Christel Ozwirk bereitete Maultäschle für die Theateraufführungen im Kulturtreff Bürgerhaus zu. Fotos: Zoller Foto: Schwarzwälder Bote

Geschichte: Schauspieler des Freien Theaters Bad Liebenzell führen das Stück "Die Lindenwirtin" auf

Bad Liebenzell. "Die Schönheit und der Glanz früher Jahrhunderte erschließen sich in Bad Liebenzell wohl erst auf den zweiten und dritten Blick", erklärt Barbara Schmidtke, Initiatorin und Regisseurin des kultigen Theaterstücks "Die Lindenwirtin". Es feierte im Mai des vergangenen Jahres mit Unterstützung der Freizeit und Tourismus GmbH unter der Leitung von Tourismus-Direktorin Kerstin Weiss seine Premiere in der Kur- und Bäderstadt.

Das Hauptaugenmerk der Autorin lag darin, das Leben um die Jahrhundertwende zu skizzieren und mit einem ungewöhnlichen Theater-Konzept ein Unterhaltungsstück zu präsentieren, bei dem man sehen, hören, riechen und schmecken kann.

Zum Auftakt der Veranstaltung erleben die Besucher eine historische Stadtführung durch das untere und obere Bad Liebenzell, bevor sie sich an frisch zubereiteter Hausmannskost im ehemaligen "Gasthaus zur Linde" in der Baumstraße laben. Der heutige Kulturtreff Bürgerhaus ist das Domizil des Freien Theaters Bad Liebenzell und hier beginnt im historischen Jugendstilsaal des Gasthauses der zweite und damit offizielle Teil des Theaterstücks.

Das Leben der Lindenwirtin steckt voller Überraschungen. Gespielt wird die Rolle der Lindenwirtin von der 24-jährigen Medien-Studentin Lea Schmidtke. "Mich reizt an dieser Rolle die Stärke und das Durchsetzungsvermögen der Wirtin Friederike Luise Stark die bereits damals bewies, dass sich auch Frauen wirtschaftlich behaupten können", argumentiert die junge Amateurschauspielerin.

Üblicherweise musste sich Friederike Luise Stark bereits in jungen Jahren um ihren Lebensunterhalt sorgen. Als Bestimmung blieben Ehe und Mutterschaft. Die aufopferungsvolle Hausarbeit gehörte zur Rolle einer guten Hausfrau und war unbezahlt.

Doch um 1900 veränderte sich die Gesellschaft. Man reist mit der Eisenbahn und es entsteht ein Mittelstand mit gehobenem Selbstbewusstsein. Auch die Frauen emanzipieren sich. Obwohl die Gastwirtschaft auf den Namen ihres Mannes läuft, ist es die Lindenwirtin, die die Kinder großzieht und darauf achtet, dass die Wirtschaft floriert. Aus der jungen Frau wird eine geschäftstüchtige Unternehmerin. Wohl deshalb blieb sie in Bad Liebenzell als resolute Wirtin in Erinnerung.

Am Beispiel der Lindenwirtin erzählt die Autorin vom Alltagsleben einer Frau die normalerweise keinen eigenen Beruf ausüben durfte. Der Mann galt als der Versorger. Bis ins 20. Jahrhundert hinein zählten Frauen auf dem Dorf nur zu den Familienangehörigen, die mithelfen. Selbst eine gutbürgerliche Frau war von Beruf nur Ehefrau. Ohne die Zustimmung ihres Mannes durfte eine Verheiratete weder über ihr Geld verfügen noch einer Beschäftigung nachgehen. Bis 1957 hatten in Deutschland Ehemänner das Recht, ihren Frauen Erwerbstätigkeit zu untersagen.

Maultaschen als Essen für arme Leute

Das Schauspiel des Freien Theaters Bad Liebenzell mit der Mostkapelle und Erlebnisgastronomie bietet einen Tag, an dem die Ur-Großeltern noch Kinder waren. Dabei fungiert das "Gasthaus zur Linde" als Kommunikationszentrum mit geselligem Beisammensein. Und dazu gehören Bier und Maultäschle.

Da während der Fastenzeit traditionell kein Fleischverzehr erlaubt ist, haben findige Schwaben das Fleisch einfach in den Maultaschen "versteckt". Damit hatte die Teigtasche handfeste Vorteile. Als ein Gericht der armen Leute, konnten Fleisch-, Brot- und Gemüsereste in der Füllung ebenso wie Kräuter aus dem Garten verarbeitet und so als eine zusätzliche Mahlzeit auf den Tisch gestellt werden. Eine fleischlose Mahlzeit war für Wirte attraktiv. Sie kostete im Speiselokal zwar deutlich weniger als ein Braten mit Wein – brachte dafür aber weitere Gäste. Zudem war die Zubereitung der vegetarischen Speisen weniger aufwendig als die Fleischküchle.

Mit der Industrialisierung gab es billiges Weißmehl. Eier legten die Hühner und Spinat, Zwiebeln und Kräuter kamen aus dem hauseigenen Garten. Was heute als vegetarische Köstlichkeit gepriesen wird, war einst für Geringverdiener die einzige Möglichkeit, um ihre Lebenshaltungskosten "mit Anstand" zu verringern.

Aus der alteingesessenen Bad Liebenzeller Familie von Christel und Karl Ozwirk stammt ein Maultäschle-Rezept für Vegetarier. Die versierte Köchin ließ es sich daher nicht nehmen, Maultäschle eigens für die Theateraufführungen der Lindenwirtin zuzubereiten. Gemeinsam mit ihrem Mann Karl war Christel 2017 mit vollem Einsatz im Ensemble der Lindenwirtin tätig. Mit viel Herzblut stand Christel Ozwirk in der Robe einer Küchenmamsell, also einer leitenden Wirtschafterin mit weißer Haube und schwarzem Gewand am Herd der Gastwirtschaft, wachte über die brodelnden Töpfe und achtete darauf, dass die Maultäschle heiß serviert wurden.

Das Paar half dem Freien Theater ehrenamtlich und erntete zum Ende der Vorstellungen stets tosenden Applaus. 2018 haben sich die fleißigen Helfer in den Ruhestand verabschiedet.

An folgenden Sonntagen gibt es Vorstellungen: 27. Mai und 12. August jeweils ab 16 Uhr, 30. September und 21. Oktober jeweils ab 15 Uhr. Treffpunkt ist an der Trinkhalle im Kurpark. Die Vorstellung dauert einschließlich Stadtführung, Theaterstück bei der Lindenwirtin und Speisen 35 Euro. Anmeldungen werden unter den Telefonnummern 07052/93 33 21 und 07052/40 80 sowie www.theater-bad-liebenzell.de entgegengenommen.