Die SPD-Bundestagsabgeordnete Saskia Esken (Zweite von links) machte sich ein Bild über das Bürger-Rufauto. Foto: Stocker

Bundesweite Aufmerksamkeit für Einrichtung in Bad Liebenzell. Bundestagsabgeordnete Esken macht sich Bild.

Bad Liebenzell - Bundesweite Aufmerksamkeit hat es für das Gerichtsverfahren um den Betrieb der Bürger-Rufautos in Bad Liebenzell gegeben. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte die Start- und Zielfahrten des Bürger-Rufautos verboten. Doch der Rechtsstreit geht weiter.

Mit Spannung wird der Ausgang des Antrags zur Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg durch die Stadt erwartet. Das Bad Liebenzeller Bürger-Rufauto, das ein Trägerverein mit Gesamtverantwortung und rechtlicher Vertretung durch die Stadt betreibt, könnte dabei zum Präzedenzfall für zahlreiche andere Kommunen mit ähnlichen Einrichtungen werden.

"Dreh- und Angelpunkt ist der Paragraf 102 der Gemeindeordnung, der Kommunen unter anderem untersagt, Angebote zu machen, die ein privatwirtschaftlicher Anbieter erfüllen kann", sagte Hauptamtsleiter Werner Komenda. Er war in dem kleinen Kreis von Interessierten, die zum Austausch über das Bürger-Rufauto mit der Bundestagsabgeordneten Saskia Esken kamen. Die frühere Stadträtin ider Kurstadt war an der Neuorganisation beteiligt, nachdem der Kurbus wegen zu hohen Abmangels vor sechs Jahren abgeschafft worden war. "Man muss das Thema auch politisch betrachten. Gerade der ländliche Raum und die älter werdende Bevölkerung brauchen ein besonderes Augenmerk für Bedingungen, die privatwirtschaftlich nicht leistbar sind", sagte sie.

"Wir waren von Anfang an bestrebt, das Angebot in Einklang mit Bus und Taxi zu bringen", sagte Komenda. Die Stadt habe deshalb mehrere Gespräche geführt, doch der betreffende Taxiunternehmer habe an den Gespräche nur einmal teilgenommen. Ursprünglich habe er auch keine Bedenken geäußert. Dabei seien beispielsweise Regelungen für ein Zeitfenster von 30 Minuten rund um die Anbindung des öffentlichen Personennahverkehrs getroffen worden, in dem kein Rufauto fahre.

Ohne Gewinnabsicht

"Unser Klientel fährt kein Taxi und würde ohne Rufauto eher Familie oder Nachbarschaft in Anspruch nehmen, vor allem bei Dingen des täglichen Bedarfs", widersprach Hans-Dieter Teske, zweiter Vorsitzender des Trägervereins Annahmen, zahlungskräftige Kundschaft zu bedienen. "Wir sind kein Wirtschaftsbetrieb und engagieren uns ohne Gewinnabsicht. Vielmehr spielt der Wohlfahrtsgedanke bei uns eine Rolle", unterstrich er. Teske machte deutlich, dass zwei Drittel der Fahrgäste über 75 Jahre alt oder behindert seien. Anhängig sei deshalb derzeit beim Finanzamt Calw die Anerkennung der Gemeinnützigkeit für den Verein. Teske hat in den viereinhalb Jahren seines Wirkens mehr als 800 Bürger bei rund 20.000 Fahrten transportiert und etwa 212.000 Kilometer zurückgelegt.

"Es ist auch für uns Fahrer ein Gewinn, die Menschen kennenzulernen, die in der gleichen Stadt wohnen. Und für die An- und Einbindung der Teilorte, die vom Kurbus nicht angefahren wurden, ist das Rufauto ein Quantensprung mit sozialen Aspekten", sagte Teske.

Der Stadtseniorenrat habe das Rufauto von Anfang an unterstützt, da Ältere und Einkommensschwache davon profitierten, stellte Gernot Wendlandt, Vorsitzender des Stadtseniorenrates, fest. Taxis seien zu teuer. "Ich war Hartz-IV-Empfänger und froh um das Angebot, als mein Auto kaputtging, während ich auf Arbeitssuche war", berichtete ein Besucher.

Ein Signal konnten Komenda und Teske bereits aussenden: "Wir werden in jedem Fall eine Lösung suchen, das Angebot aufrechtzuerhalten", betonten sie. "Es ist wichtig, notwendig und wertvoll, dass Ideen, die aus der Gesellschaft heraus geboren werden, Unterstützung finden", sagte Esken dazu.

Seite 2: Gemeindeordnung

Paragraf 102 der Gemeindeordnung lautet: "Die Gemeinde darf ungeachtet der Rechtsform wirtschaftliche Unternehmen nur errichten, übernehmen, wesentlich erweitern oder sich daran beteiligen, wenn 1. der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt, 2. das Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zur Leistungsfähigkeit der Gemeinde und zum voraussichtlichen Bedarf steht und 3. bei einem Tätigwerden außerhalb der kommunalen Daseinsvorsorge der Zweck nicht ebenso gut und wirtschaftlich durch einen privaten Anbieter erfüllt wird oder erfüllt werden kann."