Foto: Schwarzwälder Bote

Irgendwie schade, dass diese Sitzung des Bad Liebenzeller Gemeinderats vor nahezu

Irgendwie schade, dass diese Sitzung des Bad Liebenzeller Gemeinderats vor nahezu leeren Rängen stattfand, wenn auch an besonderer Stätte – im Spiegelsaal des Kurhauses, "dem schönsten Saal des Nordschwarzwald", wie Bürgermeister Dietmar Fischer es formulierte. Denn es war eine historische und denkwürdige Sitzung.

Sie haben ihn redlich verdient – die Bad Liebenzeller Gemeinderäte: Applaus für dieses Bravourstück. Und auch Stadtverwaltung und Bürgermeister. Hinter den Kulissen wurde monatelang geackert – sicher auch gestritten –, um einen Haushalt 2020 vorlegen zu können, den alle Räte aus allen Fraktionen mittragen können. Diese eindrucksvoll dokumentierte Einigkeit kommt genau zum richtigen Zeitpunkt – denn mit der Corona-Krise ist noch sehr viel weniger Platz für Streit und öffentliche Grabenkämpfe. Die Herausforderungen sind enorm. Der monatliche Fehlbetrag von Kurhaus und Therme spricht Bände. Den neuen Spirit, die neue Einigkeit im Gemeinderat wird man brauchen, um durch diese Krise halbwegs ungeschoren durchzukommen. Aber der neue, konstruktive Arbeitsmodus im Gremium rechtfertigt das Vertrauen, dass dieses Team das auch schaffen wird. Gemeinsam.

Bad Liebenzell. Nicht nur, weil es die wohl derzeit einzige echte Präsenz-Sitzung eines Gemeinderats im weiten Umkreis war. Eigentlich sind aktuell ja solche Zusammenkünfte wegen der Corona-Gefahren rigoros verboten. Aber "in Abstimmung mit der Kommunalaufsicht" (Zitat Fischer) gab’s für Bad Liebenzell und diese Sitzung eine Ausnahme – wenn auch mit diversen Auflagen, wie etwa zum Mindestabstand zwischen den einzelnen Teilnehmern. Hintergrund für die Ausnahme: Bad Liebenzell braucht fürs laufende Jahr einen Haushalt. Dringend. Und der darf nur auf einer öffentlichen Präsenz-Sitzung eines Gemeinderats verabschiedet werden.

Womit diese besondere Gemeinderatssitzung "alternativlos" gewesen sei, so der Bürgermeister. Wodurch aber das gesamte Geschehen auch eine sehr bemerkenswerte Aura des Außergewöhnlichen erhielt. Man möchte schon fast sagen: "historisch" war, was da passierte. Und das nicht nur, weil eben der Haushalt 2020 für Bad Liebenzell der erste nach dem neuen Haushaltsrecht (Doppik) erstellte Haushalt ist. Sondern auch, weil die Entscheidung für diesen Haushalt – in ja gerade extrem schwierigen Zeiten – im Gremium letztlich einstimmig fiel. Quer durch alle Fraktionen Zustimmung. Auch – das klang aus den einzelnen Haushaltsreden ein wenig heraus – echter Stolz.

Weniger auf sich, auf das Durchsetzen vermeintlich eigener, wichtiger Projekte in diesem Mammut-Haushalt. Sondern vor allem wegen der konstruktiven Zusammenarbeit der für Bad Liebenzell ja auch (noch) ein wenig ungewöhnlichen Eintracht zwischen den Räten auch unter schwierigen Rahmenbedingungen.

Denn die sind wegen der historisch recht hohen Schulden der Stadt sowieso schon herausfordernd. Trotzdem gelang es, gemeinsam für 2020 ein Investitionsvolumen von mehr als 10,3 Millionen Euro zu realisieren – bei einer Netto-Neuverschuldung von "nur" rund 3,4 Millionen Euro.

Wobei, wie Stadtrat Maik Volz (CDU) in seinem Statement anmerkte, es nur sehr wenig gab, was in der Entwurfphase aus den ursprünglichen Planungen des Haushalts herausgestrichen wurde. "Wir sind einstimmig in der Entschlussphase angekommen." Was, wie gesagt, angesichts der langen Liste an Liebenzeller Investitions-Projekten ziemlich beeindruckend ist: Schulrenovierungen (von denen die der Reuchlin-Schule direkt im Anschluss mit Auftragsvergaben sofort in Angriff genommen wurde), Kindergarten-Sanierungen, Schaffung bezahlbarer Wohnraum, Ausweisung Neubaugebiete, die Freizeit- und Tourismus GmbH. Und noch vieles mehr.

