Alle Beteiligten am möglichen Kreiswechsel tauschen in Stuttgart ihre Argumente aus. Foto: Mutschler

Alle Beteiligten tauschen in Stuttgart ihre Argumente aus. Bürgermeister spricht von Mehrkosten bei Umlage.

Bad Herrenalb/Stuttgart - Am Montag fand im Stuttgarter Haus der Abgeordneten die Anhörung zum Kreiswechsel Bad Herrenalbs statt. Die Landtagsfraktionen von Grünen und CDU hatten eingeladen, um nach der Antwort der Landesregierung auf die Große Anfrage noch einmal alle Beteiligten zu Wort kommen zu lassen (wir berichteten).

Uli Sckerl, der innenpolitische Sprecher der Grünen, sagte, dass es für die beiden Fraktionen wichtig sei, den unmittelbar Beteiligten noch einmal die Gelegenheit zu geben, zur Antwort der Landesregierung Stellung zu nehmen. "Es fällt auf: Es ist sehr knapp ausgegangen", stellte er zum Ergebnis des Bürgerentscheids fest. Dies sei im Vergleich zu anderen Bürgerentscheiden in Baden-Württemberg eher ungewöhnlich.

Thomas Blenke, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion und Abgeordneter des Landkreises Calw, verdeutlichte: "Uns ist die Veranstaltung sehr wichtig." Man nehme den formulierten Bürgerwillen ernst und die BI lege Wert auf ein faires Verfahren. "Dieses Verfahren ist an Fairness und Transparenz kaum zu überbieten", so Blenke weiter.

Den Anfang machte dann die Bürgerinitiative (BI) für den Kreiswechsel, vertreten von Martin Knirsch und Hans-Friedrich Scheeder. Sie gingen noch einmal darauf ein, dass auch eine knappe Mehrheit von "nur 43 Stimmen" eine Mehrheit sei. Wer eine Mehrheitsentscheidung derart infrage stelle, habe "ein Problem mit unserer Grundwerteordnung". Eine knappe Mehrheit werde, so behauptet die BI in ihrer Stellungnahme, "geradezu als ein Ablehnungsergebnis dargestellt und eine Minderheit quasi zum Wahlsieger erklärt".

Zudem seien die Aussagen der Landesregierung in der Großen Anfrage "an vielen Stellen nachweisbar falsch". Darüber werde man reden müssen. Genau dieses "darüber reden" fand dann im zweiten Teil der Anhörung aber nicht statt, obwohl sowohl Sckerl als auch Blenke die BI mehrfach dazu aufforderten, diese Vorwürfe zu belegen. Dies geschah mit der Aussage der BI, es würde den zeitlichen Rahmen der Anhörung sprengen, aber nicht.

Nach der "heftigen Kritik" an der Antwort der Landesregierung fand Sckerl dies ein "bisschen enttäuschend" und forderte die Vertreter der BI auf, diese Vorwürfe binnen zehn Tagen schriftlich nachzureichen. Auch Blenke "hätte erwartet, dass Sie die Vorwürfe belegen. Das steht jetzt unbelegt im Raum."

Auch die Stellungnahmen des örtlichen Landkreisabgeordneten seien "zu keinem Zeitpunkt objektiv und sachbezogen" gewesen. "Zum Teil waren es plumpe Drohungen", so Knirsch.

Schule ist wichtiges Thema

Danach gingen die Vertreter der BI auf die aktuelle Situation ein. Um sich entwickeln zu können, brauche Bad Herrenalb weiterführende Schulen. Dies gehe nur in Kooperation mit den anderen Gemeinden des oberen Ettlinger Albtals, die aber dem Schulamt Karlsruhe zugeordnet seien. "Zwischenzeitlich sind fast 80 Prozent der Bad Herrenalber Bevölkerung ausschließlich im Raum Rastatt, Karlsruhe und Pforzheim unterwegs", so die BI-Vertreter weiter.

