Mario Babilon informierte über die etwaigen Gefahren von Strahlung Foto: Biermayer Foto: Schwarzwälder Bote

Gesundheit: Vortrag zum Thema im Bürgersaal Bad Liebenzell / Uneindeutige Forschungslage

So viel Strahlung von WLAN, Funkmasten oder Bluetooth – das kann ja nicht gesund sein. Dies ist zumindest die Meinung vieler Menschen. So auch von Mario Babilon, wie er bei einem Vortrag im Bürgersaal verdeutlichte. Aber was ist an dieser Behauptung dran?

Bad Liebenzell. Es scheint ein Thema zu sein, das viele Menschen beschäftigt. Rund 180 Interessierte waren zu dem Vortrag in den Bürgersaal im Rathaus gekommen. Es waren sogar so viele, dass einige Besucher stehen oder auf dem Boden sitzen mussten.

Der Physiker Mario Babilon ist Professor an der DHBW in Stuttgart und ist dort Studiengangsleiter für Informatik. Auf Einladung des Liebenzeller Arztes Johannes Fehr hielt er nun einen Vortrag zum Thema "Biologische Wirkungen des Mobilfunks".

Babilon wohnt selbst in Bad Liebenzell. Er ist dort hingezogen, da er nach eigenen Angaben unter Elektromagnetischer Hypersensibilität (EHS) leidet. EHS-Betroffene reagieren laut ihm empfindlich auf allerlei Strahlungsquellen wie Smartphones, WLAN, Funktürme oder Bluetooth. Diese lösten bei ihnen Symptome wie beispielsweise Müdigkeit, Kopfschmerzen, generelle Unruhe oder Depressionen aus. In Liebenzell sei die Strahlenbelastung gering, so Babilon. Deshalb könne er hier noch einigermaßen uneingeschränkt leben. Trotzdem bat er die Anwesenden, ihre Smartphones in den Flugmodus zu versetzten oder auszuschalten.

Babilons Anliegen war es, sich in seinem Vortrag der Thematik aus einer wissenschaftlichen Perspektive zu nähern. Er stellte die gesetzlichen Grenzwerte in Bezug auf die Strahlendosis in Frage. Diese berücksichtigten nur thermische Effekte, also Reizungen der Haut, die durch diese Strahlungen erzeugt werden könnten. Hier seien die wissenschaftlichen Erkenntnisse unbestritten. Er legte aber auch Wert auf sogenannte athermische Effekte, wie er und andere EHS-Betroffene sie erlebten. Diese seien in den bisherigen Grenzwerten nicht berücksichtigt. Das gleiche gelte für etwaige Langzeitwirkungen.

Er erklärte, dass sich die Frequenzen der elektromagnetischen Felder von WLAN und Mobilfunk im gleichen Bereich befänden, wie die der Zellkommunikation im Körper. Die Verbraucherschutzorganisation diagnose:funk (DF) habe 1594 Studien zu den Auswirkungen des Mobilfunks gesammelt. Ungefähr 800 davon fänden biologische Auswirkungen, so Babilon.

Er machte auf die unterschiedliche Interpretation der Studien aufmerksam. Während er und DF durchaus Gefahren sähen, empfänden Moblifunkverbände und staatliche Stellen wie das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) keinen Handlungsbedarf.

Tumore in Herz und Hirn

Dies führte er auf wirtschaftliche und politische Interessen am Ausbau des Moblifunks zurück. Interessenverbände der Industrie versuchten Forscher und ihre Ergebnisse zu diskreditieren. Jedoch hätten auch Untersuchungen von staatlicher Stelle in den USA ergeben, dass es Hinweise auf einen Zusammenhang von Tumoren und der Belastung durch Mobilfunkstrahlung gebe. Diese Studie setzte Ratten über einen längeren Zeitraum einer erhöhten Strahlendosis aus. Die Wirkweise der Strahlung sei hier der oxidative Stress für die Zellen. Die Tiere zeigten vor allem Tumore in Herz und Hirn. Auch erhöhte Zahlen von Krebserkrankungen im Allgemeinen führte Babilon als Beweis an. Zudem sprach er von ähnlichen Effekten bei Mobilfunk-Basisstationen und WLAN. Außerdem müsse man beachten, dass man in der Realität vielen Strahlungsquellen auf einmal ausgesetzt sei und nicht nur einer Strahlungsart, wie in vielen Experimentalstudien.

Ganz so eindeutig wie Babilon den Sachverhalt in seinem Vortrag dargestellt hat, zeigt er sich bei genauerem Hinschauen – auch auf seine Folien – aber nicht. Die erhöhte Zahl von Krebserkrankungen die er genannt hat, bezieht sich auch auf Krebserkrankungen im Allgemeinen, vorrangig bei jungen Menschen. Diese können aber vielfältige Ursachen haben und nicht nur durch Mobilfunkstrahlung ausgelöst werden.

Ein weiteres Problem liegt in der Natur der Forschung. Bei Laborexperimenten werden die Versuchstiere oft sehr hohen Strahlungsdosen ausgesetzt. Die Übertragbarkeit der Ergebnisse in die Realität und auf den Menschen ist deshalb nur eingeschränkt möglich. Feldstudien, bei denen Menschen in ihrem realen Umfeld untersucht und befragt werden, haben das Problem, dass nicht alle Störfaktoren kontrolliert werden können. Für etwaige Erkrankungen können auch Ernährung, Lebensstil und andere Umweltfaktoren die Ursache sein.

Außerdem gibt es auch zahlreiche Studien, etwa den Rest der 1594, die Babilon erwähnt hat, die keinen Zusammenhang zwischen elektromagnetischer Strahlung und Erkrankungen wie Tumoren finden. Auf diese ging Babilon in seinem Vortrag kaum ein.

Das EHS ist als Krankheitsbild unter Medizinern umstritten. Hier gibt es Studien die zeigen, dass Betroffene nicht zuverlässig angeben können, ob sie Strahlung ausgesetzt sind oder nicht. Skeptiker deuten auf andere mögliche Ursachen für die Symptome. EHS ist deshalb in Deutschland auch nicht offiziell als Krankheit anerkannt, ebenso listet die WHO die Krankheit nicht in ihrem Katalog. Womit nicht gesagt ist, dass es die Krankheit oder die Gefahren elektromagnetischer Strahlung nicht gibt. Nur stützt der jetzige Forschungsstand keine eindeutige, zweifelsfreie und alleinige Zuschreibung von der Strahlung zu bestimmten Symptomen und Krankheiten. Darauf beruft sich auch das BfS wenn es sagt, dass bei Einhaltung der Grenzwerte keine Gefahr für die Bevölkerung bestehe.

Machen WLAN und Handystrahlung krank? Diese Frage kann weder sicher mit Ja noch mit Nein beantwortet werden. Sicher scheint nur, dass es in diesem Bereich noch weiterer unabhängiger Forschung bedarf.