Aber: "Wie sollte man einem Haushalt nicht zustimmen, der am Ende einen Überschuss ausweist?", fragte – wohl ebenfalls stellvertretend für alle Räte – Erich Grießhaber (Grüne). Denn genau dieses Kunststück gelang den Liebenzeller Haushalts-Jongleuren um Kämmerer Lucas Hansen mit diesen ersten Doppik-Haushalt. Wobei, darauf wies Hansen in seiner Vorstellung des Haushalts gleich mehrfach hin, "viele Unsicherheiten" in dem mehr als 600 Seiten starken Zahlenwerk steckten. Schon, weil dies eben der erste Doppik-Haushalt für Bad Liebenzell sei und man noch mit vielen "Unbekannten" habe rechnen müssen. Zum Beispiel fehlt bisher die Eröffnungsbilanz für den Haushalt, die man erst aufstellen kann, wenn der Jahresabschluss 2019 vorliegen wird.

Wobei natürlich auch die aktuelle Ausnahmesituation rund um die Corona-Krise weitere Risiken für den (nun laufenden) Liebenzeller Haushalt aufwirft. "Es gibt große Unsicherheiten auf der Einnahmeseite", so Kämmerer Hansen. Etwa bei den Erträgen aus der Gewerbesteuer; die auch später noch einmal Thema auf der Tagesordnung der Gemeinderatssitzung unter dem Punkt "Anfragen" werden sollte. Da auch die Bad Liebenzeller Unternehmen teilweise komplette Einnahmeausfälle durch die Geschäftsverbote in Rahmen der Corona-Krise zu verkraften hätten, sollten sich betroffene Unternehmen "direkt bei uns, bei der Stadt melden", so Hansen, um eine Stundung oder Aussetzung ihrer im Mai fälligen Gewerbesteuer-Vorauszahlung zu beantragen. In diesem Ausnahmefall sei nicht der übliche Weg über Steuerberater und Finanzamt nötig. Hansen sagte eine schnelle "und unbürokratische Bearbeitung und Gewährung" zu. Wies aber auch darauf hin, dass die tatsächliche Bedürftigkeit in jeden einzelnen Fall trotzdem geprüft würde.

Arbeitsplätze sichern

Aber die eigentlich noch viel größere "Katastrophe" (Zitat Bürgermeister Fischer unmittelbar vor der Gemeinderatssitzung in einem Randgespräch): "Die enormen Ertragsausfälle in der GmbH", so Hansen. Gemeint ist natürlich die Freizeit- und Tourismus-GmbH der Stadt Bad Liebenzell, die unter anderem das Kurhaus und die Paracelsus-Therme betreibt. Durch die behördlich verordneten Schließungen türmt sich ein monatlicher Verlust von rund 370 000 Euro für die Stadt auf, von dem man bisher nicht wisse, wie man ihn wird auffangen können. Also ob zum Beispiel auch für solche kommunalen Unternehmen die geschnürten Rettungsschirme von Bund und Land greifen würden.

Auch deshalb sprach Katrin Heeskens (UL) in ihrer Haushaltsrede davon, dass das Zahlenwerk des Haushalts 2020 eigentlich "reine Theorie" sei, dessen tatsächliches Ergebnis dereinst nicht viel mit dem Haushaltsplan von heute zu tun haben werde. Bei der GmbH sei man etwa im Plan "von einem gleichbleibenden Verlust" über die Jahre ausgegangen. "Die Realität jetzt ist völlig unklar." Dem Haushalt falle daher die Funktion zu, "die Basisversorgung der Bevölkerung" zu sichern. Alle andere Themen gelte es zurückzustellen.

So in etwa wollte eingangs auch die Verwaltung mit Bürgermeister Fischer und Kämmerer Hansen den Haushalt 2020 verstanden wissen: Die geplanten Investitionsmaßnahmen sollen auch dazu dienen, "Arbeitsplätze in der Region zu sichern", indem wie geplant "unser Anteil an Aufträgen für die freie Wirtschaft zur Verfügung gestellt" werde. Damit erfülle das Zahlenwerk des Haushalts 2020 insgesamt vor allem "ein Stück Normalität, die wir alle gebrauchen können".