Die typischen und teuren Aufgaben eines Landkreises wie Krankenhäuser, berufliche oder Sonderschulen könne man nicht in vernünftigem Zeitrahmen in Anspruch nehmen. Das Ettlinger Schulangebot werde von 185 Schülern der Kernstadt und Bernbach angenommen. Außerdem sei Bad Herrenalb seit vielen Jahren Mitglied der Volkshochschule Ettlingen und die Schüler würden zur Jugendverkehrsschule nach Ettlingen statt nach Calw-Hirsau fahren.

Dank der Breitbandinitiative des Landkreises Karlsruhe sei die Stadt bereits heute am Breitband angeschlossen. Auch die Kooperation bei der Tourismusgemeinschaft Albtal Plus habe ständig größere Bedeutung. Der Wegfall der Notariate im nördlichen Teil des Landkreises werde den Trend in Richtung Karlsruhe verstärken, so die BI weiter.

Am Ende stellten die Sprecher ein Acht-Punkte-Programm mit möglichen nächsten Schritten vor. Unter anderem fordert die BI eine Verflechtungsanalyse für den Raum Bad Herrenalb/Dobel und die Klärung des Begriffes "öffentliches Wohl" in Bezug auf Bad Herrenalb. Weiter wird die Entwicklung eines kreisübergreifenden Schulstandortes weiterführender Schulen gemeinsam mit den Gemeinden des oberen Ettlinger Albtals und die Entwicklung eines kreisübergreifenden Gewerbegebietes im Albtal gemeinsam mit Marxzell gefordert.

Der demokratisch geäußerte Wunsch der Bad Herrenalber für eine verwaltungstechnische Änderung liege auf dem Tisch, so Knirsch, der mit den Worten schloss: "Wir vertrauen dem Landtag."

Für den Landkreis Calw ergriff Landrat Helmut Riegger das Wort: "Es gibt keine wesentlichen Gründe es öffentlichen Wohls, die einen Kreiswechsel der Stadt Bad Herrenalb rechtfertigen. Im Gegenteil: Sehr gewichtige des öffentlichen Wohls sprechen für den Verbleib der Stadt Bad Herrenalb im Landkreis Calw." Auch nach der Stellungnahme der BI erschließe sich bis heute nicht, was sich im Falle eines Landkreiswechsels konkret verbessern könnte.

Natürlich bestünden durch die geografische Nähe zum Landkreis Karlsruhe zahlreiche Verbindungen in den Nachbarkreis. Dies sei auch richtig so, sagte Riegger, der sich als "ausdrücklicher Befürworter interkommunaler Zusammenarbeit, auch über Kreisgrenzen hinweg", bezeichnete. Die Verwaltungsgrenze stelle hier keinerlei Hindernis dar, im Gegenteil: Bad Herrenalb nehme durch seine Verflechtungen eine wichtige Brückenfunktion in die Region Ettlingen ein.

"Nicht unberücksichtigt bleiben sollte außerdem, dass das Ergebnis des Bürgerentscheids denkbar knapp ausgefallen ist. Man kann also nicht von einer breiten Identifikation der Bürgerinnen und Bürger Bad Herrenalbs mit dem Landkreis Karlsruhe sprechen", sagte der Calwer Landrat. Vielmehr habe sich die deutliche Mehrheit in den Teilorten Rotensol (68,6 Prozent) und Neusatz (74,6) gegen einen Kreiswechsel ausgesprochen. Ihn hätten hierzu bereits Anfragen mit dem Wunsch erreicht, die beiden Stadtteile bei einem Kreiswechsel aus der Stadt Bad Herrenalb auszugliedern. "Mit einem Wechsel würde eine emotionale Spaltung der Stadt einhergehen", so Riegger.

Stimmung aufgeheizt

Dies bestätigte der Rotensoler Ortschaftsrat Martin Lacroix in der sich anschließenden Fragerunde. Es sei eindeutig: "Die Stimmung im Ortsteil ist recht aufgeheizt." Im Untergrund gebe es "rege Debatten zur Abspaltung". Die Grünen-Abgeordnete Bettina Lisbach (Stadt Karlsruhe) äußerte sich zu den vielen bereits vorhandenen kreisübergreifenden Kooperationen, dass dies auch alles bis jetzt schon ohne Kreiswechsel funktioniere.

