsam zusammengestellte Sortiment. Es geht um mehr.

"Wir sind der Allround-Laden", sagt Müller-Vetter. Bei diesem Satz kann sie sogar ein bisschen lachen. Im Ladenraum lacht die Kundschaft. Wer sich beim Einkaufen trifft, grüßt sich zumindest. Meist werden ein paar Sätze gewechselt. Auf diesen paar Quadratmetern lebt wesentlich mehr als nur ein bisschen Ware.

Gerade für die älteren Mitbewohner, die kein Auto haben, um außerorts einzukaufen, sei der Laden eine wichtige Anlaufstelle, berichtet Müller-Vetter. Bei Bedarf wird sogar der Korb gepackt und nach Hause geliefert.

"Die Leut’ wo regelmäßig kommet, sind gottfroh, dass es uns gibt", so die Betreiberin. Es sei ihr Bestreben, den Laden zu erhalten, erklärt sie. Doch ihr Wille allein wird das Kind nicht schaukeln. Die Post läuft, das ja. Die Leute kommen, bringen Päckchen, holen Briefmarken. Die eigentlichen Waren interessieren nur bedingt. Und nur von der Post leben? Es ist einfach nicht drin.

"Isch des toll, dass i an Lada hab. Aber i geh net nei zum Eikaufa", bringt Müller-Vetter zum Ausdruck wie die positive Grundhaltung dem Dorfversorger gegenüber und das tatsächliche Einkaufsverhalten zueinander in Widerspruch stehen.

Aus Neuhengstett, Unterhaugstett und Münklingen käme mancher. Aber unterm Strich bleibt in der Kasse zu wenig zurück. "Wenn da kein Laden mehr ist, das wäre einfach schade fürs Dorf", sagt Müller-Vetter, ohne dass in ihrer Stimme ein Vorwurf mitschwingt.

Etwas Wehmut aber ist deutlich vernehmbar. Schlangen müsse man bei ihr nicht fürchten; das Ohr für Extrawünsche sei offen. Auch Textilienreinigung bietet sie an. Noch. Wenn sich nichts ändert, war’s das dann erstmal für die Möttlinger Nahversorgung.