Der Turm diente von 1940 bis 1945 als "Ernte-Kindergarten". Foto: Schwarzwälder Bote

Heimatgeschichte: Aussichtsturm an Neusatzer Pfütz / Markantes Bauwerk eine Gemeinschaftseinrichtung

Seit 1938 gibt es einen Aussichtsturm in Bad Herrenalb-Neusatz. Er steht an der Neusatzer Pfütz, einem kleinen Teich am Ende des Weingässles. Von der Einweihung des Turms am 5. Juni 1938 existieren noch eine Fotografie und eine Liste mit Unterschriften.

Bad Herrenalb-Neusatz. Die Unterzeichner verbrachten dort eine Freizeit der nationalsozialistischen Organisation "Kraft durch Freude" (KdF). Auch die Hitlerjugend nutzte das zweite und dritte Obergeschoss des Turms. Es diente als Ferienlager für wöchentlich wechselnde Gruppen.

Von 1940 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde das erste Obergeschoss des Turms von der Gemeinde Neusatz als "Ernte-Kindergarten" genutzt.

Freizeiten auf dem Land

"Durch die Betreuung der Kinder während der Sommer- und Herbstmonate standen mehr Mütter für die Forst- und Feldarbeit zur Verfügung, wo sie im Verlauf des Krieges immer dringender benötigt wurden, als zunehmend mehr Männer in die Streitkräfte eingezogen wurden", ist im Heimatbuch "Neusatz – Aus der Geschichte eines Schwarzwalddorfes" von Bernd Leupold zu lesen. Die oberste Etage des Turms war offen und ohne Fenster. Sie war als Aussichtsetage gedacht. Sie wurde aber auch über Mittag als Ruheraum für die Kinder genutzt, die dort an der frischen "Höhenluft" ihren Mittagsschlaf machen sollten.

Nach dem Krieg und der Beseitigung der Kriegsschäden, die der Turm beim Einmarsch der Franzosen im April 1945 erlitten hatte, nutzten zunächst die Kinder der Mitarbeiter der Frankentaler Firma Kienle, Kopp und Kausch den Turm. Dann mietete die evangelische Paulus-Pfarrei Karlsruhe den Turm für das evangelische Landesjugendpfarramt Karlsruhe. Jugendliche aus der Stadt hatten so die Gelegenheit, Freizeiten auf dem Land zu verbringen. Waschgelegenheit war eine schon vor dem Krieg außen am Gebäude angebrachte Rinne aus Metall, über der mehrere Wasserhähne angebracht waren.

Mitte August 1969 übergab die Gemeinde Neusatz die beiden oberen Etagen dem "Jugendclub 67" zur Nutzung. Dieser war hervorgegangen aus der Jugendarbeit im Kirchspiel Dobel, Neusatz und Rotensol.

Ebenfalls Ende der 1960er-Jahre übernahm der Kleintierzüchterverein Neusatz die beiden unteren Etagen. Anfang der 1970er-Jahre, als der Jugendclub seine Arbeit nicht mehr weiterführen konnte, übernahmen die Kleintierzüchter den gesamten Turm. Mit der Stadt Bad Herrenalb, zu der Neusatz nach der Gemeindereform 1972 gehörte, wurde ein Pachtvertrag abgeschlossen.

In diesen Jahren wurden von der Gemeinde ein neuer Eingangsbereich mit Sanitäranlagen und eine Pergola für Veranstaltungen angebaut, die dann auch für viele Feste und Veranstaltungen genutzt werden konnten.

Da der Kleintierzüchterverein sich im Jahr 2016 auflöste, endete der Pachtvertrag. Nun wurde dem neu gegründeten "Förderverein Aussichtsturm Neusatzer Pfütz" die Nutzung des Turms gestattet und die Pflege des Geländes übertragen. Mit Mitteln des Baden-Württembergischen Förderprogramms "Entwicklung Ländlicher Raum (ELR)" konnte das markante Bauwerk als Gemeinschaftseinrichtung für Bürger und Vereine saniert und ausgebaut werden.