Knut Bühler, der Erste Landesbeamte des Landkreises Karlsruhe, sagte, dass sich der Kreis in der kleinsten Rolle sehe und sich mit der Frage, "was wäre, wenn" beschäftigt habe. Der Kreis und die Gemeinden würden erwarten, dass sich Bad Herrenalb an die bestehenden Strukturen anpasse und "nicht verlangt, dass der Kreis alles umkrempelt".

Er erwartet vor allem finanzielle Auswirkungen, etwa eine Verschlechterung der Kreisumlage. Außerdem schätzt er, dass der Kreis Karlsruhe rund 3,1 Millionen Euro soziale Unterstützungsleistungen an Bad Herrenalb zahlen müsste, die Kreisumlage der Stadt aber bei weniger als drei Millionen liege. Da gebe es schon ein Defizit, das man in anderen Bereichen, etwa dem ÖPNV, fortschreiben könnte. "Wir würden als Landkreis erwarten, dass der Kreis nicht allein gelassen wird", so Bühler abschließend.

Bürgermeister Norbert Mai wurde gefragt, wie sich denn beispielsweise die Kreisumlage für die Stadt bei einem Wechsel auswirken würde. Der Schultes bezifferte die Mehrkosten beim jetzigen Stand (Landkreis Calw: 26,5 Prozent; Landkreis Karlsruhe: 32 Prozent) auf 450.000 bis 500.000 Euro. Auf Nachfrage bestätigte er, dass das den meisten Bürgern bei der Abstimmung nicht bewusst gewesen sein dürfte.

Thomas Blenke gab am Ende der Veranstaltung noch einen Ausblick auf das weitere Verfahren. Man werde sich nun in den beiden Fraktionen getrennt beraten und dann auf eine Linie in der Koalition einigen. Über diesen gemeinsamen Entschließungsantrag werde dann der Landtag abstimmen – möglichst noch vor der parlamentarischen Sommerpause. "Die Veranstaltung hat für uns ihren Sinn voll erfüllt", sagte Uli Sckerl. Man wolle sich vor allem der Frage der interkommunalen Zusammenarbeit widmen, dies sei ein wichtiges Thema. "Die Kreisgrenzen werden zunehmend unwichtiger", resümierte er.

"Die Anhörung war fair, die Dinge wurden ausgetauscht", sagte Scheeder nach der Veranstaltung. Für die BI sei klar, dass Bad Herrenalb in Richtung Karlsruhe orientiert sei. Wenn am Ende statt eines Kreiswechsels eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit stehe, "damit könnte ich leben", so Scheeder weiter.

Helmut Riegger fand die Anhörung in den Fraktionen sehr gut vorbereitet. Man habe sachlich Argumente ausgetauscht. "Für mich haben sich keine neuen Argumente ergeben. Im Gegenteil: Unsere Argumente wurden unterstützt", so der Landrat, der sich zuversichtlich zeigte: "Bad Herrenalb ist und bleibt ein fester Bestandteil des Kreises."

Auswirkungen beachten

Blenke sagte, man müsse jetzt noch auf die "angeblichen Unvollständigkeiten und Unrichtigkeiten" warten, die die BI nachliefern müsse. Aber dennoch soll es schnell gehen: "Die Bad Herrenalber brauchen jetzt mal Klarheit. Sie wollen wissen, wo es lang geht. Bei dem Verfahren sei gut herausgekommen, dass der Wechsel auch erhebliche Auswirkungen auf Dobel hätte.

Die Verwaltungsgemeinschaft mit Bad Herrenalb sei nach einem Kreiswechsel nicht mehr möglich. "Das muss unbedingt berücksichtigt werden", so Blenke weiter. Obwohl er als Wahlkreisabgeordneter eine Meinung habe, die auch bekannt sei, werde er der Fraktion aber objektiv berichten. "Ein Teil des Berichts wird auch sein, dass ich keine zusätzlichen Argumente gehört habe, die für eine Auskreisung sind."